Als Chiffre wird ein symbolartiges Zeichen bezeichnet, welches als Stilmittel in allen der literarischen Gattungen auftauchen kann. Die Chiffre meint ein Wort oder eine Wortgruppe, deren Sinn sich nur für Eingeweihte erschließt. Demnach muss die Chiffre entschlüsselt oder eben als Undeutbares angenommen werden. Aus diesem Grund sind Chiffren auffällig: der Leser stolpert beim Lesen über sie, weil er sie nicht deuten kann. Die Bedeutung einer Chiffre geht in der Regel aus dem Zusammenhang hervor und macht diesen im Umkehrschluss erst verständlich. Die Stilfigur steht meist für Ungegenständliches (vgl. Abstrakta) oder Erfahrungen, die durch die eigentliche Sprache nicht zu fassen sind. Folglich kann die Chiffre zum verschlüsselten Geheimzeichen werden, wenn sie nicht entschlüsselt werden kann und bietet gleichzeitig auch einen enormen Interpretationsspielraum (vgl. Gedichtanalyse), da sie ein vieldeutiges Zeichen ist.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Die Bezeichnung der Stilfigur geht auf das französische Nomen le chiffre zurück. Dieses lässt sich mit Ziffer oder Zahl übersetzen und geht auf das mittellateinische cifra, das vom arabischen ifr, das Null bedeutet, zurück. Auch das deutsche Wort Ziffer geht darauf zurück.
Darüber hinaus finden sich im Französischen weitere Bedeutungen des Wortes: nämlich Monogramm und Zeichen einer Geheimschrift. Letztgenannte Übersetzung ist hierbei zielführend. Die Zeichen einer Geheimschrift müssen nämlich erst entschlüsselt, also dechiffriert werden, um für den Empfänger verständlich zu sein und zumeist gelingt es nur Eingeweihten, solcherlei Codes zu knacken. Genau dieser Umstand ist es, der auch das Stilmittel ausmacht.
Beispiele
Schwarze Milch der Frühe
Vor allem komplexe Stilfiguren lassen sich am besten durch Beispiele erklären. Deshalb ist es sinnvoll, einige der bekanntesten lyrischen Chiffren zu untersuchen, die vielen Lesern Probleme bereiten. Den Anfang macht hierbei das Gedicht Todesfuge von Paul Celan.
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
Das obige Beispiel zeigt die ersten drei Verszeilen der ersten Strophe der Todesfuge. Die Chiffre liegt hierbei bereits im ersten Vers, denn die Wortgruppe Schwarze Milch der Frühe erschließt sich dem Leser kaum und kann nur durch Entschlüsselung gedeutet werden.
Formal lässt sich zur Wortgruppe zwar sagen, dass die Verbindung des Adjektivs schwarz und des Substantivs Milch eine Contradictio in adiecto – eine Form des Oxymorons – ist und dass diese Textstelle nicht nur sprachlich, sondern auch metrisch auffällig ist, da sie, im Gegensatz zu allen anderen Zeilen, trochäisch ist. Allerdings zeigt der Text dadurch nur, dass es sich um eine wichtige Textstelle handeln muss, aber die Bedeutung bleibt vorerst verborgen.
Augenscheinlich wird die Wortgruppe verrätselt, weil sie scheinbar nicht das sagt, was sie meint – das Gesagte weicht demnach vom Gemeinten ab, weshalb das Ganze als Trope bezeichnet werden kann, was ein Oberbegriff für solcherlei Figuren darstellt (bspw. Metapher, Allegorie, Symbol und ähnliche Stilmittel).
- 1) Einen ersten Hinweis bietet das Gedicht selbst. Es befasst sich ganz eindeutig mit dem Holocaust, also dem nationalsozialistische Völkermord an über 5 Millionen Juden. Dies wird in zahlreichen Versen des Textes deutlich, wenngleich die historischen Ereignisse nur angedeutet und nicht konkret benannt werden. Diese These soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Denn die kontextuelle Einbettung ist wichtig, um überhaupt einen Ansatz für das Entschlüsseln einer Chiffre zu haben.
- 2) Darüber hinaus kann die Milch durchaus als Symbol für das Leben gedeutet werden. Immerhin ist sie es, die uns von der Mutter gegeben wird und auch im Tierreich wird jedes Kind von der Milch genährt. Diese Milch ist bekanntlich weiß und somit wird das Lebensspendende, wofür die Milch stehen könnte, durch das Adjektiv schwarz ins Gegenteil verkehrt. Folglich trinkt das lyrische Ich tagtäglich von einer Milch, die das genaue Gegenteil bewirkt und das Leben entzieht (?).
