Analepse

Als Analepse, auch Rückblende und Flashback, wird in der Literatur ein Erzählverhalten und eine Form der Zeitgestaltung bezeichnet. Die Analepse findet sich nicht in allen Gattungen, sondern ist üblich im Drama und sehr typisch für epische Texte. Die Analepse meint den Umstand, das ein Ereignis, das in der erzählten Geschichte – die als zeitliche Ausgangsposition gilt – zuvor geschah, rückblickend erzählt wird. Dies geschieht oft in Form von Erinnerungen oder Assoziationen der Protagonisten. Solche Rückblenden werden in Texten genutzt, um Informationen nachzuliefern. Analepsen können in unterschiedlicher Länge auftreten: teils sind sie äußerst umfangreich, teils werden nur kleine Momente gezeigt. Mitunter wird die Zeitebene auch gänzlich gewechselt, was vor allem in Erzählungen und Romanen typisch ist.


Begriff

Der Begriff Analepse lässt sich auf das griechische Nomen análēpsis zurückführen. Dieses lässt sich mit Wiederaufnahme sowie auch Wiederherstellung übersetzen. Somit verweist die Übersetzung darauf, worum es hierbei grundsätzlich geht: nämlich um das Wiederaufnehmen einer Sache, die zuvor geschehen ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff Flashback: dieser verweist bereits durch die Übersetzung auf das zugrundeliegende Prinzip. Der Begriff stammt aus dem Englischen und lässt sich schlichtweg mit Rückblende übersetzen, was neben Rückwendung und Retrospektive auch die deutsche Bezeichnung für die Analepse ist.

Hinweis: Alle vorgestellten Begriffe können für die beschriebene Auffälligkeit verwendet werden. Meist werden aber – vor allem im Deutschunterricht – die Begriffe Analepse und Rückblende für solche Zeitsprünge verwendet.

Beispiel

Um das Ganze zu verdeutlichen, schauen wir auf ein Beispiel aus der Literatur. So findet sich beispielsweise die folgende Textstelle in Johann Wolfgang von Goethes Prosaerzählung Novelle (1797).


Alle jedoch warteten auf den Fürsten, der, von seiner jungen Gemahlin Abschied nehmend, allzulange zauderte. Erst vor kurzer Zeit zusammen getraut, empfanden sie schon das Glück übereinstimmender Gemüter; beide waren von tätig lebhaftem Charakter, eines nahm gern an des andern Neigungen und Bestrebungen Anteil.

Des Fürsten Vater hatte noch den Zeitpunkt erlebt und genutzt, wo es deutlich wurde, daß alle Staatsglieder in gleicher Betriebsamkeit ihre Tage zubringen, in gleichem Wirken und Schaffen jeder nach seiner Art erst gewinnen und dann genießen sollte. Wie sehr dieses gelungen war, ließ sich in diesen Tagen gewahr werden, als eben der Hauptmarkt sich versammelte […].

Der Fürst hatte seine Gemahlin gestern durch das Gewimmel der aufgehäuften Waren zu Pferde geführt und sie bemerken lassen, wie gerade hier das Gebirgsland mit dem flachen Lande einen glücklichen Umtausch treffe; er wußte sie an Ort und Stelle auf die Betriebsamkeit seines Länderkreises aufmerksam zu machen.


Der obige Beispiel-Ausschnitt springt gewissermaßen zwischen den Zeiten. Wir können hier zwischen der eigentlichen Zeit der Erzählung und verschiedenen Analepsen unterscheiden.

Die Zeitstruktur des kurzen Abschnitts, also die eigentliche Erzählung und alle Analepsen, lassen sich mithilfe einer Grafik verdeutlichen. Dafür eignet sich vorerst ein gerader Strich, der für die Zeitspanne der eigentlichen Handlung steht. Das Vorherige ist gestrichelt.

Zeitspanne der Handlung - Analepsen sind nicht eingezeichnet.

Wir sehen nun, dass der obige Text im Eigentlichen nur eine sehr kleine Zeitspanne umfasst. Nämlich die Schilderung, dass sich der Fürst von seiner Gemahlin verabschiedet, weshalb gewartet wird. Allerdings wird dem Leser mittels Rückblende noch mehr gezeigt.

Schnell findet sich somit die erste Analepse, wenn erwähnt wird, dass sich die beiden Figuren erst vor kurzer Zeit trauen ließen. Dies ist ein Zeitsprung, der dem Leser zusätzliche Informationen liefert, wenngleich er natürlich nur von geringem Umfang ist.

Die erste Rückblende verweist auf die Trauung des jungen Ehepaars.

