Die Dionysien sind die Festspiele zu Ehren des Gottes Dionysos in der griechischen Antike. Dionysos ist der Gott des Weines, der Freude, der Fruchtbarkeit, der Trauben, der Ekstase und des Wahnsinns. Anfänglich ging es hierbei um feierliche, kultische Umzüge, die religiös geprägt waren, woraus sich in Athen die städtischen Dionysien entwickelten. Diese wurden fortan alljährlich zwischen März und April begangen und dauerten acht Tage an. Dabei wurden kultische Riten (Tanz, Opfer, Gesang) praktiziert, die letzten Endes als Vorläufer der griechischen Komödie sowie Tragödie gelten. Sehr charakteristisch sind hierfür außerdem die sogenannten Dithyramben, also hymnenartige Chorlieder, die zu Ehren des Gottes Dionysos vorgetragen wurden. Nachhaltig geprägt wurden die städtischen Dionysien vor allem durch Peisistratos (um 600 v. Chr. – 528/527 v. Chr.), einem Staatsmann und Tyrannen, der massiv die Verehrung von Athene und Dionysos vorantrieb. Wesentlich ist für die Dionysien darüber hinaus der Wettstreit der Komödien- und Tragödiendichter (Agon), die ihre Werke im Rahmen des Festes zeigten.
Inhaltsverzeichnis
Begriff & Ursprung
Der Begriff Dionysien leitet sich vom griechischen Nomen Dionysia ab, welches sich wiederum vom Namen des Weingottes selbst ableitet. Folglich ging es in erster Linie darum, den Weingott zu ehren, wenngleich die Festspiele im Laufe der Zeit durchaus auch zur Selbstrepräsentation der Stadt Athen begangen wurden.
Im Rahmen der Dionysien wurden die Dithyramben vorgetragen, deren wesentlicher Zweck es war, den Gott schwärmerisch und ekstatisch zu feiern sowie ihm zu huldigen. Wahrscheinlich ist, dass sich aus den kultischen Gesängen sowie den Tanz- und Opferriten, die zu Ehren des Gottes veranstaltet wurden, die griechische Tragödie und Komödie entwickelte. Speziell der Dithyrambus kann – da neben dem Preisen des Weingottes weitere epische Stoffe verwendet wurden – als Vorläufer der griechischen Tragödie gelten.
Der Wettstreit der Dithyrambendichter war vor allem zu Beginn der Feierlichkeiten ein wesentlicher Höhepunkt des Festaktes. Dennoch bildeten die Wettstreite der Komödiendichter und vor allem der Tragödiendichter den Höhepunkt des kultischen Festes. Diejenigen, die in diesen Wettkämpfen als Sieger hervortraten, sind uns auch heutzutage noch bekannt, wie etwa Euripides, Aristophanes oder auch Platon. Zahlreiche Werke, die aus jener Zeit überliefert sind, lassen sich jedoch keinem eindeutigen Verfasser zuordnen (vgl. Adespota).
Ablauf und Organisation der Dionysien
Zumeist meint der Begriff das achttägige Fest, das in Athen gefeiert und zwischen März und April ausgerichtet wurde. Allerdings bezeichnet der Begriff mehrere Feste, die in verschiedenen Monaten zu Ehren des Weingottes ausgerichtet wurden. Man unterscheidet hier die Kleinen oder Ländlichen Dionysien im Dezember und Januar, die Lenäen im Januar und Februar, die Anthesterien im Februar und März sowie die Städtischen oder auch Großen Dionysien im März und April.
Folglich wurden in der Antike zu Ehren von Dionysos insgesamt vier Feste gefeiert, wobei zwei dieser Feierlichkeiten als Dionysien (kleine/ländliche, große/städtische) bezeichnet werden. Die Ländlichen Dionysien und die Anthesterien waren nicht unbedingt an die Aufführungen von Dramen gekoppelt, sondern galten zumeist als Feierlichkeiten, um den Weingott zu preisen. Die Lenäen hatten wiederum eher einen lokalen Charakter und waren vor allem für die Darbietung von Komödien bekannt – dies bot sich auch deshalb an, weil der Stoff der Komödie zumeist auf regionale Eigenheiten oder die Tagespolitik abzielte.
Die Großen oder eben Städtischen Dionysien sind das wichtigste Fest in der vorherigen Aufzählung. Da die Ausrichtung im Frühjahr mit dem alljährlichen Wiederaufnehmen der Schifffahrt zusammenfiel, standen diese für jeden Menschen offen. Sie wurden in Athen vom Archon Eponymos ausgerichtet. Archon Eponymos war im antiken Athen ein Amt, das Aufgaben der Staatsführung und die Rolle als oberster Gerichtsherr übernahm. Außerdem leitete dieser die höchsten Gemeindefeste und bestellte hierfür die Chöre und Chorführer.