- 3) Eine weitere Möglichkeit oder einen weiteren Interpretationsansatz bietet die Figur des Mordechai Meisel (1528-1601), dem einstigen Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Prag, dessen Figur in jüdischen Sagen und Geschichten sehr häufig als Glückspilz charakterisiert und dargestellt wird.
- So heißt es etwa in Leo Perutz‘ Roman Nachts unter der steinernen Brücke (1953), dass „die Juden […] von ihm [sagen], wenn die ganze Stadt ein schwarzes Jahr hat, so ist das seine in Milch gekocht und darüber hinaus wird erzählt, dass Mordechai Meisel in der weißen Milch der Frühe badet. Hier fällt vor allem das Letztgenannte auf, denn es wirkt wie eine Verkehrung der Verse aus der Todesfuge. In diesem Fall könnte die schwarze Milch als Gegenstück zum Glücklichsein, vielleicht als Unglück oder Hoffnungslosigkeit, gedeutet werden.
- 4) Mitunter kann es hilfreich sein, beim Entschlüsseln der Chiffre zu prüfen, ob diese oder eine ähnliche Formulierung bereits in früheren Texten genutzt wurde. Dadurch ließe sich beispielsweise eine inhaltliche Nähe zwischen diesen Texten herstellen und dadurch weitere Hinweise zum Verständnis sammeln.
- Beispielsweise finden sich in Rose Scherzer-Ausländers Gedicht Ins Leben (1925) die Verse Sie spiest mich eine lange, trübe Zeit // mit schwarzer Milch und schwerem Wermutwein und auch Alfred Margul-Sperber, der Celan kannte, nutzt eine ähnliche Metapher in seinem Werk zur Charakterisierung einer sterbenden Mutter:„Und sie flüstert: Willst du nicht, mein Kind, // Von der dunklen Milch des Friedens trinken?“
In beiden Fällen wird die Milch als ein Symbol des Lebens begriffen, wobei die Schwärze dieses Prinzip verkehrt. Diese Erkenntnis ließe sich sehr treffend auf die Verse der Todesfuge übertragen. Auch dann wäre die schwarze Milch ein Bild, das das Lebensspendende verneint und somit zum Gegenteil verkehrt.
- Fazit: Durch die Eigenschaften, die der Milch zugeschrieben werden können und die Verneinung ebendieser, scheint die Chiffre für das Gegenteil dieser Attribute zu stehen. Nehmen wir hinzu, dass sie auch als Inbegriff des Unglücks – siehe 2. – und in anderen Texten als Metapher für die sterbende Mutter gebraucht wird – siehe 3. – scheint die schwarze Milch der Todesfuge all diese Eigenschaften bündeln zu können. Sie wird damit zum Inbegriff der Hoffnungslosigkeit und des Unglücks.
- Übertragen wir diese Eigenschaften auf den Kontext der Todesfuge und verdeutlichen uns, dass die Chiffre jede Strophe des Gedichts einleitet (vgl. Wiederholung), wird dieses Bild eingängiger und zur wiederkehrenden Metapher, das den Alltag des lyrischen Ichs täglich begleitet. So wird das Bild zum Inbegriff der Hoffnungslosigkeit der Insassen in Konzentrationslagern, wobei die Chiffre die nicht in Worte zu fassende Realität der massenhaften Menschenvernichtung in einem Bild umsetzt, das vordergründig verrätselt und widersprüchlich scheint, und gerade dadurch das Wesentliche zur Sprache bringt: nämlich das Ungreifbare und Unsagbare.
Wichtig ist hierbei, dass sich die Bedeutung der Chiffre in der Regel – aber nur, wenn über das nötige Hintergrundwissen oder die notwendigen Analysefertigkeiten verfügt wird – durch das Werk selbst erschließt. Eine Chiffre lässt sich also häufig aus dem Zusammenhang deuten. Mitunter kann sie aber natürlich nur im Kontext der Epoche, dem Leben des Autors und ähnlichen Dingen erschlossen werden.
Blaues Klavier
Eine weitere Verrätselung, die im Deutschunterricht sehr häufig untersucht wird, findet sich in Else Lasker-Schülers Gedicht Mein blaues Klavier (1943), das aus dem gleichnamigen Band stammt.
