Ode

Die Ode ist eine Gedichtform mit strophischer Gliederung, die sich durch einen feierlichen sowie erhabenen Stil auszeichnet. Grundsätzlich weist die Ode dabei allerdings keine Reimbindung auf, was bedeutet, dass es kein festgeschriebenes Reimschema gibt. In der Antike galt nahezu jedes lyrische Werk, das zu Musik vorgetragen wurde, als Ode. Erst im 18. Jahrhundert wurde die Ode vom Lied abgegrenzt, da sie sich durch kunstvolle Gestaltung und gehobenen Stil auszeichnet.


Begriff

Der Begriff leitet sich aus dem Altgriechischen (ᾠδή ~ ōdḗ) ab und lässt sich mit Lied, Gedicht oder Gesang übersetzen. Hierbei wird ersichtlich, dass die Gedichtform ursprünglich Lyrik meinte, die man zur Begleitung von Musik vortrug. Demzufolge können auch Chorlieder oder Monodien als Oden bezeichnet werden. Monodien sind Gedichte, bei denen sich der Vortragende mit einem Zupfinstrument selbst begleitet.

Die Ode folgt – jedenfalls nach antikem Verständnis – einem sehr strengen Aufbau. Zwar gibt es keine vorgegebene Abfolge der Endreime im Gedicht, doch in Bezug auf die Betonung der Silben des Werkes und der Strophenform gibt es teils sehr strikte Vorgaben. Daraus ergeben sich die verbreitetesten Odenmaße: nämlich die alkäische, sapphische, und außerdem die asklepiadeische Ode (→ Versmaß).

Merkmale der Ode

Übersicht: Merkmale der Ode im Überblick


  • Gedichtform: Die Ode ist eine Gedichtform. Das bedeutet, dass sie in Versen verfasst ist, die in Strophen unterteilt sind. Oftmals sind dies alkäische, sapphische und asklepiadeische Strophen. Selten finden sich auch archilochische, hipponakteische und Strophen im Ionikus.
  • Stil: Die Sprache ist erhaben, würde- und kunstvoll. Demzufolge ist der Sprachstil mitunter sogar pathetisch, also eine emotionale, theatralische sowie teilweise übertriebene Form der Artikulation.
  • Ausprägung: Die antiken Oden orientierten sich stark an der vorgegebenen Strophenform, wobei sie außerdem meist reimlos waren. Wichtige Vertreter sind hierbei Pindar (griechisch) und Horaz (lateinisch). In Deutschland und Europa wurden die klaren Vorgaben zumeist nachgeahmt, wobei die Dichtform vor allem im 18. Jahrhundert durch Klopstock einen neuen Höhepunkt erlebte.
  • Keine Endreime: Die Ode hat keine Reime am Ende einer Zeile. Das bedeutet, dass es kein festes Reimschema gibt, das die einzelnen Verszeilen der Strophen zusammenhält.

  • Ähnliche Genres: Am ähnlichsten sind der Gedichtform wohl das Lied und die Hymne. Beide Genres sind jedoch frei von starren Regeln und außerdem in freien Rhythmen verfasst.

Odenstrophen

Wie beschrieben, gibt es verschiedene Odenmaße, also grundsätzliche Strophenmuster, denen das Gedicht folgt. Nachfolgend finden Sie eine Übersicht der gängigsten Odenstrophen mit je einem nachahmenden Beispiel aus der deutschsprachigen Literatur.

Nachahmend sind diese Beispiele, weil das Griechische und das Lateinische auf einer quantitierenden Metrik beruhen. Das bedeutet, dass die Silben nach Längen und Kürzen unterteilt sind. Im Gegensatz dazu, gibt es im Deutschen eine akzentuierende Metrik: die Unterscheidung zwischen unbetonten und unbetonten Silben.

Alkäische Odenstrophe

Die Alkäische Odenstrophe besteht aus zwei alkäischen Elfsilbern, die metrisch identisch sind. Nach zwei jambischen Versfüßen und einer Senkung gibt es eine Zäsur (/), einen Daktylus sowie einen vollständigen und einen unvollständigen Trochäus. Betonte und unbetonte Silben sind nicht alternierend (abwechselnd).

Der dritte Vers der Strophe ist ein Neunsilber, der vierhebig jambisch ist und eine überzählige Senkung am Ende hat. Der letzte Vers ist ein Zehnsilber, der aus zwei Daktylen und zwei Trochäen gebildet wird. Diese alkäische Odenstrophe besteht demzufolge aus vier Versen, wobei alle, außer der letzte, auftaktig sind.

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È È È / È È È
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Das obige Beispiel zeigt die unterschiedlichen Hebungen und Senkungen der vorgestellten Odenstrophe, die Zahl vor den Verszeilen gibt die Silbenzahl an. Häufig wurde diese Strophe von Friedrich Hölderlin genutzt, wie beispielsweise in seinem Werk Die Götter, das klar nach diesem Schema aufgebaut ist.

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Du stiller Aether!  /  Immer bewahrst du schön
Die Seele mir im Schmerz, und es adelt sich
Zur Tapferkeit vor deinen Strahlen,
Heli os! Oft die empörte Brust mir.

Diese Übertragung ins Deutsche orientiert sich an der antiken Odenstrophe. Hebungen und Senkungen wurden in betonte und unbetonte Silben übertragen. Das einzige Merkmal, das nicht lupenrein Verwendung findet, ist die zweite Zäsur (Sprech-, Atempause) im zweiten Vers, die nicht gesetzt wurde.

