Die Novelle ist eine kurze Erzählung aus dem Bereich der Epik. Der Begriff leitet sich dabei aus dem Lateinischen (novus ~ neu) oder auch dem Italienischen (novella ~ Neuigkeit) ab. Das Wort weist also aus sich selbst auf eine Neuheit hin. Die Novelle ist eine Form der Kurzprosa, so dass sie in der Regel in einem Rutsch zu lesen ist. Die Erzählzeit ist demnach eher kurz.
Dennoch lässt sich die Novelle als literarische Gattung nur schwer definieren. Schauen wir zum Vergleich auf die verbreitete Form der Kurzgeschichte, gibt es viele Merkmale, die in beiden Gattungen ähnlich oder auch gleich erscheinen (→ Merkmale einer Kurzgeschichte).
Allerdings finden wir in der Novelle einige Merkmale, die eine deutliche Abgrenzung dennoch ermöglichen. Hier müssen wir allerdings sehr stark ins Detail gehen, um eine klare Unterscheidung vornehmen zu können und eine Verwechslung auszuschließen.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale der Novelle
Wir haben uns bei der Darstellung für eine einfache Listenform entschieden, um die Übersicht zu wahren. Unter dieser Auflistung der einzelnen Novellen-Merkmale finden sich noch weitere ausführliche Hinweise und Anmerkungen zu Gattung und Einordnung der Novelle.
- Es gibt nur eine sehr beschränkte Anzahl von Personen. In vielen Novellen gibt es lediglich eine handvoll Protagonisten, die unmittelbar in die Handlung involviert sind.
- Die vorgestellten Personen ändern sich im Laufe der Erzählung nicht wesentlich. Die Charaktere sind also weitestgehend eindimensional.
- Das zentrale Element ist immer eine „unerhörte Begebenheit“ (Goethe, 1827). Ins Neudeutsche lässt sich diese Begebenheit ganz gut mit „Skandal“ oder einem „außergewöhnlichen Ereignis“ übersetzen. Eine normale Alltagssituation ist folglich nie Inhalt einer Novelle.
- Die erzählte Begebenheit ist unerhört, neuartig, außergewöhnlich oder auch in der Geschichte ungewöhnlich, aber eben berichtenswert und in der Erfahrungswelt des Lesers „neu“. Diese Begebenheiten widersprechen dem für wahrscheinlich gehaltenen Gang der Dinge und erscheinen folglich als ungeheuerlich.
- Dennoch ist die Handlung der Novelle immer glaubhaft. Wir haben es also nicht mit mystischen Ereignissen zu tun, sondern nachvollziehbare und natürliche Abläufe prägen das Bild. Die Novelle ist also glaubhaft in der wirklichen Welt, auch wenn die Begebenheiten unerhört erscheinen.
- Die Novelle hat eine strenge, geschlossene Form. Der Aufbau ist also sehr klar und es gibt wenig Hintergrundinformationen zu den einzelnen Begebenheiten, Charakteren und Schauplätzen.
- In der Erzählung geht es immer um eine konkrete Situation oder eine Verflechtung bestimmte Begebenheiten (Situationskomplex). Dadurch werden die vorgestellten Personen haargenau durchleuchtet. Es werden also immer die tiefsten Probleme eines Menschenlebens unter die Lupe genommen.
- Ein weiteres Merkmal der Novelle ist, das sie meist einen Wendepunkt, der alles ändert, hat. Manchmal gibt es auch mehrere solcher Wendepunkte, die sich durch die Handlung ziehen. Diese Wendung ist meist ein Schicksalseinbruch im Leben der Protagonisten, weshalb die Novelle häufig als Krisenerzählung beschrieben wird.
- Oftmals wird die Novelle von irrationalen, unwahrscheinlichen oder auch unkrontrollierbaren Mächten bestimmt, die in die Existenz der Protagonisten eingreifen. Dennoch bleibt die Geschichte glaubhaft und nachvollziehbar.
- Die Erzählung ist häufig nicht chronologisch und folgt dabei einem Aufbau, der nacheinander erzählt wird. Häufig zeichnen sich Novellen dadurch aus, dass sich Zeit und Raum auf unlogische Weise ändern.
- Häufig finden wir starke Bilder und Symbole im Text, die die Bedeutung der Novelle vertiefen und eine metaphorische Ebene eröffnen (→ Metapher-Beispiele)
- Oftmals ist die Erzählweise der Novelle durch dramatische Elemente gekennzeichnet. Das bedeutet, dass der Erzähler wenig Hintergrundinformationen gibt, selten in den Text eingreift, wodurch eine zwischen Leser/Zuschauer und dem fiktiven Geschehen vermittelnde Instanz fehlt.
- In der Novelle kommt häufig eine Rahmenerzählung zum Einsatz. Hierbei wir die Geschichte in eine umfassende Handlung eingebettet, wie beispielsweise in der Märchensammlung „1001 Nacht“.
- Die Novelle endet meist mit einem Ergebnis oder auch Resultat. Dieses muss keine Moral beinhalten, doch wird dadurch der gesamten Erzählung rückwirkend eine Bedeutung zugeschrieben.
Allgemeine Einordnung und Hinweise zur Novelle
Die Novelle ist, wie schon in den Merkmalen genannt, eine Prosaerzählung, die ein vorstellbares Ereignis zum Inhalt hat. Dieses Ereignis ist dabei zwar denkbar, wirkt aber auf uns als Leser dennoch unerhört und gewissermaßen skandalös.
Die Handlungsführung ist dabei sehr straff und es gibt wenig Spielraum für Rückblenden und Verweise auf zukünftige Ereignisse. Dabei betont der Text, ähnlich wie das Drama, das Geschehen und nicht den Zustand. das bedeutet, dass sich stationäre Beschreibungen oder langsam entwickelnde Situationen nahezu ausschließen.
Dabei läuft die Handlung meist auf einen unmittelbaren Wendepunkt hinaus, der als Schicksalsschlag wahrgenommen wird. Dieser ist für den Leser zwar in der Regel überraschend, doch gibt es in der Novelle zahlreiche Vorausdeutungen (Antizipationen), die das Geschehen einleiten. Dennoch kommt dieser Wendepunkt schlagartig, was durch eine zügige Erzählweise (Straffung) ermöglicht wird.
Um diese Straffung zu ermöglichen, reduziert die Novelle das Erzählte auf das Notwendigste, aber eben auch Bedeutsamste. Alltägliches und nebensächliche Beschreibungen werden wir in dieser Textform nicht – oder nur sehr selten – finden können.
Weiterhin fallen dadurch oftmals epische Elemente des Erzählens heraus, wodurch wir oftmals dramatische Merkmale in der Novelle finden können. Der Erzähler nimmt sich folglich oftmals zurück und Protagonisten werden lediglich durch die Figurenrede charakterisiert.
Dabei ragt die Novelle gewissermaßen über die Fiktion hinaus. In einem Roman oder auch einer Kurzgeschichte, also anderen Formen der Epik, ist das Wahrheitszentrum immanent. Das bedeutet, dass die Wahrheit in der Geschichte selbst liegt.