Else Lasker-Schüler

Else Lasker-Schüler, geboren am 11. Februar 1869 in Elberfeld; gestorben am 22. Januar 1945 in Jerusalem, war eine deutsch-jüdische Dichterin des 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus machte sie sich als Zeichnerin einen Namen und gilt als wichtige Vertreterin des deutschsprachigen Expressionismus (vgl. Literaturepochen), weshalb zahlreiche Werke Lasker-Schülers zur avangardistischen Moderne zählen.


Zu ihrem Œuvre zählen vor allem zahlreiche Gedichte, aber auch Werke in Prosa sowie einige Dramen. Häufige Motive in ihren Schriften sind das Gelobte Land und die Stadt Jerusalem sowie die Sehnsucht nach diesen Orten, wobei biblische Bilder mit individueller Exilerfahrung verknüpft werden.

Lebenslauf

  • Am 11. Februar 1869 wird Else Schüler in Wuppertal geboren. Sie wächst mit fünf Geschwistern in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Ihre Eltern sind Aaron Schüler (1825 bis 1890) und Jeanette Schüler, geb. Kissing.

  • 1880: Sie besucht das Lyceum West an der Aue (schulische Ausbildung), bricht aber später dort ab und wird im elterlichen Zuhause privat unterrichtet.

  • 1882: Tod ihres Bruders Paul Schüler.

  • 1890: Tod ihres Vaters Aaron Schüler.

  • 1894: Else Schüler heiratet den Arzt Jonathan Berthold Lasker. Umzug nach Berlin.

  • 1897: Tod ihrer Mutter Jeanette Schüler, geb. Kissing.

  • 1899: Geburt ihres Sohnes Paul Lasker-Schüler.

  • 1901: Ihr erster Gedichtband Styx wird veröffentlicht.

  • 1903: Die Ehe von Else Lasker-Schüler und Jonathan Berthold Lasker wird geschieden. Sie heiratet den Schriftsteller Georg Lewin (Lewin nimmt später das Pseudonym Herwarth Walden an).

  • 1906: Else Lasker-Schülers Prosawerk Das Peter Hille-Buch erscheint.

  • 1907: Ihre Prosasammlung Die Nächte der Tino von Bagdad wird veröffentlicht.

  • 1909: Sie publiziert ihr Schauspiel Die Wupper.

  • 1910: Trennung von Herwarth Walden (Georg Lewin).

  • 1911: Ihr Gedichtband Meine Wunder wird veröffentlicht.

  • 1912: Scheidung von Herwarth Walden (Georg Lewin). Erste Begegnung mit Gottfried Benn. Sie trifft Franz Marc.

  • 1913 – 1915: Briefkorrespondenz zwischen Else Lasker-Schüler und Franz Marc. Sie überarbeitet die Korrespondenz für den ersten Teil ihres später erscheinenden Romans Der Malik. Ihr Werk Hebräische Balladen erscheint (vgl. Ballade).

  • 1927: Tod ihres Sohnes Paul Lasker-Schüler. Else Lasker-Schüler gerät in eine depressive Krise.

  • 1932: Sie erhält den Kleist-Preis gemeinsam mit Richard Billinger.

  • 1933: Emigration nach Zürich in der Schweiz.

  • 1934 – 1937: Sie unternimmt erste Reisen nach Palästina.

  • 1938: Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft.

  • 1939: Dritte Reise nach Palästina. Ihre Rückreise in die Schweiz wird verhindert. Sie erhält kein Rückreise-Visum von den Schweizer Behörden.

  • 1943: Ihr Gedichtband Mein blaues Klavier wird veröffentlicht.

  • 1944: Else Lasker-Schüler erkrankt schwer.

  • 1945: Sie erleidet am 16. Januar einen Herzanfall. Tod der Schriftstellerin am 22. Januar. Else Lasker-Schüler wird auf dem Ölberg in Jerusalem begraben.

Biografie

Else Lasker-Schüler (mit vollem Namen Elisabeth Lasker-Schüler) wurde am 11. Februar 1869 in Elberfeld, einem Ortsteil von Wuppertal, geboren. Sie gilt heutzutage als eine der bedeutendsten deutsch-jüdischen Dichterinnen, deren prägende Lebenserfahrungen ihr späteres Werk deutlich bestimmten.