Sapphische Odenstrophe

Die sapphische Odenstrophe besteht aus vier Verszeilen. Die ersten drei Verse sind metrisch vollkommen identisch. Sie beginnen auftaktlos mit einem zweihebigen Trochäus. Darauf folgt einmalig ein Daktylus, worauf erneut ein Trochäus steht. Der vierte Vers besteht aus einem Daktylus und einem Trochäus.

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Ersichtlich wird, dass die ersten drei Verszeilen identisch sind und nur die vierte abweicht. Diese drei Verse werden als sapphische Elfsilber bezeichnet und bestehen somit aus jeweilis elf Silben. Diese Form der Ode wurde selten in der deutschen Lyrik nachempfunden. Dennoch gibt es metrisch genaue Übersetzungen:

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Reiterheere gen die einen, andre
halten Fussvolk oder ein Heer von Schiffen
für der Erde köstlichs tes Ding,ich aber
das was man lieb hat.

Dieses Beispiel ist eine Strophe der Ode an Anaktoria von Sappho, dem Namensgeber der Odenstrophe. Die metrisch genaue Übertragung ins Deutsche wurde vom Philologen Max Treu verwirklicht und gibt das Schema exakt wider. Auch hier wurden natürlich die Hebungen und Senkungen in unbetonte und betonte Silben übertragen, um das Gedicht im Deutschen nachzubilden.

Asklepiadeische Odenstrophe

Die asklepiadeische Odenstrophe ist nach dem griechischen Dichter Asklepiades benannt. Jeder der vier Verse beginnt auftaktlos, also unbetont, und mit einem Trochäus, einem Daktylus und einer letzten Hebung.

In den ersten beiden Verszeilen folgt dann eine Zäsur und ein Daktylus, ein Trochäus und eine letzte betonte Silbe. Die dritte Verszeile beginnt ebenso mit Trochäus und Daktylus, woraufhin erneut ein trochäischer Fuß zum Einsatz kommt. Die vierte Zeile ist mit der dritten identisch, hat allerdings eine betonte Silbe mehr.

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È È È / È È È
È È È È
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Das grundsätzliche Schema sollte ersichtlich werden. Auch für diese Form der Odenstrophe gibt es eine exakte Übertragung ins Deutsche: Der Zürchersee von Friedrich Gottlieb Klopstock. Klopstocks Oden und Elegien (1771) waren im Übrigen ein Höhepunkt der deutschsprachigen Odendichtung (→ Elegie).

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Schön ist, Mutter Natur,  /  deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verstreut,  /  schöner ein froh Gesicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmal denkt.

In diesem Beispiel wurden durch Klopstock nicht nur die Hebungen und Senkungen der asklepiadeische Odenstrophe übernommen, sondern außerdem die beiden Zäsuren ins Deutsche übertragen. Nach den Wörtern Natur und verstreut machen wir nämlich eine klare Atempause. Dieser Umstand wird außerdem durch das Komma verdeutlicht. Es handelt sich um die erste Strophe des Werkes.

Hinweis: Es gibt Oden, die auf archilochischen und hipponakteischen Strophen oder eine Gestaltung im Ionikus, einem Versfuß, basieren. Diese sind sehr selten, weshalb sie hier nicht aufgeführt werden.

Odendichter und Beispiele

  • Bekannte und wichtige Oden

    • Pindar: Epinikia (chorlyrische Preislieder auf Sieger griechischer Agone)
    • Horaz: Carmina I-IV (Hauptwerk des Dichters – vier Gedichtbände mit Oden)
    • Friedrich Gottlieb Klopstock: Der Zürchersee, An Fanny, An Johann Heinrich Voß
    • Friedrich Schiller: An die Freude (vertont in Beethovens 9. Symphonie)
    • Friedrich Hölderlin: An die Parzen, Gesang des Deutschen, Lebenslauf
    • Adam Mickiewicz: Oda do Młodości (Ode an die Jugend)
    • John Keats: Ode to a Nightingale (Ode an die Nachtigall)
    • Percy B. Shelley: Ode to the West Wind (Ode an den Westwind)
    • Victor Hugo: Ode sur la mort du duc de Berry (Ode über den Tod des Duc de Berry)
Das Wichtigste zur Ode in der Übersicht


  • Die Ode ist eine Gedichtform und mit der Hymne und dem Lied verwandt. Erst im 18. Jahrhundert gab es erstmalig eine Abgrenzung zum Lied, da der Ode eine gehobenere Sprache und ein kunstvollerer Stil zugesprochen wurde. Das gilt vor allem für die antiken Vorbilder.
  • Diese antiken Vorbilder zeichnen sich vor allem durch ihre Reimlosigkeit und einen strengen metrischen Aufbau aus. In der deutschen Lyrik finden sich aber durchaus Oden, die Reime aufweisen oder vom vorgegebenen Metrum abweichen.
  • Wenn die Ode auf keines der bekannten Odenmaße zurückgreift, ist es schwierig sie als solche zu erkennen. Dann können weitere Merkmale hilfreich sein: Die Ode ist nämlich meist ein Lobgesang auf etwas und hat außerdem sehr häufig erregende, das Gemüt anregende Inhalte.
  • Zwar zeichnen sich die antiken Oden dadurch aus, dass sie gesungen und sehr häufig musikalisch untermalt wurden, doch die späteren Nachbildungen kommen diesem Anspruch nicht in jedem Fall nach. Hierbei können wir Oden also meist aufgrund der genutzten Odenstrophen erkennen.