König Ödipus

Einleitung

König Ödipus ist eine klassische griechische Tragödie des Dichters Sophokles (497/96-406 v. Chr.). Das exakte Datum der Entstehung ist unbekannt, wird jedoch auf die erste Hälfte der zwanziger Jahre des 5. Jahrhunderts vor Christus geschätzt.

Das Stück thematisiert den bekannten Ödipus-Mythos. Ödipus wird als Kind von seinem Vater König Laios aus Angst vor einem Orakelspruch ausgesetzt. Eigentlich sollte Ödipus von einem Diener des Königs umgebracht werden. Ihm wurden bereits die Fußknöchel durchstochen. Allerdings übergab der Diener das Kind aus Mitleid an einen Hirten aus der Stadt Korinth. In Korinth wird das Kind vom König Polybos adoptiert. Es gelingt Merope, der Frau von Polybos, die Füße von Ödipus zu heilen. Der Name Ödipus leitet sich von dessen geschwollenen Beinen her, so heißt Oidipus auf griechisch Schwellfuß. Allerdings bewahrheitet sich der Orakelspruch: Ödipus, selbst auf der Flucht vor einem Orakelspruch, erschlägt seinen Vater durch Zufall und heiratet (unwissend) seine eigene Mutter Iokaste.

Die Tragödie König Ödipus handelt davon, dass Ödipus entdeckt, der Mörder seines Vaters und der Ehemann seiner eigenen Mutter zu sein. In der Folge der Ereignisse bringt sich seine Frau Iokaste um und Ödipus sticht sich mit ihren Achselspangen die Augen aus. Von seiner Schuld gezeichnet, bittet er darum, aus Theben verbannt zu werden. Dieser Wunsch wird ihn von seinem Schwager Kreon erfüllt.

Das besondere der griechischen Tragödie besteht darin, dass sich die gesamte Geschichte im Vorfeld der eigentlichen Handlung des Dramas ereignet hat. Deswegen kann das Drama sich ganz auf den tragischen Schicksalsmoment konzentrieren, der einzig im Dialog und durch Fragen und Antworten in sprachliche Schilderungen dargestellt wird. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Zuschauer des Stücks den Ödipus-Mythos bereits kannten.

