Constructio ad sensum

Als Constructio ad sensum, auch Constructio kata synesin oder auch Synesis und Synese, wird eine grammatische Auffälligkeit bezeichnet, die auch als Stilmittel eingesetzt werden kann. Dabei geht es darum, dass Satzteile, die syntaktisch einander zugeordnet sind, in Numerus, mitunter auch Genus, nicht übereinstimmen. Oftmals findet sich die Stilfigur, wenn der Sprechende einen Einzahlbegriff, der demnach im Singular steht, nutzt und den weiteren Satz im Sinne der Mehrzahl konstruiert. Möglich ist dies aber auch umgekehrt. Darüber hinaus kann die Constructio ad sensum aber auch durch die Überlagerung des grammatischen Geschlechts durch das natürliche erfolgen.


Begriff & Beispiel

Die Wortfolge Constructio ad sensum setzt sich aus dem lateinischen Nomen constructio für Bau und dem Wortpaar ad sensum, das nach dem Sinn bedeutet, zusammen. So verrät die Stilfigur bereits durch ihre Übersetzung, worum es hierbei geht: nämlich um eine Sache, deren Aufbau sinngemäß erfolgt. In diesem Fall ist jedoch keine beliebige Sache, sondern ein Satz gemeint. Ein Beispiel:


Das Mädchen, das uns immer geärgert hat, die immer nur gestört hat, ist mittlerweile eine wunderbare Frau geworden.


Der obige Beispielsatz beginnt mit der Wortgruppe „Das Mädchen“. Der Artikel das zeigt an, dass das grammatische Geschlecht des Wortes sächlich ist. Somit müssten sich sämtliche Wörter, die sich im Satz darauf beziehen, in Geschlecht (Genus) und Numerus anpassen.

Im ersten Nebensatz, also in das uns immer geärgert hat ist das der Fall. Das Relativpronomen das passt sich hier an das grammatische Geschlecht des Mädchens an. Als Relativpronomen gilt es, weil es das Nomen, das zuvor schon genannt wurde, ersetzt.

Im zweiten Nebensatz verhält es sich nicht so. Das Relativpronomen die steht hier zwar auch stellvertretend für das genannte Mädchen, passt sich allerdings nicht dem grammatischen Geschlecht, sondern zeigt das natürliche Geschlecht an. Immerhin ist ein Mädchen per Definition ein Kind weiblichen Geschlechts. Folglich wird hier das grammatische Geschlecht vom natürlichen überlagert.

Hinweis: Im obigen Beispiel wurde die Constructio ad sensum anhand einer Überlagerung des grammatischen Geschlechts durch das natürliche gezeigt. Das grammatisch korrekte das wurde somit im Nebensatz zu die, das dem tatsächlichen, also dem natürlichen Geschlecht entspricht. Dieser Fall ist allerdings selten – eher werden Plural und Singular verändert.

Beispiele für die Stilfigur

Nachfolgend werden Beispiele gezeigt. Einige dieser Beispiele sind konstruiert, anderen sind aus der Alltagssprache übernommen und das letzte stammt aus der deutschen Fernsehlandschaft.


Eine große Menge Pflaumen fielen im Garten vom Baum.


Im obigen Beispiel ist von einer großen Menge die Rede. Diese Menge steht hierbei in der Einzahl, denn sonst wäre von Mengen die Rede. Dabei bezieht sich das Prädikat des Satzes, also das Verb fallen, auf diese Menge. Es müsste also fiel lauten, da es sich um die 3. Person Singular handelt, die hierbei im Präteritum steht.

Sinngemäß bezieht es sich allerdings auf die Pflaumen, die im Plural stehen, und wird dadurch zu fielen. Das ist sinngemäß in Ordnung, aber grammatisch falsch und demnach eine Constructio ad sensum.


Ich oder du kann ja dann das Ticket kaufen!


Auch in diesem Beispiel wird das Prädikat des Satzes, also das Wort kann, nicht an den Numerus des Subjekts angepasst. Zwar wäre der Aussagesatz „Ich kann die Tickets kaufen!“ durchaus korrekt, doch in der zweiten Person ist dies eben nicht mehr stimmig – „Du kann die Tickets kaufen!“ ist grammatisch falsch, da das Verb können hierbei zu kannst werden müsste.

Ein letztes Beispiel findet sich in der Werbung einer Biermarke. Der entsprechende Slogan wurde vor allem vor der Jahrtausendwende gebraucht. Mitunter fällt die Constructio ad sensum im Werbespot auch gar nicht auf, auch wenn das Stilmittel recht auffällig ist.

Entscheidend sind die letzten Sekunden des Clips. Hier können wir hören:„König Pilsener. Das König der Biere!“, wobei das grammatische Geschlecht des Nomens König ignoriert wird, das eigentlich männlich ist. Durch den Artikel das wird es allerdings sächlich gebraucht.

Im Clip wird die Constructio ad sensum genutzt, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Hier ist die Verwendung nämlich sehr eindeutig, was dazu führt, dass der Slogan gewissermaßen im Ohr bleibt. Dies ist einer der wesentlichen Gründe, warum wir in der Werbung sehr häufig Stilmittel aller Art ausmachen können.

Zusammenfassung

Übersicht: Das Wichtigste zur Stilfigur im Überblick


  • Als Constructio ad sensum, auch Constructio kata synesin oder Synesis und Synese, wird eine grammatische Auffälligkeit bezeichnet, welche als Stilmittel eingesetzt werden kann. Die Stilfigur meint eine syntaktische Verbindung, die formal gegen die Regeln der grammatischen Kongruenz (Übereinstimmung) verstößt, aber sinngemäß korrekt ist.
  • Dabei stimmt das Prädikat oder auch Attribut eines Satzes nicht mit der grammatischen Form des Subjekts überein. Meist finden sich Beispiele, deren Numerus nicht übereinstimmt, seltener auch für den Genus.
  • Die Constructio ad sensum findet sich zwar auch in literarischen Texten und in der Werbung, ist aber auch für die Alltagssprache typisch. Hierbei ist sie aber eher als Fehler zu werten und nicht als Stilfigur.
  • Sie tritt vor allem dann zutage, wenn das Prädikat und das Subjekt, auf das sich dieses bezieht, in einem Satz sehr weit auseinander stehen, da der Sprecher den Satz dann häufig nach seinem Sinn und eben nicht nach dessen grammatischen Regeln vollendet (siehe: erstes Beispiel).


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