Frank Wedekind

Frank Wedekind, *24. Juli 1864 als Benjamin Franklin Wedekind in Hannover, † 09. März 1918 in München, war ein deutscher Dramatiker, Schriftsteller und Schauspieler. Sein Werk umfasst vor allem Dramen und lässt sich größtenteils der Epoche der Moderne zuordnen (vgl. Literaturepochen).


Mit scharfen gesellschaftskritischen und antibürgerlichen Stücken veränderte er das Theater des 20. Jahrhunderts und gehörte zu den meistgespielten Dramatikern seiner Epoche.

Mit Dramen wie Frühlings Erwachen und Lulu wandte er sich gegen die bürgerliche Leistungs- und Sexualmoral. Seine Texte wurden oft als unsittlich angesehen und zensiert.

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Lebenslauf

  • Am 24. Juli 1864 wird Frank Wedekind als Benjamin Franklin in Hannover geboren. Er ist das zweite von sechs Kindern des Arztes Friedrich Wilhelm Wedekind und dessen halb so alter Frau Emilie, geborene Kammerer.[1]

  • 1872 kauft der Vater das Schloss Lenzburg im Konton Aargau in der Schweiz. Die Familie des ehemaligen Abgeordneten der Paulskirche und amerikanischen Staatsbürgers wandert als Gegner des Wilhelminischen Kaiserreichs in die Schweiz aus.

  • Frank Wedekind besucht die Lenzburger Gemeindeschule und anschließend die dort befindliche Bezirksschule.

  • Ab 1879 ist er Schüler der Kantonsschule in Aarau. Während der Gymnasialzeit entstehen erste Gedichte und szenische Entwürfe, nicht selten mit parodistischer Kunstfertigkeit, durchaus auch obzön und blasphemisch. Das Kinderepos Der Hänseken entsteht, das er für seine Schwester Emilie schreibt.

  • 1883 besteht Wedekind das Abitur.

  • 1884 studiert Wedekind ein Semester deutsche und französische Literatur an der Universität Lausanne. Auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters beginnt er im folgenden Semester ein Jurastudium in München, sein Interesse gilt dennoch vorrangig der Literatur, der bildenden Kunst und der Musik.

  • 1886 kommt es zum Bruch mit dem Vater, da Wedekind sein Jurastudium vernachlässigt. Der Vater stellt die finanzielle Unterstützung ein und Wedekind verdient sein eigenes Geld als Vorsteher des Reklame- und Pressebüros der später weltbekannten Firma Maggi in Kempthal bei Zürich.

  • 1887 schreibt Wedekind als Mitarbeiter für die Neue Zürcher Zeitung und weitere Schweizer Blätter.
  • Sein Freund Karl Henckell verschafft ihm Zugang zum Literatenkreis Das junge Deutschland, zu dem auch Gerhart Hauptmann und John Henry Mackay gehören.
  • Wedekind reist ein halbes Jahr als Sekretär mit dem Zirkus Herzog. Die Zirkuswelt begeistert Wedekind und dient ihm als Inspiration seiner Dichtung. Er verfasst Gedichte, Prosa und eine Komödie und arbeitet am Drama Elins Erweckung.

  • Bis zum Tod des Vaters am 11. Oktober 1888 studiert Wedekind, entsprechend der Erwartungen des Vaters und dennoch halbherzig, Jura in Zürich. Nach dem Tod kann er nun frei über sein Erbe verfügen und seinen literarischen Interessen nachgehen.

  • Von 1889 bis 1891 hat er Verbindungen und Kontakte zu den Literaturzentren in Berlin (Friedrichshagener Kreis) und München (Naturalismus-Kreis).

  • 1890 entsteht das Drama Kinder und Narren, womit sich Wedekind vom Naturalismus abgrenzen will.

  • 1891 arbeitet er an der Kindertragödie Frühlings Erwachen[2] und veröffentlicht sie.
  • Im selben Jahr schreibt er das Drama Der Liebestrank.
  • Im Dezember zieht er nach Paris (bis 1895), wo er ein unbekümmertes und unkonventionelles Küstlerdasein lebt.

  • 1892 inspiriert ihn das Pariser Leben mit seinen Kurtisanen und Prostituierten zur Figur der Lulu und er beginnt mit der Arbeit an Die Büchse der Pandora. Eine Monstertragödie in fünf Akten.

  • 1895 trennt Wedekind die bisher nicht veröffentlichte Urfassung und es entsteht das zweitelige Lulu-Drama Der Erdgeist und Die Büchse der Pandora (Erstdruck 1902).

  • Zurück in München publiziert Wedekind ab 1896 in der Satirezeitschrift Simplicissimus. Der Verleger August Langen bindet den in finanzielle Not[3] geratenen Wedekind mit Vorschüssen an seinen Verlag.
  • Aus Carl Arnold Kortums Jobsiade übernimmt Wedekind den Namen des Protagonisten und veröffentlicht unter dem Pseudonym Hieronymus.[4] Er übernimmt ebenfalls die Form der Knittelverse aus Kortums komischen Heldengedicht.
  • Im selben Jahr wird das Kinderepos Der Hänseken erstmalig aufgeführt.