Szenenübersicht

Szenenübersicht von König Ödipus
Prologos
Zeuspriester, Ödipus, später Kreon
Im Hintergrund der Bühne ist der königliche Palast zu sehen. Ein weiß gekleideter Trauerzug, von dem greisen Zeuspriester angeführt. König Ödipus erscheint in einem Purpurkleid. Auf Ödipus Frage erklärt der Priester die Lage der Stadt Theben: „Die Stadt ja, wie du selber wahrnimmst – allzu schwer / schwankt sie, und kaum vermag sie noch das Haupt empor / zu heben aus dem Wogenschwall, der Tod ihr dräut.“ Der Priester beklagt die wütende Pest, die in der Stadt ausgebrochen ist. Er fordert den König auf, der Stadt zu helfen. Ödipus reagiert auf die Klage des Priesters mit Mitgefühl. Er sagt, dass er es ist, der sich am meisten um die Stadt Theben sorgt: „Denn euer Kummer ist bei jedem einzig nur / gerichtet auf sich selbst und keinen sonst. Mir klagt / um diese Stadt die Seele, klagt um mich und euch / […] Nein, viele Tränen hab ich schon geweint, das wißt, / hab viele Sorgenwege suchend schon durchirrt.“ Aus diesem Grund hat Ödipus seinen Vertrauten Kreon, den Bruder seiner Frau Iokaste, zum Orakel nach Delphi gesendet. Just in diesem Moment kehrt Kreon aus Delphi zurück. Er möchte Ödipus den Orakelspruch im Geheimen mitteilen, doch Ödipus besteht darauf, die Bürger Thebens in die Diskussion miteinzubeziehen. Kreon erzählt, dass die Not Thebens durch eine „Blutschuld“ verursacht ist. Und zwar wurde der Mörder des ehemaligen Staatstslenkers Laios nie gesühnt. Da sich die Stadt Theben zur damaligen Zeit noch durch die Sphinx belagert sah – die erst durch Ödipus besiegt werden konnte – wurde damals keine Zeit auf die Verfolgung des Mörders verwendet. Ödipus verspricht, sich der Sache anzunehmen und den Mörder Laios zur Rechenschaft zu führen. Ödipus geht mit Kreon in den Palast.
Einzugslied des Chores (Parodos)
Im Einzugslied des Chors werden die wichtigen Gottheiten Zeus, Apollon (Phoibos) und Athene besungen. Der Chor, der aus den 15 ältesten Personen der Stadt Theben besteht, bittet die Götter um ihren Beistand in der schwierigen Situation, in der sich ihre Stadt zur Zeit befindet.
Erste Hauptszene (Erster Epeisodion)
Ödipus, Chor, Teiresias
Ödipus ist davon überzeugt, selber nicht aus Theben zu stammen. Deswegen bittet er alle Bürger der Stadt, ihm alle notwendigen und vorhandenen Informationen über die Umstände des Mords an Laios zukommen zu lassen. „Wer unter euch von Laios, Sohn des Labdakos / zu sagen weiß, durch wessen Hand er unterging, / Diesem befehl ich, alles darzutun vor mir.“ Den am Tod beteiligten Bürgern bietet Ödipus Straffreiheit an. Wer jedoch schweigt, hat mit scharfen Konsequenzen zu rechnen. Der Chorführer gibt an, selber nicht viel zu wissen. Allerdings könnte der greise Seher Teiresias die Sache aufklären. Nur ist es schwer, Kontakt zu dem blinden Seher herzustellen. Bereits zwei Mal hat Ödipus über Kreon vergeblich versucht, an Teiresias heranzutreten. Die Gerüchte besagen, dass Laios von Wanderern erschlagen wurde. Teiresias erscheint, er wird von einem Knaben geführt. Unwillig ziert er sich, auf Ödipus forsches Fragen einzugehen. Der Seher würde den Palast gerne wieder verlassen. Doch Ödipus fordert ihn auf zu sprechen. Teiresias versucht, den lauten Fragen Ödipus auszuweichen, doch als Ödipus dem Seher wütend vorwirft, mit Kreon unter eine Decke zu stecken und eine Intrige gegen ihn als König zu schmieden, beginnt Teiresias zu erzählen. Er bezeichnet Ödipus als „des Landes gottverfluchter Greuel“ und sagt: „Du selber, sag ich, bist der Mörder, den du suchst.