Als Silberne Latinität wird eine Epoche der lateinischen Literatur bezeichnet, die sich unmittelbar an die Goldene Latinität anschließt. Die Silberne Latinität wird in etwa auf die Jahre 17 n. Chr. bis 117 n. Chr. datiert, wobei der Endpunkt an den Tod des ersten römischen Kaisers Trajan geknüpft ist. Wurde die vorherige Epoche als golden bezeichnet, ist damit gemeint, dass die lateinische Literatur ihren sprachlichen Höhepunkt hatte, was sich in Prosa, Epik, Lyrik sowie in zahlreichen Elegien äußerte. Die nachfolgende Epoche, orientierte sich nun an den Erzeugnissen der Goldenen Latinität – nicht mehr an den klassischen griechischen Vorbildern – weshalb ihre Inhalte teils als gröber und das sprachliche und stilistische Niveau als niedriger bezeichnet werden.
Der Begriff offenbart ein häufiges Bewertungssystem, wie es beispielsweise auch durch die Medaillen im Sport gezeigt wird. Dabei gilt das Goldene als das Höchste und das Silberne als das Nachfolgende und somit Zweitplatzierte. Demnach werden die Erzeugnisse und Fähigkeiten der lateinischen Dichter zwischen 81. v. Chr. und 17. n. Chr. (Goldene Latinität) zum Ideal erhoben, wodurch das Bild vermittelt wird, dass spätere Werke diesen Zustand nicht erreichen. Eine solche Vorstellug ist dekadent (vgl. Fin de Siècle).
Geprägt ist diese Zeit durch eine zunehmende Rhetorisierung der literarischen Erzeugnisse. Die Prosa ist vor allem durch historische und philosophische Werke gekennzeichnet, wobei außerdem die Rhetorik und die Fachwissenschaften mit zahlreichen Werken gewürdigt werden. Die Dichtung wird von einer epigonalen Epik und zahlreichen Satiren durchzogen, wobei darüber hinaus das Epigramm und die Fabel wichtige Beiträge sind. Ferner nehmen die Tragödien des Dramatikers und Philosophen Senecas (1 – 65 n. Chr.) einen großen Stellenwert in der Silbernen Latinität ein.
Als sehr prägende Dichter und Denker gelten, Seneca, Velleius, Paterculus und Tacitus, die vor allem philosophische und historische Werke prägen. Quintilian, der als Meister der Rhetorik gilt, hob darüber hinaus die Wichtigkeit Ciceros für die gesamte lateinische Prosa in seinem Hauptwerk Institutio oratoria hervor, weshalb dieser als wesentliches Vorbild der Epoche galt. In der Epik sind vor allem Lukan und Silius zu nennen, wobei außerdem viele von Phaedrus‘ Fabeln und Martials Epigrammen überliefert sind.