Dabei wurden zumeist rund 150 Chorführer bestellt, welche ihre Dithyramben im Rahmen des Festes präsentieren sollten, wobei außerdem rund 1000 Personen zu den Chören gehörten. Die Organisation dieser Feierlichkeiten dauerte über Monate und entlud sich letzten Endes in einem gigantischen Fest, das über 8 Tage andauerte, wobei die einzelnen Werke, die am dichterischen Wettstreit teilnahmen zwei Tage vor dem eigentlichen Fest bekannt gegeben wurden. Diese Bekanntgabe wird als Proagon bezeichnet.
Dionysos (mitte), Bild: Die Einführung des Ganymed in den Olymp von Charles-Amédée-Philippe van Loo
Beim Proagon stellten sich die Dichter, Chorleiter, Sänger des Chores sowie die Schauspieler dem Publikum vor. Einen Tag später, also am Vortag des eigentlichen Festes, wurde dann ein Kultbild des Weingottes aus dem Tempel, der ihm geweiht war, geholt und vor die Stadt getragen. Dieser Vorgang sollte die Präsenz des Gottes gewährleisten. Anschließend wurde das Kultbild wieder in den Tempel getragen.
Am darauffolgenden Tag begannen dann die eigentlichen Festspiele. Die erste Hälfte der Feierlichkeiten wurde von Umzügen, Opferungen und Chorgesängen bestimmt, wobei die letzten Tage der Dionysien vor allem um den dichterischen Wettstreit der Tragödiendichter, später auch der Komödiendichter, kreiste.
Ablauf der Dionysien
Tag | Geschehnisse |
---|---|
2 Tage vor den Dionysien |
Beim sogenannten Proagon stellten sich die Dichter, Chorleiter, Sänger des Chores sowie die Schauspieler dem Publikum vor. |
1 Tag vor den Dionysien |
Eine Prozession trug ein Kultbild des Weingottes durch die Stadt. Anschließend wurde dieses zurück in den Tempel, der dem Gott geweiht war, getragen. Dieser Vorgang sollte sicherstellen, dass Dionysos bei den Festspielen präsent war. |
1. Festtag | Dieser begann mit einem feierlichen Umzug zum Tempel des Dionysos, den Höhepunkt dieses Umzuges bildete ein Festwagen auf dem ein gefeierter Schauspieler stand. Daraufhin wurden die großen Opferzeremonien begangen. Außerdem erhielten die Söhne gefallener Väter deren Rüstung überreicht, wobei verdiente Männer mit einem Kranz geehrt wurden (seit 509 v. Chr.). Darüber hinaus wurden die Tribute des Attischen Seebundes im Theater ausgestellt. Am Nachmittag des ersten Tages fand der Wettstreit der Dithyrambenchöre statt, wobei es zehn Männer- und zehn Knabenchören gab, die wiederum aus jeweils 50 Sängern bestanden. Den Abschluss des Tages bildete der Komos, ein festlicher Umzug zu Ehren des Dionysos. |
2. Festtag | An diesem Tag fand der Agon der Komödiendichter statt. Es wurden zumeist 5, in Krisenzeiten nur 3, Komödien aufgeführt. Vorher wurde Dionysos ein Opfer dargebracht. Im Anschluss an die Aufführungen wurden die Richter für diesen Agon gewählt, die noch am gleichen Tag den Sieger des Wettstreits verkündeten. Dieser Wettstreit fand allerdings erst seit 486 v. Chr. statt, als die Komödien in die Dionysien eingeführt wurden. Vorher gab es ausschließlich Tragödien. |
3. – 5. Festtag | An den nachfolgenden Festtagen wurde der Tragödienagon ausgetragen. Hierbei wurden je Tag drei Tragödien und ein Satyrspiel von einem Dichter aufgeführt. Als Satyrspiel wird ein heiteres, befreiendes Nachspiel, das den drei Tragödien folgte, bezeichnet und als Vorläufer der Posse gilt. Die Einheit aus drei Tragödien und Satyrspiel wird als Tetralogie (Vierteiler) bezeichnet. Demnach traten drei Dichter an, wobei am fünften Tag der Sieger gekürt wurde. |
1 Tag nach den Dionysien |
Formal endeten die Feierlichkeiten nach der Bekanntgabe des siegreichen Tragödiendichters. Allerdings gab es bereits am nachfolgenden Tag eine Volksversammlung, die den Ablauf der Feierlichkeiten diskutierte. Hier wurde außerdem der Raum geboten, Zwischenfälle während des Festes zu melden und zu besprechen. |
Hinweis: Insgesamt können die Dionysien demzufolge als eine achttägige Feierlichkeit beschrieben werden. Diese setzen sich aus den zwei Tagen vor den eigentlichen Festtagen zusammen, den fünf zentralen Tagen des Festes sowie dem darauffolgenden Tag, der Raum für Nachbesprechungen und Bewertungen bot. |
Sieger der Wettstreite
Es ist keine umfassende Liste überliefert, die eine Zusammenfassung der siegreichen Dichter der einzelnen Agone zeigt. Allerdings finden sich vereinzelt Hinweise, welche Dichter im Tragödienagon oder auch im Agon der Komödien siegreich waren. In einigen Fällen findet sich außerdem der Vermerk, welche Werke den Sieg brachten. Nachfolgend eine unvollständige Übersicht der Sieger.
