Sage

Die Sage ist eine volkstümliche, anonyme, oft fantastische sowie zuerst mündliche Überlieferung. Eine Sage spielt an einem konkreten, sehr häufig historischen, Ort sowie in einer bestimmten Zeit, wobei im Mittelpunkt oft ein Mensch steht, der sich in einem einzelnen Geschehnis aus eigener Kraft behaupten muss. In der Regel erläutert die Sage eine regionale Eigenart, einen Namen oder Volksglauben, wobei sie zumeist vorgibt, wahr zu sein. Das christliche Pendant (Gegenstück) der Sage ist die Legende, welche von Heiligen oder religiösen Ereignissen erzählt. Textsorten, die der Sage ähneln, sind der Mythos, die Fabel sowie das Märchen.


Begriff und Gattung

Die literarische Gattung sowie der Begriff wurden maßgeblich von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm geprägt, die eine Untersuchung der geschichtlichen Entwicklung der deutschsprachiger Literatur vorantrieben. Im Grimmschen Wörterbuch von 1893 wird die Sage als eine Kunde von Ereignissen der Vergangenheit, [die] einer historischen Beglaubigung entbehrt und geprägt von naiver Geschichtserzählung und Überlieferung [ist], die bei ihrer Wanderung [..] durch das dichterische Vermögen des Volksgemüthes umgestaltet wurde.

Doch auch wenn die Sage, wenn man der Definition der Brüder folgt, einen naiven Charakter hat und lediglich durch den Volksmund überliefert wird, gibt sie dem Leser (oder Hörer) stets vor, eine Wahrheit abzubilden. Dieser Anspruch wird, auch wenn im Text Fabelwesen aller Art, wie etwa Riesen, Zauberer, Elfen sowie lebendige Pflanzen vorkommen können, durch die konkreten Orts- und Zeitangaben vorgetäuscht.

Übersicht: Merkmale der Sage

  • Sagen sind volkstümliche Erzählungen, welche in der Regel mündlich überliefert und erst später schriftlich fixiert, also aufgeschrieben, werden. Weil sie zuerst mündlich überliefert werden, gibt es oftmals keinen eindeutigen Urheber, weshalb solche Erzählungen zumeist anonym sind.
  • Sagen ranken sich um unerklärbare Naturereignisse, die Furcht oder Segen brachten, erzählen von Helden und regionalen Fabelwesen oder erklären die Herkunft von (Orts-)Namen. Sagen versuchen also zumeist, eine Eigentümlichkeit (in Natur, Vergangenheit usw.) oder etwas Unerklärbares zu fassen sowie den Volksglauben zu begründen.
  • Im Unterschied zum Märchen sind die wesentlichen Rahmenbedingungen in einer Sage konkret. Demzufolge wird ein bestimmter Ort, eine eindeutige Zeit und mitunter auch ein Held, also eine Person, die das Ganze erlebt, benannt (vgl. Protagonist), wodurch die Sage glaubhaft wirkt.
  • Demzufolge beruht die Sage in der Regel auf wahren Begebenheiten und knüpft so an einen wahren Anlass an. Allerdings wird dieser ausgeschmückt und in freier Fantasie umgestaltet, wobei magische, unerklärliche und mythologische Elemente eine Rolle spielen.
  • Doch auch wenn diese Rahmenbedingungen durchaus konkret sind, kann die Sage durch ihre mündliche Verbreitung durchaus umgestaltet werden. Sagen können gewissermaßen wandern, weshalb ähnliche Erzählungen in verschiedenen Völkern oder Regionen kursieren, aber sich stets an die Eigenheiten der jeweiligen Umgebung anpassen (vgl. Wandersagen).
  • Das Personal der Sagen ist von Fabelwesen aller Art durchzogen. Im Mittelpunkt stehen häufig Menschen, die etwas erleben, doch treffen diese auf Ungetüme, Riesen, Feen, sprechende Pflanzen oder Tiere, Zauberer, Hexen, Nixen, Werwölfe, Drachen, Meerjungfrauen, Zwerge sowie ähnliche Sagengestalten und übernatürliche Kräfte aller Art.
  • Sagen lassen sich außerdem oft an ihrem Anfang erkennen. Da sie einen Wahrheitsanspruch erheben, also sehr konkret Zeit, Ort und Handelnde benennen, beginnen sie häufig mit einem Bezug auf ebendiesen Rahmen: Vor wenigen Jahren stand auf dieser Wiese …, in der Schorfheide lebte vor Jahren …, die Bewohner von Berlin sprechen noch heute von …

  • Hinweis für Schüler: Sagen lassen sich normalerweise auch an ihrer Zeitform erkennen. Zwar werden sie in der Regel erzählt, also mündlich weitergegeben, aber dennoch werden sie vom Präteritum, also der ersten Vergangenheit, bestimmt.
  • Bekannte deutschsprachige Sagen (Auswahl)
    • Rattenfänger von Hameln: In Hameln soll im 13. Jahrhundert ein Mann gelebt haben, der versprach die Stadt von der Rattenplage zu befreien. Die Bürger versprachen ihm einen Lohn, woraufhin er eine Melodie pfiff und die Ratten so aus der Stadt lockte – doch die Bürger verweigerten ihm die Bezahlung. Später kam er zurück und rächte sich, indem er ebenfalls mit einer Melodie die Kinder aus der Stadt lockte, die man niemals wiedersehen sollte.

    • Fliegender Holländer: Erzählt von einem Kapitän, der auf ewig dazu verdammt ist, bis zum Untergang der Welt mit einem Gespensterschiff auf dem Welt umherzuirren. Seinem Schiff werden unglaubliche Fähigkeiten zugesprochen: so kann es rückwärts segeln und durch die Luft fliegen.