Und kenne doch keine Note.
Dieses Beispiel ähnelt der Chiffre aus Celans Todesfuge. Zwar gibt es keine inhaltlichen Parallelen, doch hat auch dieses Wortpaar eine Sonderstellung innerhalb des Gedichts, was auf mehreren Ebenen deutlich gemacht und unterstrichen wird.
So ist das Begriffspaar blaues Klavier ein Teil des Titels und auch der Gedichtband, in dem das Werk veröffentlicht wurde, trägt ebendiese Beschriftung. Folglich wird die Aufmerksamkeit des Leser auf die beiden Wörter grichtet. Es scheint sich also um eine zentrale Stelle im Text zu handeln. Darüber hinaus fällt das blaue Klavier natürlich auf, da es bereits im ersten Vers benannt und darüber hinaus eine sehr auffällige Farbauswahl für ein Klavier ist.
Es drängt sich also auch hier der Gedanke auf, dass das Wortpaar wesentlich ist, um überhaupt den Sinn des Textes zu verstehen. Denn es liegt wohl auf der Hand, dass es im Gedicht nicht um ein Instrument geht, sondern scheinbar ein weitere Ebene zu finden ist. Diese ist uns als Leser vorerst verborgen – auch hierbei gilt, dass das Ganze entschlüsselt, also dechiffriert, werden muss.
- 1) In den Zürcher Tagebüchern der Dichterin verweist sie selbst auf das blaue Klavier. So heißt es dort:“Ich besitze alle meine Spielsachen von früher noch, auch mein blaues Puppenklavier.“ – Daraus lässt sich ableiten, dass das blaue Klavier, wie es in den ersten Versen eingeführt wird, als Symbol für die Kindheit der Dichterin stehen kann. Dadurch lässt sich natürlich eine Lesart für das Gedicht herleiten.
Herleitung der Bedeutung ohne die Autorin:
Natürlich gibt uns die Autorin eines Textes nicht immer direkte Hinweise, wie das Werk zu deuten sein könnte. Wir müssen in einem solchen Fall versuchen, der Chiffre im Werk selbst eine Bedeutung zu geben. Vor allem in Prüfungssituationen ist das fast immer so.
- a) Es ist sinnvoll, einen Text oder ein sprachliches Bild kontextuell einzuordnen, um eine ungefähre Denkrichtung zu finden. Lasker-Schülers Werk ist titelgebend für einen Gedichtband und kann somit durchaus als Mottogedicht bezeichnet werden, das somit allen anderen Werken des Bandes eine Art Überschrift verleiht. Folglich nimmt es eine zentrale Rolle ein. Der Gedichtband ist außerdem der letzte, der von Lasker-Schüler geschrieben wurde und bildet somit eine Art Abschluss ihr dichterischen Schaffens (vgl. Œuvre).
- b) Das Wortpaar, das für die Deutung interessant ist, besteht aus einem Nomen, dem Klavier, und einem Adjektiv, das es als blau beschreibt. Darüber hinaus findet sich das Blaue erneut in Zeile 9, wenn dort von der „blaue[n] Tote[n]“ gesprochen wird. Demnach ist das Blaue an mehreren Stellen im Gedicht zu finden und verbindet dadurch verschiedene Teile, verweist dadurch aber auch auf die eigene Wichtigkeit. Wir versuchen nun, den Wörtern einen Sinn zu geben, der uns beim Deuten des Gedichts hilft und decodieren so die rätselhafte Chiffre.
Blau: Diese Farbe hat sehr unterschiedliche Zuschreibungen. Häufig gilt sie als Farbe der Engel, des Gottes oder auch des Himmels. Deshalb wird Maria, die Mutter Jesu, häufig in einem blauen Mantel oder Gewand dargestellt. Literarische Bedeutung erfuhr die Farbe vor allem in der Romantik. Hier gilt sie als Farbe der Sehnsucht. Die Sehnsucht nach einer unerreichbaren Sache (vgl. Blaue Blume).