  • 1897 geht aus einer Affäre Wedekinds mit Frida Strindberg, der Ehefrau des schwedischen Schriftstellers August Strindberg, der Sohn Friedrich Strindberg hervor.
  • Wedekind veröffentlicht die Prosa- und Lyriksammlung Die Fürstin Russalka und das Drama Der Kammersänger.[5]

  • Im Oktober 1898 veröffenlicht Wedekind sein satirisches Gedicht Im heiligen Land, das anlässlich der Palästinareise Kaiser Wilhelm II. im Simplicissimus erscheint.
  • August Langen und Wedekind, ebenso der Grafiker, werden wegen Majestätsbeleidigung angeklagt und fliehen darauhin nach Frankreich und in die Schweiz.
  • Im Exil arbeitet Wedekind am Marquis von Keith.

  • Im Juni 1899 kehrt er nach Deutschland zurück und stellt sich den Behörden. Er wird zu einem halben Jahr Festungshaft in Königsstein verurteilt und Anfang 1900 begnadigt und entlassen.[6]
  • Während der Haft schreibt Wedekind am Roman Mine-Haha oder Über die körperliche Erziehung der jungen Mädchen, der allerdings ein Fragment bleibt und die sexuelle Emanzipation der Frauen behandelt.

  • 1900 arbeitet Wedekind am Drama Der Marquis von Keith, welches 1901 veröffentlicht wird.

  • Im April 1901 schließt sich Wedekind dem gerade gegründeten Münchner Kabarett Elf Scharfrichter an. Als Schauspieler und Textschreiber verdient er so seinen Lebensunterhalt. Mit eigenen Liedern, Balladen und Satiren prägt er sein Bild in der Öffentlichkeit.

  • Für Wedekinds Existenzsicherung sorgen außerdem der Erfolg des Kammersängers und 1902 die Uraufführung der Tragikkomödie So ist das Leben (später umbenannt in König Nicolo).[7]

  • 1902 beendet Wedekind die Arbeit an Die Büchse der Pandora.
  • Aus einer Beziehung mit Hildegard Zellner, dem Hausmädchen der Familie Wedekind, geht im selben Jahr der Sohn Frank Zellner-Wedekind hervor.[8]

  • In Berlin wird 1904 die Büchse der Pandora mit dem Vorwurf der Verbreitung unzüchtiger Schriften von der Zensur beschlagnahmt.
  • Es entstehen weitere Dramen: das fünfaktige Schauspiel Hidalla oder Sein und Haben, 1904 [später unter dem Titel Karl Hetman, der Zwergriese (Hidalla)] und Totentanz (1905).

  • Im Mai 1905 lernt Wedekind bei einem Gastspiel der Büchse der Pandora in Wien die Schauspielerin Tilly Newes (Darstellerin der Lulu) kennen.

  • 1906 wird er vom Vorwurf der Verbreitung unzüchtiger Schriften freigesprochen.
  • Am 1. Mai 1906 heiraten Wedekind und Tilly Newes. Aus der Ehe gehen die zwei gemeinsamen Töchter Pamela (1906) und Kadidja (1911) hervor. Tilly Newes spielt fortan viele Hauptrollen in Wedekinds Stücken.
  • Am 20. November desselben Jahres findet unter der Regie von Max Reinhardt die Uraufführung von Frühlings Erwachen an den Berliner Kammerspielen statt. Dies bringt Wedekind den ersehnten Durchbruch.

  • Ab 1907 arbeitet Wedekind an weiteren Dramen und Einaktern und zieht 1908 nach München. Hier wird 1911 seine zweite Tochter geboren.

  • 1912 wird am Deutschen Theater in Berlin der erste Zyklus Wedekinds dramatischer Werke unter der Regie von Max Reinhardt mit großem Erfolg gespielt.

  • 1914 beginnt zu Ehren des 50. Geburtstags Wedekinds der zweite Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater, der zu Beginn des Ersten Weltkrieges abgebrochen wird.

  • Der Kriegsbeginn 1914 macht Wedekinds Stücke am Theater unerwünscht. Wedekind ist konfrontiert mit Krankheit (erste Blinddarmoperation), Verlusten durch den Krieg und immer strengerer Zensur.
  • Mit seinem Bismarck-Drama bezieht er Stellung gegen die Kriegspolitik Wilhelm II. Auch dieses Stück wird zensiert.

  • 1916 stirbt Wedekinds Mutter.

  • Am 09. März 1918 stirbt Wedekind an Komplikationen infolge mehrerer Blinddarmoperationen in München.
  • Bertolt Brecht, der Wedekind bewundert hatte, schreibt im Nachruf der Augsburger Neuesten Nachrichten:
Bevor ich nicht gesehen habe, wie man ihn begräbt, kann ich seinen Tod nicht erfassen. Er gehörte mit Tolstoi und Strindberg zu den großen Erziehern des neuen Europa. Sein größtes Werk war seine Persönlichkeit.
  • [1] Wedekinds Vater lebt fünfzehn Jahre in San Francisco, wo er Emilie Kammerer kennenlernt. Sie ist eine junge Schauspielerin am deutschen Theater und die Tochter von Heinrich Kammerer, dem Erfinder der Phosphorstreichhölzer.