“ Teiresias wirft Ödipus vor, vollkommen ahnungslos und über seine Abstammungsverhältnisse nicht aufgeklärt zu sein. Dies ist insofern von Bedeutung, da sich Ödipus rühmt, das Rätsel der Sphinx gelöst zu haben. Einmal begonnen, führt der Seher auch aus, dass Ödipus der Mörder seines Vaters und der Ehemann seiner Mutter ist. Er, der Blinde, wirft Ödipus vor, selber nichts zu sehen: „Erkannt wird ferner, was er [Ödipus] seinen Kindern ist: / Bruder zugleich und Vater; ihr, die ihn gebar, / Sohn wie auch Gatte; Erbe seines Vaters Bett / Und seines Vaters Mörder.“
Erstes Standlied des Chors (Erstes Stasimon)
Der Chor, der aus den ältesten Bürgern Thebens besteht, ist durch die Schilderungen des Sehers Teiresias äußerst verwirrt („Schrecklich, doch nun, schrecklich erregt eines / Munds Weissagung mich!“). Da Ödipus in der Stadt Theben als Retter gilt, fällt es schwer, dem König den Mord an seinem vermeintlichen Vater Laios und den Inzest mit seiner Mutter Iokaste zuzutrauen. Deswegen entscheidet sich der Chor die Entwicklung abzuwarten, bevor über Ödipus zu richten sei.
Zweite Hauptszene (Zweites Epeisodion)
Ödipus, Kreon, Chor, Iokaste
Kreon betritt die Bühne und ist über die Anschuldigungen des Königs gegen ihn verärgert. Der Chorführer versucht Kreon mit Verweis auf Ödipus Gemütslage zu beruhigen, doch als Ödipus auf Kreon trifft, weitet sich der Streit aus. In der Folge beschimpft Ödipus Kreon und beschließt, seinen vermeintlichen Widersacher umbringen zu lassen. Der Streit kann erst durch das Eintreffen von Ödipus Frau Iokaste beruhigt werden. Nachdem Kreon die Bühne verlassen hat, fragt die neu Eingetroffene den Chor nach dem Grund des Streits. Doch der Chor hält sich sichtlich zurück, Iokaste die Einzelheiten der Weissagungen des Sehers Teiresias mitzuteilen, die die Grundlage des Streits gewesen sind. Vielmehr antwortet der Chor abweisend („Wo dieser Streit sein Ende fand – soll er ruhn!“). Folglich erklärt Ödipus, noch immer empört, dass er der Meinung ist, dass Kreon ihn durch die Figur des Sehers als Mörder des ehemaligen Königs Laios darstellte. Iokaste erwidert auf Ödipus Bestürzung, dass Ödipus gar nicht der Mörder sein könnte. Sie sieht die Seherkünste generell kritisch und erzählt, von einer ihrer Meinung nach niemals eingelösten Prophezeiung, die von einem Diener des Gottes Phoibos ausgesprochen wurde. Die Prophezeiung besagte, dass Laios von der Hand seines eigenen Sohnes umkommen sollte. Allerdings ist dies nicht möglich gewesen, da Laios voraussichtlich seinen und Iokastes Sohn dreitägig die Knöchel duchbohren ließ und durch fremde Hand im Gebirge aussetzte. Ihr leiblicher Sohn sei also kurz nach der Geburt gestorben und kann nicht für die Mordtat an Laios verantwortlich gewesen sein, der an einer Kreuzung von Räubern überfallen und umgebracht wurde. An dieser Stelle hört Ödipus auf. Er fragt seine Frau, wo genau Laios umgekommen ist und wird mehr und mehr stutzig. Er fragt, ob Laios alleine oder in eine Gruppe unterwegs gewesen ist und ob es Überlebende gibt. Iokaste antwortet, dass außer einem Überlebenden Diener alle Mitreisenden durch die Angreifer getötet wurden. Ödipus wünscht, den Diener ausfindig machen zu lassen und aufs Schloss zu bringen. Iokaste hatte zuvor gesagt, dass der Diener seinen Dienst im Schloss zu beenden wünschte, nachdem er Ödipus in das Schloss einziehen sah. Um seiner Frau seine Beunruhigung zu erklären, berichtet Ödipus von einem Fest in seiner Heimat Korinth. Auf diesem Fest hatte ein Mann bei einem Gelage ausgerufen, dass Ödipus gar nicht der Sohn seiner Eltern Polybos und Merope sei. Der Schmerz über dieses Misstrauen beschäftigte Ödipus sehr lang („Der Stachel blieb; denn heimlich breitete er sich aus.