Moderne

Die Moderne ist eine Art Überepoche beziehungsweise ein Sammelbegriff für mehrere verschiedene Strömungen während des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert. Diese Zeit war von vielen neuen Erkenntnissen und Entwicklungen geprägt, die in einigen Lebensbereichen Umbrüche verursachten. Zu den Unterepochen der Moderne zählten beispielsweise Dekadenz, Jugendstil und Ästhetizismus. Auch regional gab es Unterschiede, so wird unter anderem von einer Wiener Moderne und einer Berliner Moderne gesprochen.


Begriff und zeitliche Einordnung der Moderne

Die Epoche der Moderne setzte nach dem Naturalismus und Realismus als Gegenbewegung dieser beiden literarischen Strömungen ein. Zeitlich wird sie auf die Jahre zwischen 1890 und 1920 datiert. Zu dieser Zeit gab es große Fortschritte und Veränderungen in der Technik, Wissenschaft und Gesellschaft. Der Begriff deutet den Bezug zu dieser Neuzeitlichkeit an. Heutzutage wird oft der Begriff Klassische Moderne verwendet, da die zeitliche Epoche aus jetziger Sicht in der Vergangenheit liegt.

 

 

Epochen der Literatur als Zeitstrahl

Die Unterepochen der Moderne:

  • Ästhetizismus: Informationen zum Ästhetizismus, einer Unter-Epoche der Moderne, die die Betonung von Schönheit und ästhetischer Wahrnehmung in der Literatur hervorhob.
  • Fin de Siècle: Erfahre mehr über das Fin de Siècle, eine Unter-Epoche der Moderne, die sich mit Themen wie Dekadenz, Verfall und dem Unbewussten beschäftigte.
  • Impressionismus: Informationen zum Impressionismus, einer Kunstrichtung, die auch die Literatur beeinflusste und die Darstellung von Eindrücken und Momentaufnahmen betonte.
  • Jugendstil: Erfahre mehr über den Jugendstil, eine Kunstbewegung, die sich durch organische Formen, dekorative Muster und eine intensive Verwendung von Symbolen auszeichnete.
  • Symbolismus: Informationen zum Symbolismus, einer literarischen Bewegung, die Symbole und Metaphern betonte, um abstrakte Ideen und Emotionen auszudrücken.
  • Neuromantik: Erfahre mehr über die Neuromantik, eine spätere Unter-Epoche der Moderne, die Elemente des romantischen Denkens mit modernen Themen und Techniken kombinierte.

Jahrhundertwende

Das Leben für die Menschen zur Zeit der Klassischen Moderne war von starken Veränderungen geprägt. Die Religion verlor immer mehr an Bedeutung und die Instanzen Staat und Kirche lösten sich zunehmend voneinander. Ein Grund für die Säkularisierung waren die zahlreichen neuen Erkenntnisse in der Wissenschaft und Forschung. Die Entwicklung der Psychoanalyse von Sigmund Freud, der Relativitätstheorie von Albert Einstein und die Quantenformel und das Strahlungsgesetz von Max Planck gehörten zu den wichtigsten Theorien. Auch in der Technik gab es große Veränderungen und die Folgen der Industrialisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen hielten an. Zudem beherrschten die militärischen Aufrüstungen aller großen Nationen und schließlich der Erste Weltkrieg die Zeit der Moderne. Mit dem Ende der Epoche trat auch das Ende der Monarchie mit unter anderem der Abdankung des deutschen Kaisers Wilhelm II. ein. Die Weimarer Republik und damit die erste parlamentarische Demokratie Deutschlands wurde am 9. November 1918 ausgerufen. Durch den merklichen Untergang einer Ära kam es in der Bevölkerung zum einen zu einer Art Aufbruchsstimmung, zum anderen auch zu Ängsten und Depressionen. Menschen, die der alten Zeit nachtrauerten, flüchteten sich durch die Kunst in Gefühls- und Traumwelten. Zentren der Aufbruchsbewegung waren Weltmetropolen wie Paris, St. Petersburg und Mailand. Im deutschsprachigen Raum galten Berlin und Wien als Schauplatz der Moderne, daher wird häufig auch von einer Berliner Moderne (zum Beispiel mit Gerhart Hauptmann, Christian Morgenstern, Alfred Döblin und Georg Heym) und einer Wiener Moderne gesprochen. In den Wiener Kaffeehäusern trafen sich unter anderem Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil, Hermann Broch und Georg Trakl.