    • Rübezahl: Spielt im Riesengebirge und der näheren Umgebung. Rübezahl ist ein Riese oder Berggeist, der den Menschen in verschiedenen Gestalten erscheint. Gegen gute Menschen verhält er sich meist freundlich, wohingegen er denjenigen, der ihn verspottet mit seiner Rache straft.

Wandersagen

Als Wandersage wird eine sagenhafte Erzählung bezeichnet, deren Kern, also grundsätzlicher Inhalt, gleichbleibend ist, die aber in verschiedenen Regionen anders erzählt wird. Es tauchen zumeist die gleichen Figuren auf und auch der Handlungsverlauf ist identisch, wohingegen der äußere Rahmen (Ortsnamen, Helden, landesspezifische Eigenheiten usw.) angepasst werden.

Dabei tauchen oft ähnliche Motive auf, wie etwa Vampire, das Opfern einer Jungfrau, Kindeseinmauerungen etc. Verwandt ist der Begriff mit den urbanen Legenden und wandernden Anekdoten, die auch heutzutage noch kursieren: so gab es an vielen Schulen einmal einen Schüler, der beim Aufsatzthema „Definiere Mut“ eine Seite abgab, auf der nur stand:„Das ist Mut!“ und dafür eine 1 bekam oder die allseits bekannten Aligatoren, die sich angeblich in der Kanalisation New Yorks oder anderer Städte tummeln.

Hinweis: Die Begriffe Wanderanektdote, Wandersage und urbane Legende werden im Sprachgebrauch oftmals vermengt. Eine Wandersage müsste, einmal davon abgesehen, dass sie von Ort zu Ort wandert, die anderen Merkmale der Sage erfüllen. Ansonsten sollte von Modernen Sagen gesprochen werden.

Arten der Sage

Allgemein lassen sich drei verschiedene Sagentypen in den vergangenen Jahrhunderten ausmachen. Zwar gibt es bestimmte Sonderformen und Ausprägungen, doch grundsätzlich gibt es diverse Merkmale, die sich dem einen oder dem anderen Typus zuordnen lassen. Eine Übersicht:

Göttersagen Heldensage Volkssage
Erzählen von den Göttern, wie diese die Welt erschufen, ihrer Beziehung zu den Menschen oder ihren Eigenschaften, Aufgaben und Pflichten. Konzentrieren sich auf eine Person, einen Helden, bilden sich um einzelnen Persönlichkeiten oder berichten von Herrscherfamilien und deren Machtpolitik. Findet häufig im Alltag des Volkes statt, erzählen von der Natur und Dingen, die das Volk oder dessen Welt unmittelbar betreffen.
Ätiologische
Sagen
Natursagen Geschichtssage
Sage, die Gegebenheiten durch Vorgänge in der Vergangenheit erklären oder begründen will, beispielsweise einen bestimmten Brauch, ein Ereignis, eine Naturerscheinung, eine Steinformation oder den Namen eines Gewässers, Berges oder heiligen Ortes. Sagen, die von Begebenheiten aus der Natur berichten, wie etwa Wassergeister, Nymphen oder Geistern. Sind häufig mit bestimmten regionalen Besonderheiten verknüpft. Verarbeiten ein konkretes historisches Ereignis oder greifen den Namen eines historischen Ortes auf, erfinden allerdings um diesen Herum eine Begebenheit.

Unterschied: Legende, Märchen, Sage, Fabel, Mythos

Die wohl größten Schwierigkeiten in Bezug auf Sagen bereitet häufig die Unterscheidung zu ähnlichen, verwandten Textsorten. Die Sage ähnelt vor allem dem Märchen, der Legende, der Fabel und weiterhin dem Mythos. Wir möchten nachfolgend die Unterschiede der Gattungen aufzeigen.

  • Fabel: Fabeln sind erfunden und wurden von einem Autor geschrieben, wobei es keine konkreten Angaben zu Zeit und Raum gibt. In der Fabel agieren Tiere und vertreten gewissermaßen den Menschen. Die Fabel endet mit einer Pointe und ist meist belehrend. Die Protagonisten sind meist keine eindeutigen Charaktere, sondern Stereotype, die bestimmte Eigenschaften verkörpern (vgl. Fabeltiere).

  • Märchen: Sind auch frei erfunden, unterscheiden sich in Volksmärchen (weitererzählt) und Kunstmärchen (von einem Autoren). Märchen spielen außerhalb von Raum und Zeit, weshalb ebenso keine konkreten Orts- und Zeitangaben gemacht werden. Das Personal des Märchens ist eher typisiert, es gibt selten konkrete Personen (Die Prinzessin, der Wolf, die böse Hexe).

  • Mythos: Ein Mythos erklärt gewissermaßen die Welt. Vor allem ist uns heute die griechische oder römische Mythologie vertraut. Hierbei werden Sachverhalte sowie Zusammenhänge durch Götter, Helden oder Fabelwesen erklärt, wie beispielsweise die Erschaffung der Welt oder das Leben nach dem Tod.

  • Legende: Der Unterschied zwischen Sage und Legende ist gering. Prinzipiell gelten die gleichen Merkmale. Wesentlich ist allerdings, dass Legenden stets von Heiligen erzählen. Dabei beziehen sie sich natürlich auch immer auf eine bestimmte Person oder ein eindeutiges Ereignis, weshalb der Realitätsanspruch gleichermaßen hoch ist. Sie basieren also meist auf der Biografie einer Person.

  • Sage: Wird mündlich überliefert und handelt von konkreten Personen, Zeiten oder Schauplätzen. Die Sage hat demnach einen sehr hohen Realitätsanspruch, weshalb die handelnden Personen auch ganz genau benannt werden. Zwar kommen durchaus Fabelwesen vor, sind aber als solche zu erkennen.