Ihre Lebensumstände weckten ihre schriftstellerischen und künstlerischen Neigungen, denen wir heute einige herausragende Werke der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus zu verdanken haben. Else Lasker-Schüler war sowohl eine begabte Schriftstellerin als auch eine enthusiastische Zeichnerin. Sie verstarb am 22. Januar 1945 in Jerusalem.

Kindheit und Familie

Else Schüler, wie die Schriftstellerin vor ihrer ersten Ehe hieß, wuchs im Briller Viertel von Elberfeld auf. Gutbürgerlich und wohlbehütet waren ihre Kinder- und Jugendjahre. Als jüngstes Kind von Jeanette Schüler, geb. Kissing, (1838–1897) und Aaron Schüler (1825–1890) galt sie schon früh als Wunderkind des Hauses. Fünf ältere Geschwister gehörten zu ihrem familiären Umfeld.

Ihr Lieblingsbruder Paul starb, als Else erst 13 Jahre alt war. Der ebenfalls frühe Tod beider Elternteile konfrontierte sie in jungen Jahren bereits mit dem Verlust von Geborgenheit und Liebe. Diese Erlebnisse prägten den weiteren Lebensweg der Künstlerin entscheidend. Sie sah sich seither auf einem sehnsuchtsvollen Weg zum Ursprungsland ihrer Väter und Urgroßväter unterwegs und brachte ihre Gefühle darüber in zahlreichen Werken zum Ausdruck.

Bedeutung von Vater und Mutter

Else Schülers Vater war ein jüdischer Privatbankier. Er nahm in ihrem Werk Die Wupper später als Vorbild die Rolle ihres Protagonisten ein. Elses Mutter, Jeanette Kissing, wurde nach dem Tod ihrer Eltern im Hause des Verlegers und Politikers Leopold Sonnemann in Frankfurt am Main aufgezogen. Leopolds Frau, Rosa Sonnemann, wurde zu Jeanettes Ziehmutter. Für die spätere Dichtkunst von Else Lasker-Schüler war ihre Mutter von überragender Bedeutung. Sie wurde zur zentralen Figur ihrer Werke.

Das Wunderkind Else konnte bereits mit vier Jahren lesen und schreiben und besuchte ab 1880 das Lyceum West an der Aue. Die spätere Schriftstellerin brach allerdings bereits nach einiger Zeit die Schule ab und erhielt stattdessen Privatunterricht in den Räumlichkeiten ihres Geburtshauses, im Kreis ihrer Eltern und Geschwister.

Anfänge der Dichtkunst und zwei Ehen

Else Schüler heiratete 1894 den Arzt Jonathan Berthold Lasker und nahm dessen Namen als ersten Nachnamen an. Jonathan Lasker war einer der älteren Brüder des bekannten Schachweltmeisters Emanuel Lasker, der seinen Titel über mehrere Jahre hinweg erfolgreich verteidigte.

Der Eheschließung folgten ein Umzug nach Berlin sowie eine zeichnerische Ausbildung. Im Rahmen der Ausbildung fand Lasker-Schüler auch Zeit für das Verfassen von Gedichten, die 1901 im Gedichtband Styx veröffentlicht wurden.

Knapp zwei Jahre vor der Veröffentlichung ihrer ersten Werke kam Else Lasker-Schülers Sohn Paul (1899-1927) auf die Welt. Bereits einige Jahre zuvor starb ihr Vater (1890) und 1889 ihre Mutter. Die Gefühle um den Tod Ihrer liebevollen Eltern bezeichnete Else als die Vertreibung aus dem Paradies. Ihr Gedichtband Styx spiegelte den entsprechenden Seelenzustand dazu wider. Sie verfasste das Werk mit sinnlicher Bildsprache und gewagten Wortspielen im expressionistischen Sprachstil.

Die Ehe mit Jonathan Berthold Lasker wurde nach knapp 9 Jahren am 11. April 1903 geschieden und führte bei ihr zu nachhaltigen, erheblichen Schuldgefühlen. Bereits am 30. November 1903 heiratete Else Lasker-Schüler erneut. Der Schriftsteller Georg Lewin wurde ihr zweiter Mann. Lewin eignete sich auf den Vorschlag Else Lasker-Schülers, im späteren Verlauf seines Schaffens, das Pseudonym Herwarth Walden zu führen.