Kaiser Wilhelm II Moderne
Nach der Novemberrevolution 1918 wurde die Abdankung des Kaiser Wilhelm II ohne dessen Zustimmung bekannt. Sein Ansehen war durch die Niederlage im Ersten Welkrieg schwer beschädigt. Auf dem Bild ist er mit Generälen der Obersten Heeresleitung Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg zu sehen. (Bild von WikiImages@pixabay)

 

Zusammenfassung: Begriff und zeitliche Einordnung der Moderne


  • Begriff: Moderne = Neuzeitlichkeit; heute oft: Klassische Moderne
  • Zeitraum: 1890-1920
  • Einordnung: zwischen Naturalismus, Realismus und Expressionismus, Avantgarde
  • historischer Kontext: Jahrhundertwende mit zahlreichen wissenschaftlichen und technischen Fortschritten, Aufrüstung, Erster Weltkrieg

Motive und Themen der Moderne

Die mit den technischen und wissenschaftlichen Fortschritten einhergehenden Umbrüchen waren deutlich im Leben und in der Kunst der Moderne spürbar. Es entwickelten sich zahlreiche neue Stilrichtungen, die diese literarisch zu verarbeiten versuchten. So wurde die Fin-de-Siècle-Stimmung, die sich sowohl im Lebensüberdruss als auch in einer Genusssucht zeigte, in der Literatur ausgedrückt. Die Erzählungen der Moderne griffen die Gefühle des Niedergangs und der Dekadenz auf. Eingeschränkte Perspektiven der Figuren führten in der Handlung oft zum Untergang. Im Unterschied zu vorherigen Epochen wie der Aufklärung oder Vormärz verfolgten Anhänger der Moderne kein bestimmtes Ziel. Auch im vorangegangenen Naturalismus bestand das Ziel, die neuen naturwissenschaftlichen Prinzipien auf die Literatur zu übertragen. In der Moderne, insbesondere in seiner Unterepoche Ästhetizismus wurdestattdessen das Motto L’art pour l’art maßgebend.

Stilpluralismus

Aufgrund der vielen literarischen Strömungen spricht man bei der Moderne von einem Stilpluralismus. Keine vorherige Epoche wies dieses Merkmal auf. Vielmehr waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts alle literarischen und künstlerischen Tendenzen von einem typischen und vereinenden Stil geprägt, der im Verlauf aufgenommen und weiterentwickelt wurde. Die Moderne hingegen umfasste Strömungen wie Symbolismus, Dekadenz, Neuromantik, Jugendstil und Ästhetizismus. Aufgrund der vielen zeitgleich existierenden Unterepochen werden einige Autoren und Autorinnen der Zeit mehreren Strömungen der Moderne zugeordnet.

Sprachkrise

Ein weiteres Motiv der Moderne war die sogenannte Sprachkrise. Unter den Anhängern verbreitete sich zunehmend Selbstkritik und eine Skepsis gegenüber der Sprache aus, mit der die eigene Wahrnehmung literarisch vermittelt werden sollte. Die traditionelle Sprache mit ihren starren Regeln wurde immer mehr infrage gestellt. Stattdessen experimentieren die Autorne und Autorinnen mit neuen Themen, innovativen Stilmitteln und verschiedenen Erzähltechniken. Oft rückte die Sprachlichkeit ins Zentrum der Werke und war gewichteter als deren Inhalte. Auch die Art und Weise der Darstellung, nicht mehr nur der Inhalt war wichtig für die Kunst. Weiterhin wurde nach neuen Darstellungsmöglichkeiten gesucht, darunter Wechsel der Erzählperspektiven, innere Monologe oder auch Montage- und Collagetechniken. Zusätzlich zum Stilpluralismus der Moderne verfügte diese Epoche also auch über eine Vielzahl an neuen Erzählkonzepten und -techniken.

Zusammenfassung: Motive und Themen der Moderne

  • – Stilpluralismus: Ästhetizismus, Fin de Siècle, Impressionismus, Jugendstil, Symbolismus, Neuromantik
  • – Sprachkrise
  • – Experimentierfreude

Literatur der Moderne

Mit dem genannten Stilpluralismus und der Sprachkrise ergab sich für die Literatur der Moderne eine große Experimentierfreude. Ohne bestimmtes Ziel war die Kunst losgelöst von allen Zwängen und konnte einfach nur Kunst sein. Literatur sollte weder erziehen oder aufklären noch politische oder gesellschaftliche Missstände aufdecken.

Lyrik in der Moderne 

Das beliebteste Thema in der Lyrik der Moderne war die Großstadt. Zur Zeit der immer weiter voranschreitenden Urbanisierung war das Stadtbild von Enge, Schmutz sowie auch von Anonymität und Einsamkeit geprägt. Ein beliebtes neues Stilmittel in modernen Gedichten wurde die Chiffre, eine Art Metapher, die sich nur aus dem Kontext des Gedichts ergibt.