“). Aus diesem Grund ist Ödipus zum Orakel nach Delphi aufgebrochen. Das Orakel weissagte damals, dass Ödipus seinen eigenen Vater umbringen und seiner Mutter heiraten würde. Deswegen verließ Ödipus seine Heimat Korinth. Auf seiner Wanderung traf er auf eine kleine Gruppe, die ihn „auf einem roßbespannten Wagen, wie du es beschreibst“ von der Straße abdrängen wollten. Doch Ödipus reagiert und bringt die gesamte Wagenbesatzung um: „Ein blitzschneller Schlag / Mit dem Stab von dieser Hand – und hintenüber gleich / ganz aus dem Wagen rollt er auf den Boden hin. / Dann töt ich sie mitsammen.“ Ödipus beginnt sich vor der Möglichkeit zu ängstigen, dass er der Mörder von Laios sein könnte. Somit würden sich die Aussagen des Sehers Teiresias bewahrheiten. Eine Möglichkeit scheint es aber noch zu geben, ihn von der Schuld zu entlasten. Denn so ist die Stadtbevölkerung von Theben davon überzeugt, dass Laios von mehreren Räubern umgebracht wurde. Ödipus hingegen kämpfte damals ganz alleine gegen die aggressiven Wagenlenker. Man wartet auf das Eintreffen des Hirten, der damals an der Ermordung Laios durch die Räuber zugegen war.
Zweites Standlied des Chors (Zweites Stasimon)
Im anschließenden Standlied des Chors verurteilt der Chor die Eigenschaft des Menschen zur Hybris (Selbstüberschätzung) zu neigen. Der Chor mahnt zur Bescheidenheit: „Aber wer überheblich wandelt, ob im Wort nur, ob im Werk, / […] Hart packt ihn ein schlimmes Schicksal.“ Der Chor sagt, dass er nicht mehr an die Götter glauben werde, wenn sich das Götterwort des Phoibos, dass Laios von seinem Sohn umgebracht werden wird, nicht erfüllt.
Dritte Hauptszene (Drittes Epeisodion)
Ödipus, Chor, Bote aus Korinth, Iokaste
Die dritte Hauptszene wird durch das Eintreffen eines ersten Zeugen bestimmt. Es handelt sich um einen Boten, der aus der Stadt Korinth eintrifft (vgl. Botenbericht). Zunächst ist Iokaste besorgt. Flehend bittet sie um den Beistand der Götter. Als der eintreffende Bote sie nach König Ödipus fragt, gibt sie sich als Frau des Königs zu erkennen. Der Bote berichtet, dass Ödipus Vater Polybos gestorben ist. Deswegen wollen die Korinther Ödipus zum König ihres Landes machen. Iokaste schickt eine Dienerin los, Ödipus aus dem Palast zu holen. Als Ödipus eintrifft und die Nachricht des Boten erfährt, ist er erleichtert. Da sein Vater nun auf Grund eines natürlichen Todes gestorben ist, kann er nicht mehr den Orakelspruch aus Delphi einlösen, der voraussagte, dass Ödipus seinen Vater erschlagen werde. „Nein, diese Sehersprüche“, sagt Ödipus, „da nahm Polybos / mit sich hinab zum Hades, wertlos wie sie sind.“ Iokaste freut sich für ihren Mann. Doch Ödipus bleibt besorgt, denn seine Mutter Merope ist noch immer am Leben. Solange sie in Korinth ist, kann Ödipus nicht in seine Heimat. Die Gefahr, den Orakelspruch einzulösen, der Ödipus ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Mutter nahelegt, erscheint ihm zu groß. Doch der Bote versucht, Ödipus zu beruhigen. Er erklärt dem erstaunten König, dass er gar nicht der Sohn des Korinthischen Königspaars sei: „Es war mitnichten Polybos blutsverwandt mit dir!