Diaphora

Als Diaphroa, auch Diapher, wird ein rhetorisches Stilmittel bezeichnet, das in sämtlichen literarischen Gattungen Verwendung findet. Die Diaphora ist die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortfolge in unterschiedlicher Bedeutung. Das Wort wird demnach in der Wiederholung anders gemeint oder wird anders empfunden, als bei der erstmaligen Nennung. Somit sind die Wörter orthografisch identisch, wohingegen im Mündlichen auch Homophone (Gleichklang bei anderer Schreibweise) möglich sind.


Begriff & Beispiele

Der Begriff stammt aus dem Griechischen (διαφορά) und lässt sich mit Verschiedenheit übersetzen. Demnach verweist bereits die Übersetzung des Wortes darauf, worum es grundsätzlich geht: nämlich die verschiedene Bedeutung zweier Wörter [die ansonten rechtschreiblich identisch sind]. Schauen wir dafür auf ein Beispiel:


Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach.

Das obige Beispiel ist ein geläufiges Wortspiel, wobei das Wort viermal als Substantiv und zweimal als Verb gebraucht wird. Entscheidend ist hierbei, dass das Wort dadurch zwei verschiedene Bedeutungen hat. Als Verb (fliegen) meint es, dass sich etwas durch die Luft bewegt, als Substantiv meint es das Insekt. Die Wiederholung wird also anders gemeint oder empfunden, was eben als Diaphora bezeichnet wird.


»Was willst du hier«, sagte sie, »du hast mich hier belauschen wollen, nicht wahr, du Simpel?«
»Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr«, rief er mit derselben Stimme […]


Dieses Beispiel ist dem Roman Die Kronenwächter (1817) von Achim von Arnim, einem deutschen Autor und Vertreter der Heidelberger Romantik, entnommen. Dabei ist es die Wortfolge nicht wahr, die in verschiedenen Bedeutungen, wenn auch gleichklingend und identisch geschrieben, wiederholt wird. Das erste Mal wird die Wortgruppe als eine Bekräftigung des vorher Gesagten verwendet, also um die Frage zu verstärken.

In der Antwort auf diese Frage wird die Wortfolge allerdings gebraucht, um etwas zu bestreiten. Das Wort nicht soll hier das Adjektiv wahr negieren, also verneinen. Die Wortfolge wird also wiederholt, aber bedeutet in der Wiederholung etwas anderes, wodurch das Ganze als Diaphora bezeichnet wird. Ein weiteres Beispiel:


Durch diesen Trick werden Sie leichter leichter.

Der obige Beispielsatz könnte ein Werbeslogan sein, um eine neue Diätformel zu bewerben. Hier ist es das Adjektiv leicht, das in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. Einerseits meint es, dass eine Sache oder Aufgabe keine große Anstrengung erfordert und demzufolge einfach zu lösen ist. Andererseits bezieht sich das Wort auf das Gewicht einer Sache. Ist etwas leicht, ist es von einem geringem Gewicht.

Diaphora und Homophon

Die Diaphora meint also stets eine Wiederholung, wobei der Sinn des Wiederholten verändert wird. Es ist wesentlich, dass das wiederholte Wort oder die jeweilige Wortgruppe mit der ersten identisch ist. Allerdings ist es verbalen Äußerungen denkbar, dass die Stilfigur durch Homophone gebildet wird.

Als Homophone, auch Homonyme, werden Wörter bezeichnet, die gleichnamig, also gleichlautend sind, aber unterschiedlich geschrieben werden, etwas anderes bedeuten, etymologisch verschiedene Ursprünge haben und dennoch identisch klingen. Beispielsweise klingt das Substantiv Meer genauso wie das Adverb mehr. Dennoch bedeuten die beiden Wörter etwas ganz anderes. Schauen wir nun auf ein Beispiel:


Wer nichts wird, wird Wirt.

Das obige Beispiel ist demnach eine Diaphora, die durch Homophone gebildet wird und demzufolge auch nur in der gesprochenen Sprache möglich. Denn wenn der Satz geschrieben wird, sind die Wörter für den Leser auch nicht mehr identisch. Hierbei geht es um den Gleichklang des Wortes Wirt, das den Eigentümer eines Gasthauses bezeichnet sowie die dritte Person Singular des Verbes werden. Diese klingen gleich, haben allerdings eine unterschiedliche Bedeutung. Ebenso verhält es sich in einem Schlager von Theo Lingen:


Der Theodor, der Held, der hält!

Diaphora als Antistasis und Anaklasis

Die Stilmittel Antistasis und Anaklasis beschreiben zwei Sonderformen der Diaphora. Beide Stilfiguren sind in den obigen Beispielen schon aufgetaucht, sollen nun allerdings en detail vorgestellt werden.

Die Anaklasis beschreibt eine Diaphora, die im Dialog zwischen zwei Gesprächspartnern entsteht. Das meint, dass der erste Gesprächsteilnehmer ein Wort gebraucht, das vom Antwortenden ebenfalls benutzt, aber mit einer anderen Bedeutung versehen wird. Offensichtich ist das im obigen Beispiel von Achim von Arnim.


»Was willst du hier«, sagte sie, »du hast mich hier belauschen wollen, nicht wahr, du Simpel?«
»Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr«, rief er mit derselben Stimme […]


Der erste Satz des Beispiels stammt von einer Wirtin, die sich von Anton belauscht fühlt, der sie ertappt, als sie mit dem Wirt streitet. In der Erwiderung Antons steckt die gleiche Wortfolge, welche allerdings eine andere Bedeutung hat. Somit wird der Bedeutungswandel im Dialog vollzogen, was als Anaklasis bezeichnet wird.

Die Antistasis meint das entsprechende Pendant im Monolog. Hierbei wird die Diaphora von einem einzelnen Sprecher gebildet, der eigenständig dem Wort eine andere Nuance, also einen feinen Unterschied in Bezug auf die Bedeutung, gibt. Alle anderen Beispiele dieses Beitrags können demzufolge, wenn sie im Monolog fallen, als Antistasis gelten und somit als eine Sonderform der Diaphora.

Kurzübersicht: Das Wichtigste zum Stilmittel im Überblick

  • Als Diaphora, auch Diapher, wird die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortfolge mit einer verschiedenen Bedeutung bezeichnet. Sehr häufig wird der zweite Teil dabei stärker betont, um den feinen Unterschied auch für den Empfänger eindeutig zu machen, wenn dieser die entsprechende Äußerung nur hört und nicht lesen kann.
  • Ist die Äußerung nicht schriftlicher, sondern ausschließlich sprachlicher Natur, kann die Diapher auch mithilfe von Homophonen gebildet werden. Hierbei wird ein Wort wiederholt, das identisch klingt, aber anders geschrieben wird. Für den Empfänger ist der Unterschied nicht offensichtlich.
  • Sonderformen der Stilfigur sind die Antistasis sowie die Anaklasis. Die Antistasis bezeichnet die Verwendung der Diaphora innerhalb eines Monologs, also die Wiederholung eines Wortes, das eine andere Bedeutung erhält, durch einen Sprecher, wohingegen die Anaklasis den Umstand beschreibt, dass der Bedeutungswandel in einem Dialog von zwei Sprechern vollzogen wird.