Die Großstadt ist auch für Georg Trakl
Die Großstadt ist auch für Georg Trakl, einem Vertreter des Expressionismus sowie Symbolismus ein bevorzugtes Motiv. Der Anfang seines Gedichtes „Vorstadt im Föhn“ lautet: Am Abend liegt die Stätte öd und braun/ Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen/ Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen/ Und Spatzen flattern über Busch und Zaun. (Bild von Erdenebayar@pixabay)

Die Großstadt ist auch für Georg Trakl, einem Vertreter des Expressionismus sowie Symbolismus ein bevorzugtes Motiv. Der Anfang seines Gedichtes „Vorstadt im Föhn“ lautet: Am Abend liegt die Stätte öd und braun/ Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen/ Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen/ Und Spatzen flattern über Busch und Zaun. (Bild von Erdenebayar@pixabay)

Epik in der Moderne 

Zu den populärsten epischen Textformen der Moderne gehörten Novellen und Briefromane, meist zwischen zwei literarischen oder anderweitig bedeutenden Persönlichkeiten. Das Besondere bei dieser Art des Romans sind die häufigen Perspektivwechsel und auch die tiefen Einblicke in die Gefühle der Figuren. Ebenfalls wurden in der Klassischen Moderne Reden und Vorträge als literarisch wahrgenommen und als neue Gattung entstand der Essay. Ebenfalls typisch für die Epik der Moderne sind Aphorismen.

 

Dramatik in der Moderne 

In der Klassischen Moderne gab es große Veränderungen in der Dramatik. Die Werke wurden nicht mehr als Drama oder Komödie beziehungsweise Tragödie bezeichnet, sie hießen vielmehr einfach Stücke. Ein Grund war der Verlust der Schlüsselfiguren, die ausschlaggebend für die Art des dramaturgischen Werkes waren. Die Handlung wurde in den modernen Stücken von einfachen Personen getragen, die oft durch Umfeld, Staat oder Sonstigem fremdbestimmt waren und passend zur Untergangsstimmung der Epoche meist scheiterten. Beliebt war der sogenannte Einakter, also ein Theaterstück mit geringem Umfang.

Zusammenfassung: Literatur der Moderne

  • Lyrik: Großstadtlyrik mit Chiffren
  • Epik: Novellen, Briefroman, Essays und Aphorismen
  • Dramatik: Stücke mit einfachen Personen, Einakter
Autor Lebensdaten Werk Erscheinungsjahr Genre Kurze Zusammenfassung Bedeutung
Frank Wedekind 1864-1918 Frühlings Erwachen 1891 Drama Handelt von der sexuellen Aufklärung von Jugendlichen Stellte das Tabuthema der Sexualerziehung zur Debatte
Hugo von Hofmannsthal 1874-1929 Die Frau ohne Schatten 1919 Opernlibretto Eine allegorische Geschichte über einen Prinzen und eine schattenlose Frau Markiert Hofmannsthals intensive Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsches Philosophie
Rainer Maria Rilke 1875-1926 Duineser Elegien 1912-1922 Lyrik Eine Sammlung von zehn Elegien, die existenzielle Fragen behandeln Rilkes Hauptwerk und eine der bedeutendsten Dichtungen des 20. Jahrhunderts
Thomas Mann 1875-1955 Buddenbrooks 1901 Roman Beschreibt den sozialen Aufstieg und Fall der Familie Buddenbrook Eines der wichtigsten Werke der deutschen Literatur, für das Mann 1929 den Nobelpreis erhielt
Hermann Hesse 1877-1962 Demian 1919 Roman Erzählt die Coming-of-Age-Geschichte von Emil Sinclair Schlüsselwerk der literarischen Moderne und der Jugendbewegung
Alfred Döblin 1878-1957 Wallenstein 1920 Roman Darstellung des Dreißigjährigen Krieges aus Sicht des Feldherrn Wallenstein Eines der Hauptwerke Döblins und ein Meilenstein der modernen Geschichtsschreibung
Robert Musil 1880-1942 Die Verwirrung des Zöglings Törleß 1906 Roman Schildert die Erfahrungen des jungen Törleß in einem österreichischen Internat Ein Schlüsselwerk der Moderne, das das Thema der Unterdrückung und Machtmissbrauch behandelt
Georg Trakl 1887-1914 Sebastian im Traum 1915 Lyrik Sammlung von Gedichten, die Trauer und Tod thematisieren Zeigt Trakls einzigartigen lyrischen Stil und seine intensive Auseinandersetzung mit Tod und Verfall

 

Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit der Germanistin Bianca Körner veröffentlicht.