“ Der Bote berichtet, dass er früher als Hirte gearbeitet hat. Eines Tages erhielt er von einem anderen Hirten, der im Dienste des Thebanischen Königs Laios stand, ein Findelkind. Bei diesem Kind handelte es sich um Ödipus. Die Übergabe fand in einer Waldschlucht im Gebirge Kithairon zwischen Theben und Korinth statt. Dem Kind waren die Knöchel durchbohrt. Allmählich trübt sich die Stimmung von Ödipus und Iokaste. Ödipus erkennt, dass die Erzählung stimmen muss. Auch seine Knöchel waren durchbohrt und bis heute zeichnet ihn dieses „schrecklich[e] Brandmahl“. Ödipus fragt nach dem Thebanischen Hirten und der Chor antwortet, dass es sich um den gleichen Zeugen handelt, wie der nachdem Ödipus bereits in der vorherigen Szene suchen ließ. Der Hirte war bei dem Tod des einstigen Königs Laios zugegen und ihm kommt nun die Rolle eines zweifachen Zeugen zu. Während Ödipus brennend nach der Wahrheit zu suchen beginnt („Forschen muß ich, bis ich alles weiß“), versucht Iokaste ihren Mann aufzuhalten. Ihr scheint klar zu sein, dass Ödipus ein schreckliches Schicksal offenbart zu werden droht. Sie fleht ihren Mann an, nicht weiter zu fragen: „Nein, bei den Göttern, ist dir noch dein Leben lieb, / Forsche nicht weiter! Es genügt an meiner Qual!“ Ödipus ist nicht willig, auf die Bedenken seiner Frau einzugehen, sodass sie ihn schließlich als „Unseligen“ bezeichnet („Unselger! Mögest du nie erkennen, wer du bist!“). Sie eilt in den Palast.
Drittes Standlied des Chors (Drittes Stasimon)
Im anschließenden Standlied des Chors äußert der Chor Vermutungen über die mögliche Herkunft von König Ödipus. Im zweiten Teil des Chorlieds heißt es: „Wer doch, mein Sohn, wer gebar dich? / Welche Nymphe, zeitlos blühnd, / der, in den Bergen, sich Vater Pan genaht einst?“
Vierte Hauptszene
Ödipus, Chor, Bote aus Korinth, alter Hirte
Mit der Ankunft des alten Hirten entscheidet sich Ödipus Schicksal. Der Hirte wird gefragt, ob er den Boten aus Korinth kennt. Zunächst verneint der Hirte die Bekanntschaft. Der Bote ruft die Vergangenheit in dem Hirten hervor, doch dieser ist nicht erfreut, über die damalige Zeit zu reden. Ödipus ist über die Zurückhaltung des greisen Mannes verärgert und droht ihm offen: „Du! Sprichst du nicht gutwillig, sprichst du heulend bald!“ Verängstigt und sorgenvoll berichtet der Hirte nun, dass er das Kind von „jemanden“ in Theben erhalten hätte. Ödipus Nachfrage versucht er auszuweichen. Schließlich gibt er preis, dass das Findelkind aus dem Haus des Königs Laios stammt. „Weh mir!“, setzt der Hirte fort, „nun kommt das Furchtbare! – Sprechen soll ich jetzt!“ Er sagt, dass Ödipus am besten seine Frau fragen sollte. Nun stellt sich heraus, dass Ödipus der Sohn von Laios und Iokaste ist. Ödipus fragt, warum der Hirte das Findelkind, also ihn selbst, damals nicht umgebracht hat. Der Hirte antwortet: „Herr, aus Erbarmen!“ Ödipus wird die Verstrickung klar, anstatt den Götterspruch durch seine Flucht aus Korinth abzuwenden, erfüllte er ihn durch diese. Er hat seinen Vater umgebracht und seine Mutter geheiratet. Er stürzt in den Palast, um noch einmal seine Mutter Iokaste zu sehen.
Viertes Standlied des Chors (Viertes Stasimon)
Der Chor ist von den Enthüllungen entsetzt. Er stellt Überlegungen zur abgründigen Verwerfung der Menschen an („Wer dein Beispiel vor Augen hat, / ja, dein furchtbares Los – ja, deins, / armer Ödipus – der lobpreist / nie Menschengeschick mehr!“). Ödipus Schicksal veranlasst den Chor über die Höhe seines Falls nachzudenken: Vom angesehenen König Thebens zu „solch wilde[r] Weh, so tiefe[r] Schmach.“
Schlussszene (Exodos)
Diener, Chor, später Ödipus, Kreon