Klavier: Das Klavier selbst könnte für zahlreiche Dinge stehen. In jedem Fall steht es allerdings für die Kunst, also die Musik. Seit jeher sind die Musik und die Dichtung eng miteinander verbunden. So leitet sich sogar die Bezeichnung Lyrik von der Lyra, einem Saitenintrument, ab. Lyrik galt ursprünglich als Dichtung, die zum Spiel der Lyra vorgetragen wurde. Das Klavier könnte somit für die Musik oder die Dichtung stehen. Vielleicht sogar für die Künste oder die Inspiration. - Blau+Klavier: Wenn wir nun versuchen, das Gesagte zu verbinden, könnten wir festhalten, dass das lyrische Ich in der ersten Strophe sagt, dass es ein blaues Klavier besitzt, das für die göttliche Kraft (blau) der Inspiration (Klavier) oder den sehnsuchtsvollen Drang (blau) zur Kunst (Klavier) stehen könnte. Beide Varianten sind möglich und inhaltlich auch nicht weit voneinander entfernt.
- Fazit: Durch die Informationen, die wir nun über das Klavier und das Blaue gesammelt haben, lässt sich die Chiffre decodieren. Dadurch erhält das Werk einen Sinn, der uns beim Verständnis hilft. Die Farbgebung, die in mehreren Strophen aufgegriffen wird – siehe b), Blau – und das, was wir mit dem Klavier verbinden können – siehe b), Klavier – lässt uns die Chiffre als eine Art herbeigesehnte Schöpfungskraft deuten, die für das Ich unerreichbar scheint.
Mithilfe dieser Deutung können wir sämtliche Strophen erfassen und eine Analyse darauf aufbauen. Beispielsweise könnten wir behaupten, dass das lyrische Ich in der ersten Strophe in seinem Inneren eine Schöpfungskraft hat, die allerdings nicht nach außen tritt, ja, gar nicht nach außen treten kann, weil die Welt verrohte (vgl. Krieg, Trümmerliteratur). Diese Gedanken sollen an dieser Stelle aber nicht fortgeführt werden. Wer den ganzen Text lesen möchte oder eine interessante Interpretation lesen möchte, wird auf dieser Seite fündig.
Weitere Beispiele für die Chiffre
Die obigen Beispiele gehören zu den bekanntesten und die Werke, die sie verwenden, begegnen uns häufig in Prüfungen oder im Unterricht. Natürlich gibt es noch weitere Beispiele und vor allem in Texten der Trümmerliteratur oder des Expressionismus finden sich viele Verrätselungen. Deshalb nun eine Übersicht weiterer Beispiele, die aber nicht ausführlich erklärt werden.
Text-Beispiel | Erläuterung |
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Wird derzeit überarbeitet (Stand: Juli 2018). | … |
Unterschied: Symbol & Chiffre
Die größte Schwierigkeit, wenn man eine Chiffre erkennen und vor allem von anderen Stilfiguren unterscheiden möchte, ist es, eine klare Trennung zum Symbol zu machen. Kurzum: das ist in vielen Fällen nicht möglich und kann nur bei genauer Betrachtung und Analyse funktionieren. Schauen wir auf die Details.
Per Definition handelt es sich bei Symbolen um – meist bildhafte – wirkungsvolle Zeichen, die für ein Ding oder einen Sachverhalt stehen, wobei es mitunter keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen Symbol und Gemeinten gibt. Die Bedeutung des Symbols muss also bekannt sein, um es zu verstehen, da es eben nicht selbsterklärend ist. Ein Beispiel:
Dieses Beispiel-Bild zeigt eine Taube. Die weiße Taube steht seit Jahrhunderten für den Frieden und ist demnach ein Symbol dafür. Die Taube selbst verweist nicht darauf und bietet offenkundig keine Merkmale, die sie als Sinnbild des Friedens charakterisieren. Das funktioniert nur, wenn wir die Geschichte hinter dem Symbol kennen.
Gott gab ihm auf, eine gigantische Arche zu bauen und von jeder Tierart ein Pärchen mit an Bord zu nehmen. Dann begann es stark zu regnen, bis die ganze Erde unter Wasser war. Nachdem die Arche ein Jahr auf dem Wasser trieb, entsandte Noah eine Taube, die mit einem Olivenzweig im Schnabel zur Arche zurückkehrt, was für Noah das Zeichen ist, dass es wieder Land gibt, das nicht vom Wasser bedeckt wird. Die Rückkehr der Taube mit dem Olivenzweig wird daher als Zeichen des Friedensschlusses verstanden und folglich gelten die Taube, aber auch der Olivenzweig, als Symbole des Friedens.
