Rhetorische Frage

Die rhetorische Frage ist ein Stilmittel der Rhetorik. Äußerlich betrachtet, unterscheidet sich eine rhetorische Frage nicht von einer gewöhnlichen Frage. Der wesentliche Unterschied ist, dass sie vom Gegenüber keine Antwort verlangt. Sie unterstellt nämlich, dass die Antwort auf der Hand liegt. Somit kann sie eine Aussage vorwegnehmen und das Gespräch beeinflussen.


Beispiel und Funktion

Wer eine rhetorische Frage stellt, fragt nicht nach Informationen, sondern versucht, das Gegenüber zu beeinflussen. Somit ist die Stilfigur allenfalls auf den ersten Blick als Frage zu interpretieren und kommt in ihrer Funktion eher einer Behauptung oder eben Aussage nahe. Schauen wir auf ein Beispiel.


Eva hat gestern mit mir Schluss gemacht.
Habe ich es dir nicht gesagt?

Das obige Beispiel zeigt schön, worum es bei dieser Stilfigur grundsätzlich geht. Der erste Satz ist eine klare Aussage, die den Gesprächspartner darüber informiert, dass Eva gestern die Beziehung beendete. Darauf folgt nun offenkundig eine Frage, die im Eigentlichen überhaupt keine ist.

Prinzipiell könnte dort auch stehen:“Das habe ich Dir doch gesagt!“, wodurch ersichtlich wird, dass sich die Frage lediglich als solche tarnt und folglich selbst eine Aussage ist.

Die rhetorische Frage ist somit eine Scheinfrage und beinhaltet die Antwort im Grunde schon selbst. Sie wird verwendet, um eine Aussage besonders nachdrücklich zu gestalten. Die Antwort auf die Frage wird nämlich vom Fragenden bestimmt, wodurch sie als selbstverständlich gilt.
Unterschied zwischen rhetorischer und echter Frage

Hinweis: Deshalb wird die rhetorische Frage auch als unechte Frage bezeichnet, da sie nicht auf eine Antwort zielt, sondern zur Betonung der positiven oder negativen Hervorhebung einer Aussage dient.

Fragen und rhetorische Fragen

Wie beschrieben, dient eine Frage in der Regel dazu, eine Information zu erhalten und somit eine Wissenslücke zu schließen. Wir unterscheiden in direkte und indirekte Fragen.

Eine direkte Frage („Wer sind Sie?“) endet zwingend mit einem Fragezeichen und lässt sich eindeutig von anderen Sätzen abgrenzen. Die indirekte Frage wird im Nebensatz gestellt und nicht als selbständiger Fragesatz formuliert („Mich würde interessieren, wer Sie sind.“). Sie kommt also ohne Fragezeichen aus.

Die rhetorische Frage wirkt wie eine direkte Frage, die zum Erhalt von Informationen gestellt wurde. Im Unterschied zur direkten Frage soll sie allerdings keine Wissenslücke schließen und kann somit nicht als Frage im eigentlichen Sinn gelten. Sie erinnert nur durch das Fragezeichen an eine wirklich Frage.

Die rhetorische Frage ist keine Frage und bildet auch keinen Fragesatztyp. Sie ist im Eigentlichen eine Aussage und hat mit gewöhnlichen Fragen nur das Fragezeichen gemein.

Beispiele für die rhetorische Frage

Um das Stilmittel zu illustrieren, möchten wir Ihnen noch einige Beispiele geben. Beginnen wir mit einem der häufigsten Beispiele für die Stilfigur: der ersten Rede gegen Catilina von Cicero


Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen?

Dieser Satz ist der Beginn der ersten Rede gegen Catilina und besteht aus der einfachen Frage, wie lange die Geduld noch strapaziert werden soll. Hierbei gibt es im Grunde aber keine Antwort. Der Autor, in diesem Fall Cicero, sagt damit nämlich aus, dass unsere Geduld durch Catilina missbraucht wurde und versteckt diese Aussage in einer direkten Frage, die wir folglich als rhetorische Frage identifizieren.


Kannst du das noch aufräumen, Schatz?
Sehe ich etwa so aus, als wäre ich deine Putzfrau?

Das obige Beispiel impliziert selbst die Antwort: nämlich ein Nein. Zwar könnte der Gefragte durchaus antworten, dass er finde, dass der Fragesteller wie seine Putzfrau aussieht, doch geht es darum natürlich nicht. Der Fragende möchte nämlich keine Antwort haben respektive gibt es keine wirklich Wahl, wobei das „Nein“ eingefordert und dem Gefragten nahezu in den Mund gelegt wird.


Seid ihr denn bekloppt?

Gehen wir für dieses Beispiel davon aus, dass die Frage in einem bestimmten Zusammenhang gestellt wird. Stellen wir uns vor, ein Lehrer betritt den Klassenraum und sieht bei seiner Ankunft, dass die gesamte Schülerschaft das Klassenzimmer verwüstet hat. Zwar ist die rhetorische Frage des Lehrers nicht sonderlich höflich, beinhaltet aber seine Meinung. Folglich könnte der Lehrer auch einfach sagen:“Ihr seid bekloppt!“, was die Aussage nicht verändern würde.

<strong>Weitere Beispiele</strong> (ausklappen!)
  • Wer ist schon perfekt?
  • Wie viele Menschen müssen noch sterben?
  • Bist du noch bei Verstand?
  • Wollen Sie sich diese Chance entgehen lassen?
  • Macht nicht jeder Fehler?
  • Wer glaubt denn das noch?

Wirkung der rhetorischen Frage

Grundsätzlich ist es äußerst schwierig einem Stilmittel eine eindeutige Funktion zuzuschreiben. Dann besteht nämlich die Gefahr, es einfach auf diese Funktion herunter zu brechen und nicht mehr auf den Gesamtkontext zu achten. Dennoch gibt es häufig einen Grund für den Einsatz.

Funktion, Effekt und Wirkung der rhetorischen Frage

  • Aussage: Die rhetorische Frage ist eigentlich eine Aussage. Durch die indirekte Formulierung kann das Gegenüber somit beeinflusst und die eigene Meinung aufgedrängt werden.
  • Neutralität: Das bedeutet aber auch, dass die rhetorische Frage nicht neutral ist, wie beispielsweise eine Tatsachenbehauptung, sondern immer ein wenig suggestiv.
  • Rhetorik: In der antiken Rhetorik wurde die rhetorische Frage hauptsächlich zum Ausdruck von Unwillen, Verwunderung, Gehässigkeit oder auch Mitleid benutzt.