Die Schlussszene wird durch einen Diener eingeleitet, der den Chor über die Ereignisse im Inneren des Palastes aufzuklären beginnt. Er berichtet, dass sich Iokaste nach den Enthüllung des Boten aus Korinth in ihrem Schlafgemach erhängt habe. Auch die folgenden Ereignisse werden allesamt von den Diener erzählt. So sei Iokaste zunächst klagend durch die Hallen des Palast gerannt, bevor sie sich umgebracht hat. Als Ödipus nach den Enthüllungen des zweiten Zeugen, dem alten Hirten, in den Palast gestürmt sei, verlangte er nach seinem Schwert. Äußerst wild suchte er nach seiner Frau und findet sie schließlich erhängt („Da sahn wir aufgehangen unsre edle Frau / hoch in geknüpfter Schlinge schweben – schwingend noch.“). Als Ödipus seine Frau und Mutter sieht, ergreift er zwei goldene Achselspangen von ihrem Gewand und beginnt, sich mehrfach in die Augen zu stechen. Ödipus klagt und „so schauerlich aufstöhnend, stieß er oft und oft / ausholend in die Augensterne, daß sie gleich / mit Blut den Bart betauten.“ Kurz darauf tritt Ödipus blutend aus dem Haus. In den Händen hält der die Spangen. Der Chor bezeichnet ihn als „Jammerbild“. In der Folge wird diskutiert, wie mit Ödipus zu verfahren ist. Er selber möchte sich aus Theben verbannen, allerdings fehlt ihm die Führerhand, dadurch, dass er sich geblendet hat. Er bittet den Chor, ihn schnellstmöglich außer Landes zu jagen. Ödipus äußert, dass er am liebsten damals schon im Gebirge gestorben wäre, so wie es seine leiblichen Eltern für ihn vorgesehen haben. Er ringt sichtlich damit, Worte für sein Leid zu finden: „Gibts ein gewaltiger Leid und eine Schmach der Schmach – / Ward sie dem Ödipus.“ Der Chor gibt zu bedenken, dass Ödipus lieber tot sein sollte als blind und lebendig („Dir wär doch besser, nicht zu sein als lebend blind!“). Ödipus erwidert, dass er es nicht ertragen hätte, seinen Eltern im Totenreich wiederzusehen. Deswegen musste er sich vor seinem Tot die Augen ausstechen. Darüber hinaus erläutert er seine Gedanken, dass es noch besser wäre, auch sein Gehör auszulöschen, um „ganz zu verschließen meinen jammervollen Leib.“ Der Chor schließlich erklärt, dass Kreon bereits als Nachfolger für Ödipus auserwählt ist. Kreon kommt auch die Aufgabe zu, Ödipus aus der Stadt Theben in seine Verbannung zu führen. Nachdem Kreon und Ödipus zuvor über die Machtverhältnisse in der Stadt gestritten hatten, zeigt sich Kreon nun ganz edelmütig. Ödipus bittet seinen Schwager, gut auf seine zwei Töchter aufzupassen. In einer rührenden Geste verabschiedet sich Ödipus von seinen kleinen Töchtern, die von Dienern aus dem Palast gebracht worden sind. Er wünscht seinen Kindern, „daß des Lebens Los / Euch besser falle, als es eurem Vater ward.“
Abschließender Kommentar (Teil der Schlussszene)
In einem abschließenden Kommentar des Chores wird die Tragik des Stücks noch einmal zusammengefasst. Der Kommentar enthält darüber hinaus auch eine doppelte, erzieherische Botschaft an die Zuschauer und die Einwohner Thebens, deren Gehalt durch das Sprichwort „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“ ausgedrückt werden kann: „Männer Thebens, unsrer Heimat, sehet, dies ist Ödipus, / der des Rätsels Sinn erkannte und ein Fürst war großer Macht, / den, vom Glück so hoch getragen, keiner ohne Neid gesehn – / Welches schaudervollen Schicksals Wogen über ihn nun gehen! / Darum laßt uns warten, bis wir erst den letzten Tag geschaut, / laßt uns warten, bis wir erst den letzten Tag geschaut, / laßt uns keinen glücklichen preisen von den Sterblichen, eh denn / er am Ziel des Lebens angelangt, ganz von Schmerz und Leid verschont.“