Sieger des Tragödienagons | ||
---|---|---|
Jahr | Dichter | Werk |
484 v. Chr. | Aischylos | – |
476 v. Chr. | Phrynichos | Die Phönizierinnen |
472 v. Chr. | Aischylos | Die Perser |
471 v. Chr. | Polyphrasmon | – |
468 v. Chr. | Sophokles | Triptolemos |
467 v. Chr. | Aischylos | Sieben gegen Theben |
463 v. Chr. | Aischylos | Die Schutzflehenden |
458 v. Chr. | Aischylos | Orestie |
449 v. Chr. | Herakleides | – |
442 v. Chr. | Sophokles | Antigone |
441 v. Chr. | Euripides | – |
431 v. Chr. | Euphorion Sohn des Aischylos |
– |
2. Platz | Sophokles | – |
3. Platz | Euripides | Medea |
428 v. Chr. | Euripides | Der bekränzte Hippolytos |
427 v. Chr. | Philokles Neffe des Aischylos |
– |
2. Platz | Sophokles | – |
415 v. Chr. | Xenokles | – |
409 v. Chr. | Sophokles | Philoktetes |
405 v. Chr. | Euripides | Die Bakchen |
401 v. Chr. | Sophokles | Ödipus auf Kolonos |
372 v. Chr. | Astydamas | – |
Sieger des Komödienagons | ||
Jahr | Dichter | Werk |
486 v. Chr. | Chionides | – |
472 v. Chr. | Magnes | – |
458 v. Chr. | Euphonios | – |
457 v. Chr. | Kratinos | – |
450 v. Chr. | Krates | – |
446 v. Chr. | Kallias | – |
um 445 v. Chr. | Telekleides | – |
437 v. Chr. | Pherekrates | – |
435 v. Chr. | Hermippos | – |
426 v. Chr. | Aristophanes | Die Babylonier |
425 v. Chr. | Eupolis | – |
423 v. Chr. | Kratinos | Die Flasche |
2. Platz | Ameipsias | Konnos |
3. Platz | Aristophanes | Die Wolken |
422 v. Chr. | Kantharos | – |
421 v. Chr. | Eupolis | Die Schmeichler |
2. Platz | Aristophanes | Der Frieden |
414 v. Chr. | Ameipsias | Komastai |
2. Platz | Aristophanes | Die Vögel |
3. Platz | Phrynichos | Der Einsiedler |
um 413 v. Chr. | Platon | – |
402 v. Chr. | Kephisodoros | – |
290 v. Chr. | Poseidippos | – |
278 v. Chr. | Philemon | – |
185 v. Chr. | Laines | – |
183 v. Chr. | Philemon | – |
154 v. Chr. | Chairion | – |
- Als Dionysien, auch Dionysia, werden die Feierlichkeiten in der Antike zu Ehren des Weingottes Dionysos bezeichnet. Insgesamt gibt es vier Feste, die um diesen Gott kreisen: die Kleinen / Ländlichen Dionysien im Dezember und Januar, die Lenäen im Januar und Februar und die Anthesterien im Februar und März sowie die Städtischen / Großen Dionysien im März und April.
- Gemeint sind mit dem Begriff vornehmlich die Städtischen Dionysien, die in Athen begangen wurden und vor allem durch Staatsmann Peisistratos vorangetrieben wurden. Peisistratos galt als ein Verehrer des Dionysos sowie der Athene. Sie dauerten insgesamt acht Tage an.
- Dieses Fest wurde von zahlreichen Riten und Umzügen begleitet. Der wesentliche Bestandteil der Feierlichkeiten waren allerdings die verschiedenen Wettkämpfe, die unter den Dichtern und Chorleitern ausgetragen wurden, die sogenannten Agone. Es traten dabei Dithyrambenchöre, Komödien- und Tragödiendichter gegeneinander an.