  • [2] Wedekind bezeichnet Frühlings Erwachen selbst als Kindertragödie und sie ist somit die erste Kindertragödie in der deutschen Literatur. Sie offenbart die Schwierigkeiten und Nöte von Jugendlichen in der Pubertät, die sich einer autoritären Erwachsenenwelt gegenüber sehen. Sexualität in verschiedenen Formen ist erlaubt, wird realistisch dargestellt, dann wieder verzerrt und somit aufgehoben durch groteske Dialoge und Szenenfolgen.

  • [3] Wedekinds umstrittene und von der Zensur zurückgewiesenen Dramen wollte und konnte niemand spielen.

  • [4] Andere Pseudonyme Wedekinds waren „Hermann“, „Kaspar Hauser“, „Benjamin“, „Müller von Bückeburg“, „Ahasver“ und wenn er für die ganze Redaktion sprechen wollte auch „Simplicissimus“.

  • [5] Wie der Marquis von Keith stellt der satirische Einakter Der Kammersänger das Verhältnis von Profitstreben und Kunst dar und wird 1899 uraufgeführt.

  • [6] Infolge des Skandals und der Haftstrafe kommt es zum Zerwürfnis mir August Langen. Wedekind wirft dem Verleger die bewusste Inszenierung des Skandals als Werbung für seine Zeitung vor. 1908 schreibt Wedekind das Drama Oaha. Ein komisch-satirisches Stück auf den Verleger August Langen, dessen Frau und die ganze Redaktion des Simplicissimus.

  • [7] Wedekind wird in den folgenden Jahren als Autor und Schauspieler (auch in seinen eigenen Stücken) erfolgreicher. Nach der Berliner Erdgeist-Premiere schreibt Friedrich Kayssler an Wedekind: „Sie haben die naturalistische Bestie der Wahrscheinlichkeit erwürgt und das spielerische Element auf die Bühne gebracht.“ Mit seinem dramaturgischen Konzet wendet sich Wedekind gegen den naturalistischen Stil Gerhart Hauptmanns.

  • [8] Gegen die moralischen Konventionen seiner Zeit, hatte Wedekind wechselnde Partnerinnen und mit ihnen uneheliche Kinder.

Werke

  • Dramen
      Der Schnellmaler oder Kunst und Mammon, 1889
    • Kinder und Narren, Lustspiel in vier Aufzügen, 1891
    • Frühlings Erwachen, Kindertragödie, 1891
    • Der Erdgeist, Tragödie in vier Aufzügen, 1895
    • Die Büchse der Pandora, Tragödie in drei Aufzügen, 1902
    • Lulu. (1. Teil: Erdgeist; 2. Teil: Die Büchse der Pandora), 1903/1904
    • Die junge Welt, Überarbeitung von Kinder und Narren, 1897
    • Die Kaiserin von Neufundland, Ballettpantomime, 1897
    • Der Kammersänger. Drei Szenen, 1897
    • Der Liebestrank, Schwank, 1899
    • Der Marquis von Keith (erst als Münchner Szenen. Nach dem Leben aufgezeichnet), 1900
    • König Nicolo oder So ist das Leben, 1902
    • Hidalla oder Sein und Haben, später: Karl Hetmann, der Zwergriese, 1904
    • Totentanz, Titel der Buchausgabe: Tod und Teufel, 1905
    • Musik. Sittengemälde in vier Bildern, 1907
    • Zensur. Theodizee in einem Akt, 1907/1908
    • Oaha – Die Satire der Satire, Literaturkomödie, 1908
    • Der Stein der Weisen. Eine Geisterbeschwörung, Einakter in Versen, 1909
    • Schloß Wetterstein, urspr. 3 Einakter: In allen Sätteln gerecht, Mit allen Hunden gehetzt, In allen Wassern gewaschen; Trilogie, 1910/1912
    • Franziska. Ein modernes Mysterium in fünf Akten, 1912
    • Simson oder Scham und Eifersucht. Dramatisches Gedicht, 1914
    • Bismarck. Historisches Schauspiel in fünf Akten, 1914/1915
    • Herakles. Dramatisches Gedicht, 1917
  • Erzählungen
      Die Fürstin Russalka (Sammelband: 4 Erzählungen, Gedichtzyklus Die vier Jahreszeiten, 3 Tanzpantomimen), 1897
    • Mine-Haha oder Über die körperliche Erziehung der jungen Mädchen, 1903
    • Feuerwerk, (9 Erzählungen; u.a. Der Brand von Egliswyl, Rabbi Esra), 1906
  • Gedichte
    • Die vier Jahreszeiten, Gedichtzyklus, 1897/1905
    • Der Tantenmörder, Moritat, 1902
    • Lautenlieder, 1920
  • Sonstiges
      Schriftsteller Ibsen, Essay, 1895


Stichwortverzeichnis

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