Der Text liefert uns allerdings in einer dichten Abfolge gleich noch zwei weitere Rückblenden. Hier wird darauf verwiesen, dass der Vater des Fürsten noch eine zurückliegende Zeit kennengelernt hatte und wie er in dieser agierte – hierbei wird also auf die Politik des Vaters eingegangen und darauf schließt sich eine weitere Analepse an, die vom gestrigen Tag der Eheleute auf dem Markt berichtet.

Somit gibt es im Beispiel-Text drei Rückblenden, die unterschiedlich weit in die Vergangenheit blicken. Die erste Analepse, die kurz und knapp von der Trauung berichtet, liegt in einer nahen Vergangenheit, wohingegen die zweite Analepse viel weiter zurückblickt. Die dritte Rückblende verweist lediglich auf den gestrigen Tag, fand also fast unmittelbar vor der erzählten Handlung statt.

Die folgenden Analepsen berichten von der Politik des Vaters und dem gestrigen Tag auf dem Markt.
Hinweis: Analepsen sind also sämtliche Zeitsprünge in die Vergangenheit, jedenfalls vom erzählten Ausgangspunkt einer Geschichte betrachtet. Jeder dieser Zeitsprünge, auch wenn er noch so klein ist, kann als Rückblende bezeichnet werden. Der Umfang des Zeitsprungs ist nebensächlich.

Partielle und komplette Analepse

Es werden zwei Formen der Analepse unterschieden: die partielle und die komplette. Hierbei geht es darum, wie die Rückblende in das Geschehen eingebettet wurde und mit diesem verbunden ist.

Die komplette Analepse meint, dass die eingeschobene Rückblende vom Zeitpunkt der Rückblende bis zur erzählten Handlung vollständig wiedergegeben wird. Würde etwa ein Bote zum König kommen, ihm davon berichten, was sich gestern auf dem Schlachtfeld zugetragen hat und dann auch noch schildern, wie er von der Front bis zum Thronsaal und somit zur gezeigten Handlung geritten ist, wäre dies eine komplette Analepse.

Die partielle Analepse fügt das Geschehen, das zwischen Rückblende und gezeigte Handlung geschieht nicht ein. Würde der Bote also nur vom Schlachtfeld berichten und die Antwort des Königs abwarten, wäre dies als partielle Analepse zu werten, da das Geschehen zwischen Schlacht und der Wiedergabe ausgelassen wurde.


Alle jedoch warteten auf den Fürsten, der, von seiner jungen Gemahlin Abschied nehmend, allzulange zauderte. Erst vor kurzer Zeit zusammen getraut, empfanden sie schon das Glück übereinstimmender Gemüter; beide waren von tätig lebhaftem Charakter, eines nahm gern an des andern Neigungen und Bestrebungen Anteil.


Im obigen Beispiel findet sich eine partielle Analepse. So ist die kleine Rückblende, die auf die Trauung verweist, partiell, da das Geschehen zwischen Trauung und Verabschiedung von Fürst und Gemahlin nicht erzählt wird.

Im Gegensatz dazu wird die Rückblende, die von der Politik des Vaters berichtet, mit der Haupthandlung verbunden. Dies wird durch das Wort eben signalisiert.


Des Fürsten Vater hatte noch den Zeitpunkt erlebt und genutzt, wo es deutlich wurde, daß alle Staatsglieder in gleicher Betriebsamkeit ihre Tage zubringen, in gleichem Wirken und Schaffen jeder nach seiner Art erst gewinnen und dann genießen sollte. Wie sehr dieses gelungen war, ließ sich in diesen Tagen gewahr werden, als eben der Hauptmarkt sich versammelte […].


Hierbei wird nämlich das Vergangene mit der gezeigten Handlung verbunden. Zunächst wird erzählt, dass der Vaters des Fürsten eine bestimmte Zeit erlebte und danach gezeigt, dass bestimmte Dinge dieser Zeit im Hier und Jetzt aufgingen, was sich im Augenblick (eben) zeigt. Deshalb sprechen wir von einer kompletten Analepse, wenngleich diese hier natürlich schwierig zu erkennen ist.

Zusammenfassung

  • Als Analepse, auch Rückblende und Flashback, wird in der Literatur ein Erzählverhalten und eine Form der Zeitgestaltung bezeichnet. Sie meint den Umstand, das ein Ereignis, das in der Erzählung – die als zeitliche Ausgangsposition gilt – zuvor geschah, rückblickend erzählt wird.
  • Man unterscheidet partielle und komplette Analepsen. Komplett ist eine Rückblende dann, wenn sie aus der Rückblende bis zum Hier und Jetzt erzählt wird – partiell ist sie, wenn die Rückblende lediglich ausgeführt, aber nicht das Dazwischenliegende erzählt wird.


Stichwortverzeichnis