Memoiren

Als Memoiren werden die verschriftlichten Lebenserinnerungen einer Einzelperson bezeichnet, wobei die zeitgeschichtliche Entwicklung in einer Epoche erzählt wird, aber der Schwerpunkt immer auf die Sichtweise des Erlebenden gelegt wird. So sind Memoiren Denkwürdigkeiten oder Aufzeichnungen von selbsterlebten Begebenheiten. Im Gegensatz zur Chronik stellen Memoiren nicht eine Historie, sondern das persönlich Erlebte in den Vordergrund, im Unterschied zu der Autobiografie steht die soziale Rolle des Memoirenschreibers klar im Mittelpunkt, nicht der Werdegang des noch nicht sozialisierten Menschen. Die Identität des Verfassers ist somit in Memoiren bereits gefestigt.


Begriff & Nutzen

Der Begriff geht auf das französische Nomen memoire zurück, wobei er sich mit schriftliche Darlegung oder auch Denkschrift übersetzen lässt. Das französische Wort leitet sich vom lateinischen memoria ab, das sich mit Gedächtnis übersetzen lässt. Demnach verweist bereits die Übersetzung des Begriffs darauf, worum es grundsätzlich geht: nämlich um die schriftliche Darlegung von Erinnerungen [einer Person].

Idealerweise können solche Memoiren für die Geschichtswissenschaft ein wertvolles Zeugnis einer Epoche sein, wenn sie seriös erscheinen und folglich eine Art des Augenzeugenberichts darstellen. Allerdings sind die Fakten, die in solchen Lebenserinnerungen gebündelt werden, natürlich recht selten belegt oder mit Quellen versehen, weshalb Memoiren immer nur ein ergänzendes Medium der Geschichtsschreibung darstellen.
Beispielhafte Memoiren der Prinzessin Maria de la Paz von Bayern

Hinweis: Buchdeckel der Memoiren der María de la Paz, Prinzessin von Bayern, 1917


Merkmale von Memoiren

Kurzübersicht: Das Wichtigste zu den Merkmalen der Textsorte im Überblick


  • Memoiren sind die Lebenserinnerungen einer Person. Es geht also um selbsterlebte historische Ereignisse, wobei darüber hinaus das eigene Verhalten in Bezug auf die historischen Ereignisse dargestellt und mitunter gerechtfertigt wird. Häufig handeln solche verschriftlichten Erinnerungen vom Leben von Künstlern, Politikern sowie Stars, werden aber oft nicht von diesen, sondern von Ghostwritern verfasst. Teils wird die Veröffentlichung heute als mediales Ereignis inszeniert.
  • Im Mittelpunkt der Betrachtung steht folglich das Historische und wie ebendieses erlebt wurde. Demzufolge gerät die innere Entwicklung des Schreibenden in den Hintergrund, wohingegen Ungewöhnliches, Interessantes und Besonderes aus der Geschichte dargestellt wird.
  • Ein weiteres Merkmal ist die Chronologie der Darstellung. Memoiren werden somit linear erzählt, haben also einen Anfang und ein Ende, sind also ein zusammenhängender und chronologischer Bericht, wobei es in der literarischen Landschaft natürlich auch Abweichungen gibt.
  • Darüber hinaus zeichnen sich Memoiren oftmals durch einen eher lockeren Stil aus. Beinahe im Plauderton und mitunter unwesentliche Details hervorhebend, grenzt sich die Textsorte so von einer eher wissenschaftlichen Betrachtung der jeweiligen Ereignisse ab, wobei sie außerdem durch eine subjektive Färbung geprägt ist, die oft ein Wunschbild der Vergangenheit zeichnet.
  • Weil solche Lebenserinnerungen aus der Sicht einer bestimmten Person geschrieben sind, tritt logischerweise ein Ich-Erzähler auf, welcher äußere Abläufe bewertet sowie subjektiv beurteilt. Dennoch sind diese Schilderungen und Berichte des Erzählers nicht in jedem Fall authentisch und sollten in jedem Fall kritisch hinterfragt und mit weiteren Quellen verglichen werden.
  • Folglich sollte nicht nur weiteres Material zum Abgleich konsultiert werden, sondern außerdem die Zuverlässigkeit des Memoirenschreibers hinterfragt werden (Welche Rolle spielte dieser in jener Zeit? Welche Ziele könnten verfolgt werden? Könnte es einen Grund geben, warum Ereignisse falsch dargestellt werden oder nur die halbe Wahrheit abbilden?).
  • Solche Falschdarstellungen sind nicht zu unterschätzen. Als Beispiel kann hierfür ein Zeugnis des 20. Jahrhunderts angeführt werden: die Memoiren von Albert Speer. Albert Speer war ein deutscher Architekt, Rüstungsorganisator in der Zeit des Nationalsozialismus sowie ab 1942 Reichsminister für Bewaffnung und Munition. In seinen Erinnerungen (1969) schreibt Speer, nichts vom Holocaust – dem Völkermord an über 6 Millionen Menschen – gewusst zu haben. Allerdings können andere Quellen eindeutig das Gegenteil belegen.

  • Hinweis: Der Begriff ist ein sogenanntes Pluraletantum. Das bedeutet, dass Singular (Einzahl) und Plural (Mehrzahl) des Begriffs identisch sind, da es sich um ein Substantiv handelt, das ausschließlich im Plural verwendet wird. Somit heißt es im Singular und Plural „Memoiren“.