Peter Hille, Veröffentlichungen und Scheidung

Bereits um die Jahrhundertwende fand Else Lasker-Schüler in Berlin Anschluss an den Kreis der Neuen Gemeinde der Gebrüder Hart. Dadurch lernte Else die damals bereits bekannten Schriftsteller dieser Lebensreformbewegung kennen.

Unter ihnen befanden sich Martin Buber, Erich Mühsam, Ludwig Jacobowsky und Gustav Landauer. Gleichzeit schloss sie sich sehr schwärmerisch dem Schriftsteller Peter Hille an, dem sie etwas später, nach Hilles Tod (1904), Das Peter Hille-Buch widmete (1906). Peter Hille zählte zu den engsten Freunden von Else Lasker-Schüler.

Im Jahr 1907 erschien Else Lasker-Schülers Prosasammlung Die Nächte der Tino von Bagdad und im Jahr 1909 publizierte sie das Schauspiel Die Wupper. Nur knapp zwei Jahre später, 1911, machte die Schriftstellerin mit dem Gedichtband Meine Wunder auf sich aufmerksam und etablierte sich als deutsche Expressionistin.

Kurz zuvor, im Jahr 1910, trennte sich Else Lasker-Schüler von ihrem zweiten Ehemann Herwarth Walden. Die Ehe wurde zwei Jahre nach der Trennung, im Jahr 1912, geschieden.

Fortan lebte Else Lasker-Schüler als freie Dichterin und Schriftstellerin ohne eigenes Einkommen. Sie war angewiesen auf die Unterstützung durch ihre Freunde, von denen insbesondere Karl Kraus für ihr tägliches Auskommen sorgte. Während der Sommermonate des Jahres 1912 begegnete Else Lasker-Schüler dann Gottfried Benn. Aus einem intensiven Briefwechsel mit Benn und der Beziehung zu ihm gingen zahlreiche Liebesgedichte hervor.

Briefe an den Künstler Franz Marc

SDF

Bild: Der Turm der blauen Pferde, Aquarell und Franz Marc


Gegen Ende des Jahres 1912 lernte Else Lasker-Schüler den Maler Franz Marc kennen. Sie trafen sich im Berliner Heim seiner Schwiegereltern, nachdem sich bereits ein reger Schriftwechsel zwischen den beiden entwickelt hatte. Die Beziehung zu dem hochbegabten Künstler Franz Marc entwickelte sich zu einer engen Freundschaft, die vor allem über schriftliche Korrespondenz ihren kreativen und bedeutenden Ausdruck fand.

Bis zum Sommer des Jahres 1914 dauerte der Briefwechsel zwischen beiden an, zu dem Else Lasker-Schüler in die Rolle des Prinzen Jussuf von Theben schlüpfte, während Franz Marc ihr als Blauer Reiter ein beständiger und treuer Brieffreund war. Franz Marc nutzte dabei jeweils die Vorderseiten der verwendeten Karte, um Aquarelle und Tuschezeichnungen darauf zu platzieren.

Else Lasker-Schüler gestaltete ihre Briefe mit Bildern und Schrift, die sie ineinander und nebeneinander auf das Papier setzte. Aus dieser Korrespondenz existieren heute noch 66 Briefe und Karten der Schriftstellerin sowie 28 kleine Kunstwerke von Franz Marc.

In einem ersten Briefgruß, der den Titel Der blaue Reiter besaß, wird dem Prinzen Jussuf das blaue Pferd präsentiert, gefolgt von einem Aquarell, dem der Name Der Turm der blauen Pferde gegeben wurde. Franz Marc sendete die Postkarte mit dem aus einer Bleistiftzeichnung entstandenen Aquarell als Neujahrsgruß an Else Lasker-Schüler. Die Karte gilt als einziger bis heute erhaltener Entwurf für Marcs verschollenes Ölgemälde, das ebenfalls den Namen Der Turm der blauen Pferde trägt.

Die Einzigartigkeit der Künstlerfreundschaft zwischen Franz Marc und Else Lasker-Schüler lag nach Einschätzung von Peter Klaus Schuster, einem deutschen Kunsthistoriker, in der bemerkenswerten Doppelbegabung die beide besaßen. Franz Marc konnte über seine außerordentliche Begabung als Maler hinaus poetische Texte verfassen während Else Lasker-Schüler nicht nur als hochtalentierte Dichterin, sondern auch als begabte Zeichnerin die kreative Korrespondenz zwischen beiden bereicherte.