Bei diesem Zusammenhang fällt auf, dass Symbole festgelegt sind. Zwar wird ihnen diese Funktion durch eine Geschichte gegeben, doch verweisen sie nicht von sich darauf, wofür sie stehen. Das bedeutet, dass erklärt werden muss, warum die Taube ein Symbol ist, so dass der Empfänger (Hörer, Leser) es verstehen kann.
Entscheidend ist allerdings, dass Symbole allgemein anerkannt sind und sich somit eine Gruppe oder Gemeinschaft auf den Symbolgehalt geeinigt hat. Das kann schlicht und ergreifend dadurch geschehen, dass ein Symbol immer und immer wieder verwendet wird. So steht beispielsweise das Herz für die Liebe, die Taube für den Frieden oder der Lorbeerkranz für Ruhm und Ehre.
Darüber hinaus können Symbole innerhalb eines literarischen Werkes entstehen, weil eine bestimmte Sache stetig wiederholt wird und so einen Symbolcharakter innerhalb des Werkes erlangen. So einigt sich dann gewissermaßen auch eine Gruppe – nämlich die Leser – auf die Verwendung eines Symbols. Würde etwa ein Protagonist den Duft von Lavendel mit seiner Kindheit verbinden, könnte dieser im Verlauf zum Symbol für die Kindheit selbst werden. Zum Verständnis eines Symbols braucht es also immer Hintergrundwissen!
Im Gegensatz dazu ist die Chiffre nicht allgemein bekannt und muss aus dem Zusammenhang erschlossen werden. Sie ist symbolartig und kann als Sonderform des Symbols gelten, ist aber meist auf ein Werk oder eine Werkgruppe beschränkt. Sie unterscheidet sich auch, weil sie vieldeutig ist und nicht eindeutig entschlüsselt werden kann. Das Symbol ist auf einen, meist abstrakten, Begriff festgelegt.
Beispiel: Als wesentliches Symbol der Romantik gilt die blaue Blume. Sie steht stellvertretend für die romantische Sehnsucht nach dem Unerreichbaren. Erstmals findet sie sich im Romanfragment Heinrich von Ofterdingen des deutschen Dichters Novalis. Heinrich, der Protagonist des Werkes, wird von einer blauen Blume angezogen, woraus sich in der Folge das Sehnsuchts-Symbol der Romantik ableitete. Beim erstmaligen Lesen verfügt der Leser allerdings nicht über dieses Wissen und muss die Bedeutung der blauen Blume selbständig decodieren. Man könnte hierbei also von einer Chiffre sprechen, die durch das Aufgreifen anderer Autoren zum Symbol wurde.
- Die Chiffre ist ein symbolartiges Zeichen und muss vom Leser zum Verständnis eines Werkes decodiert werden. Allerdings ist die Stilfigur vieldeutig, was einen großen Interpretationsspielraum ermöglicht – es gibt also nicht eine Bedeutung, die richtig ist.
- Zumeist besteht die Chiffre aus mehreren Wörtern, also einer Wortgruppe, und steht für einen abstrakten Sachverhalt (vgl. Abstraktum). Sie kann so Dinge greifbar machen, die ungreifbar scheinen und Sachverhalte ausdrücken, die ansonsten kaum in Worte zu kleiden wären.
- Die Figur fällt im literarischen Text meist deshalb auf, weil wir beim Lesen über sie stolpern und sie sich auf den ersten Blick einer Bedeutung entzieht. In der Regel ist die Chiffre aber aus dem Zusammenhang des Textes zu entschlüsseln und durch diese Entschlüsselung lässt sich überhaupt erst ein Zugang zum jeweiligen Text finden.
- Natürlich kann es auch sein, dass sich eine Chiffre nicht entschlüsseln lässt – dann muss sie als undeutbares Zeichen angenommen werden, dessen Bedeutung sich nur Auserwählten, vielleicht auch nur dem Autor selbst, erschließt. Dennoch kann sie auch dann eine Wirkung durch die Bildlichkeit, das Metrum und Lautmalerei oder Ähnliches transportieren
Hinweis: In Prüfungen können die meisten Chiffren nicht entschlüsselt oder von Symbolen oder Allegorien unterschieden werden. Grundsätzlich ist dies aber nicht problematisch. Wer bemerkt, dass es sich um eine sprachliche Auffälligkeit handelt und diese belegbar – durch den Text! – funktionalisieren kann, ist stets auf der sicheren Seite.