Ursprünge und Geschichte der Memoiren-Literatur

Ein erstmaliges Hoch der sogenannten Memoiren-Literatur lässt sich in Frankreich und England im 17. Jahrhunderts verorten. Hier waren es vor allem Adlige, die ihre Erinnerungen niederschrieben und so ein Bild von politischen Machtkämpfen, Intrigen oder historischen Begebenheiten schilderten. Diese Darstellungen haben für die Geschichtsschreibung der Neuzeit eine außerordentliche Relevanz.

Aber auch wenn die Hochzeit dieser Gattung in Europa zu verorten ist, gibt es bereits seit der Antike solcherlei Darstellungen. So zeigen beispielsweise die Memorabilien des griechischen Politikers, Feldherrs und Autors Xenophon (um 425 v. Chr. – nach 355 v. Chr) dessen vielfältige Erinnerungen an den Philosophen Sokrates.

Ferner können die Kommentare Caesars (100 v. Chr. – 44 v. Chr.) als Form der Lebenserinnerung betrachtet werden. In den historischen Abhandlungen Commentarii de bello Gallico (Kommentare über den Gallischen Krieg) schildert der römische Staatsmann die Erinnerungen an seine geführten Kriege, denen die jährlich abgefassten Dienstberichte an den Senat zugrunde lagen. Diese Schriften sind fast vollständig erhalten.

In der Geschichte lassen sich viele solcher Darstellungen ausmachen, wenngleich das Hoch dieser Gattung vor allem in Frankreich zu verorten ist. Bereits ab dem 14. Jahrhundert gab es hierbei erste Tendenzen, wobei vor allem die Schriften Jean de Joinvilles (Memoires De Messire Iean, Sire De Ionville, 1667) und Philippe de Commynes (Les memoires sur les principaux faicts et gestes de Louis onzieme et de Charles huitieme, 1524) angeführt werden müssen. Die genannten Werke wurden posthum – nach dem Tod des Autors – veröffentlicht.

Das Interesse der Leserschaft galt allerdings zumeist den Niederschriften von Staatmännern und ranghohen Militärs, weshalb beispielsweise die Memoiren des deutschen Reichgründers Otto von Bismarck (Gedanken und Erinnerungen, 1890) eine enorme Popularität erreichten. Dabei handelt es sich allerdings eher um eine Autobiografie, auch wenn die Grenzen natürlich fließend sind.

Aber auch politische Abläufe und historische Ereignisse, die für einen Großteil der Bevölkerung zur Zeit des Geschehens nicht zugänglich waren, haben große Spuren in der Memoiren-Literatur hinterlassen. Dabei können beispielsweise die Erinnerungen Winston Churchills an den Zweiten Weltkrieg in sechs Bänden (The Second World War, 1948 bis 1954) angeführt werden, für die der britische Staatsmann im Jahr 1953 sogar den Nobelpreis für Literatur erhielt oder die Memoiren Konrad Adenauers (Erinnerungen, 1945 – 1963).

Unterschied: Autobiografie, Chronik, Memoiren

  • Autobiografie: Im Vordergrund der Autobiografie steht der eigene Werdegang und die soziale Entwicklung des jeweiligen Verfassers. Der Kern der Betrachtungen ist demzufolge das eigene Leben und eben keine historischen Ereignisse, die erlebt wurden. Dennoch können solche Ereignisse natürlich im Leben des Verfassers eine Rolle gespielt haben, weshalb eine Grenzziehung mitunter sehr schwierig ist. Ein sehr bekanntes Beispiel ist das Werk Dichtung und Wahrheit des Dichters Johann Wolfgang von Goethe.

  • Chronik: Dei Chronik ist eine historische Prosadarstellung, die versucht, objektiv zu sein. Hierbei steht kein Verfasse im Vordergrund, sondern lediglich die genaue Abfolge bestimmter Ereignisse. Eine solche Chronik kann dabei nur aus einzelnen Datenlisten, aber auch aus ausführlichen Schilderungen bestehen. Als ein Beispiel kann die mittelalterliche Chronica maiora von Matthaeus Parisiensis genannt werden. Diese versucht, die Geschichte vom Anfang der Welt bis 1259 ausführlich und exakt darzustellen.

  • Memoiren: Sind die Erinnerungen einer Person zu bestimmten historischen Ereignissen. Hierbei liegt der Schwerpunkt immer auf der Sichtweise des Verfassers, der von interessanten oder auch ungewöhnlichen Begebenheiten berichtet. Der eigene Lebensweg ist kein wesentlicher Bestandteil der Memoiren.
Kurzübersicht: Das Wichtigste zum Begriff im Überblick


  • Als Memoiren werden die verschriftlichten Lebenserinnerungen einer Einzelperson bezeichnet, wobei die zeitgeschichtliche Entwicklung in einer Epoche erzählt wird, aber der Schwerpunkt immer auf die Sichtweise des Erlebenden gelegt wird. Sie sind demnach sehr subjektiv.
  • Die Memoiren-Literatur lässt sich bereits seit der Antike belegen, obweohl Ein Hoch der Gattung erst in Frankreich und England im 17. Jahrhundert zu verorten ist, wobei vor allem Adlige ihre Lebenserinnerungen niederschreiben. Heute sind es vornehmlich die Erinnerungen von Politikern, Künstlern und berühmten Personen, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
  • Die Darstellungen in solchen Erinnerungen sollten durch den Leser allerdings kritisch hinterfragt werden, denn auch wenn sie eine Art des Augenzeugenberichts darstellen, gibt es zahlreiche Beispiele für Falschdarstellungen sowie Texte, die er als Wunschbild der Vergangenheit zu deuten sind und in keinem Fall einer objektiven Darstellung entsprechen.