Die Schriftstellerin nutzte den letzten Kartengruß des engen Freundes als Frontispiz, also als zweite Seite, für ihren Roman Der Malik. Er zeigte eine arkadische Voralpenszene Bayerns, in der Marcs blauer Reiter auf seinem blauen Pferd der Jagd nachgeht. Der letzte Gruß war für Else Lasker-Schülers schwer erkrankten Sohn Paul gedacht.

In den Jahren 1913 und 1915 erschienen alle Briefe an den Blauen Reiter in den Zeitschriften Der Brenner und Die Aktion. Ebenfalls im Jahr 1915 überarbeitet Lasker-Schüler die veröffentlichte Korrespondenz und nutzte sie für ihren Roman Der Malik, der 1919 veröffentlicht wurde.

Weg ins Exil über die Schweiz

Das Jahr 1927 stürzte die Schriftstellerin in eine Krise aus dunkler Depression und Rastlosigkeit. Ihr geliebter und einziger Sohn Paul starb in diesem Jahr. Dieses Ereignis verdüsterte das Leben von Else Lasker-Schüler nachhaltig.

Erst 1932 schienen die Verleihung des Kleistpreises für ihr Gesamtwerk und die Veröffentlichung ihres Sammelbandes Konzert, eine Aufhellung ihres Lebens zu bringen, was sich kurze Zeit später allerdings als Falscheinschätzung erwies. Ihr ruheloses Schicksal nahm seinen Lauf und führte am 19. April 1933 zur Emigration in die Schweiz.

Dort erhielt sie allerdings Arbeitsverbot und wurde von den kantonalen Polizeigewalten des Landes gezwungen, mehrere Ortswechsel zu vollziehen. Else Lasker-Schüler unternahm in den Jahren 1934 und 1937 von Zürich aus zwei Reisen nach Palästina, bis ihr 1938 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde. Die staatlichen Behörden nannten den Status von Else Lasker-Schüler damals schriftenlos und verweigerten ihr zudem das Rückreisevisum nach einem weiteren Aufenthalt in Palästina (1939).

Tod in Jerusalem

In Palästina erkrankte die Schriftstellerin 1944 schwer und verstarb kurze Zeit später an einem Herzanfall. Nach ihrem Todestag, dem 22. Januar 1945, wurde sie auf dem Ölberg in Jerusalem beigesetzt.

Die Teilung Jerusalems führte 1948 zur Zerstörung ihres Grabes. Erst bei der israelischen Eroberung Ostjerusalems fand man ihren Grabstein wieder. Es dauerte darauf noch bis in das Jahr 1975, in dem Else Lasker-Schülers Grabstein an seinem heutigen Ort wieder aufgestellt wurde.

Ihr Weltdrama Ichundich, das 1970 posthum veröffentlicht wurde, machte Else Lasker-Schüler zu einer der charaktervollsten und anerkanntesten deutschen Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. Ihr Ruhm ist mittlerweile unumstritten und sie wird heute in dem Land ihrer Väter als Der schwarze Schwan Israels tief verehrt.

Werke

  • Styx (Gedichte, 1902)
  • Der siebente Tag (Gedichte, 1905)
  • Das Peter Hille-Buch (Prosa, Legendendichtung, 1906)
  • Die Nächte der Tino von Bagdad (Prosa, 1907)
  • Die Wupper (Schauspiel) 1909
  • Meine Wunder (Gedichte)1911
  • Mein Herz (Roman, 1912)
  • Gedichte, Essays und andere Geschichten (1913)
  • Hebräische Balladen (Gedichte, 1913)
  • Plumm-Pascha. Morgenländische Komödie, In: Das Kino-Buch (1914)
  • Der Prinz von Theben (1914)
  • Der Malik (Briefroman, 1919)
  • Die Kuppel (Gedichte, 1920)
  • Der Wunderrabbiner von Barcelona (Erzählung, 1921)
  • Theben (Gedichte und Lithographien, 1923)
  • Ich räume auf! Meine Anklage gegen meine Verleger (Streitschrift, 1925)
  • Führende Frauen Europas (Anthologie, 1930)
  • Konzert (Prosa und Gedichte, 1932)
  • Arthur Aronymus. Die Geschichte meines Vaters (Prosa, 1932)
  • Arthur Aronymus und seine Väter (Schauspiel, 1932)
  • Das Hebräerland (1937)
  • Mein blaues Klavier (Gedichte, 1943)
  • IchundIch (Drama, posthum 1979)