Form

Die poetische Konzeption des Stücks ist typisch für die antike griechische Tragödie. Indem König Ödipus das tragische Schicksal seines Protagonisten (Hauptfigur) in den Vordergrund stellt, wird der Forderung Aristoteles nach einer „in sich geschlossenen Handlung“ entsprochen. Da die Handlung auf die Entfaltung des tragischen Schicksalsmoment zielt, setzt die Handlung kurz vor der Aufdeckung der Verwandtschaftsverhältnisse ein. Alle vorherigen Ereignisse werden nur sprachlich – durch Nacherzählung von Figuren – vermittelt. Die Umstände von Ödipus Blendung sowie der Selbstmord Iokastes werden durch das Verfahren der Teichoskopie (Mauerschau) vorgestellt.

Durch die in der Tragödie realisierte Nachahmung des entscheidenden Schicksalsmoment soll eine nahezu unmittelbare Erfahrung des Tragödienstoffs erreicht werden. Im finalen Auftritt des Chors werden die Bewohner Thebens – und gleichwohl die Zuschauer – zu Besonnenheit aufgerufen und aufgefordert, den Menschen nicht vor seinem Tod abschließend zu beurteilen.

Figurenübersicht

  • König Ödipus, König von Theben
  • Iokaste, seine Frau und ehemalige Frau von Laios
  • Chor
  • Kreon, Bruder von Iokaste und zukünftiger König von Theben
  • Teiresias, Seher
  • ein Bote aus Korinth
  • ein alter Hirte, ehemaliger Vertrauter von Laios
  • Diener

Sonstiges

Bis heute beeindruckt die gelungene Komposition der antiken Tragödie. Bei dem Stück handelt es sich nicht nur um einen Kriminalfall, welcher die Frage zu lösen versucht, wer den ehemaligen König Laios umgebracht hat. Die kompositorische Ausführung des Stücks ist bis ins kleinste Detail geplant.

Zu Beginn befindet sich König Ödipus auf dem Höhepunkt seiner Macht, während die Stadt Theben von der Pest heimgesucht wird. Am Ende des Stücks hat sich dieses Verhältnis umgekehrt und Ödipus bricht in die Verbannung auf. Theben jedoch ist gerettet. Von besonderer Bedeutung ist die Art und Weise, mit der Ödipus sein Schicksal auf sich nimmt. Anstatt sich das Leben zu nehmen (wie seine Frau Iokaste es tut und wie der Chor es an einer Stelle fordert), entschließt sich Ödipus dazu, sein Schicksal zu tragen. Er sticht sich die Augen aus und begibt sich freiwillig in die Verbannung.

Das doppelte Spiel der Komposition zeigt sich auch in dieser Handlung: Denn zu Beginn scheint Ödipus zwar im größten Maß in die Gemeinschaft der Stadtbewohner integriert zu sein, allerdings sind die Fragen seiner Herkunft nicht geklärt. Am Ende des Stücks bricht der gebrochene König ins Exil auf, scheint aus der menschlichen Gemeinschaft verstoßen und erlangt doch durch seine Fähigkeit, sein Schicksal zu tragen, einen erstmals festen Platz in dieser.

Sophokles

Neben den Dichtern Aischylos und Euripides ist Sophokles einer der berühmtesten Dramatiker des klassischen Griechenlands. Er lebte zwischen 497/496 v. Chr. bis 406/405 v. Chr., also im 5. Jhd. v. Chr.

So wenig man auf Grund der großen zeitlichen Distanz über sein Leben weiß, kann man sagen, dass er in Kolonos geboren wurde und in Athen starb. Bis heute werden seine Dramen, von denen Antigone und König Ödipus die bekanntesten sind, auf Theaterbühnen in der ganzen Welt gespielt.

Sophokles stammt aus einer wohlhabenden Familie. Er ist der Sohn des Waffenfabrikanten Sophillos. Schon früh erregte er durch seine Schönheit Aufsehen. Nach eigener Aussage lernte er das Handwerk des Dichters bei dem älteren Aischylos, wobei nicht sicher ist, ob Sophokles nur Stücke des Dichters gesehen hat oder tatsächlich von ihm unterrichtet wurde.

Neben seiner Tätigkeit als Dramatiker erntete Sophokles einigen Ruhm als Stratege in meheren Kriegen, insbesondere aber im Samischen Krieg (441–439 v. Chr.), welchen er zusammen mit dem bekannten Athener Staatsmann Perikles organisiert haben soll.