Homo Faber

Einleitung

Der Roman Homo Faber von Max Frisch entstand während einer zweijährigen Arbeit zwischen 1955 und 1957. Er ist mit Ein Bericht unterschrieben und wird durch den Erzähler Walter Faber erzählt, der den Bericht in zwei Krankenhausaufenthalten in Caracas und Athen aufschreibt.

Bei dem Roman handelt es sich um Max Frisch zweiten großen Roman, der nach dem Roman Stiller geschrieben wurde. Der Roman folgt den Reiserouten Max Frischs während der Entstehungszeit des Romans. So befand sich Frisch zunächst 1956 in Italien, überquerte den Atlantik zu einer zweiten Amerikareise. Darauf hielt er sich in Mexiko und Kuba auf, bevor er sich 1957 in Griechenland aufhielt.


KURZE INHALTSANGABE


Im Zentrum der Handlung steht der 50jährige Ingenieur Walter Faber, der von seiner Jugendliebe Hanna Landsberg als Homo Faber bezeichnet wurde („technischer/handwerklicher Mensch“). Der Roman zeigt auf, inwiefern Fabers technisch-rationale Weltsicht an der Wirklichkeit und den Verstrickungen seines eigenen Lebens scheitert.

Zu Beginn des Romans ist der Ingenieur Faber durch den Absturz eines Flugzeugs an der Ausführung seiner Tätigkeit für die UNESCO gehindert. Er lernt den Bruder eines ehemaligen Freundes Joachim kennen und beschließt, seine Arbeit zu unterbrechen und Fragen aus seiner Vergangenheit zu klären. Faber erfährt, dass sein alter Freund Joachim Hanna geheiratet hat, findet ihn aber schließlich erhängt auf einer Farm in Guatemala.

Auf der Rückreise zurück nach Europa lässt sich Faber auf eine Liebesaffäre mit der sehr viel jüngeren Studentin Sabeth ein. Er begleitet die junge Studentin auf einer Reise durch Frankreich und Italien nach Griechenland, wo sie ihre Mutter besuchen möchte. Bald muss Faber erkennen, dass es sich bei dem Mädchen um seine eigene (ihm unbekannte) Tochter handelt. Bei Sabeths Mutter handelt es sich um Fabers Jugendfreundin Hanna. Bei einem tragischen Unfall kommt Sabeth ums Leben.

Im Krankenhaus begegnen sich Faber und Hanna. Er muss folglich mit der Schuld leben, nicht nur für den Tod Hannas verantwortlich zu sein, sondern auch noch ein inzestuöses Verhältnis eingegangen zu sein. In dieser Thematik erinnert Homo Faber in vielfacherweise an die Tragödie König Ödipus von Sophokles. Walter Faber wird oft als „moderner Ödipus“ bezeichnet. In der Folge ändert Faber unter dem Eindruck einer Reise nach Kuba sein gesamtes Leben. Er ist bescheidender und versucht, das Leben zu genießen. Es finden sich aber Hinweise, dass er an einem tödlichen Magerkrebs erkrankt ist.


Der Roman ist in zwei Teile gegliedert, die jeweils mit dem Nomen Station überschrieben sind. Der Untertitel Ein Bericht verweist darauf, dass der Roman aus der Sicht Fabers verfasst ist und immer bei einem der Aufenthalte im Krankenhaus geschrieben wurde.

Inhaltsangabe

ERSTE STATION


Ausgangspunkt ist ein Flugzeugabsturz im Norden von Mexiko. Ohne diesen hätte der erfolgreiche Ingenieur Walter Faber sich gar nicht auf die Fragen nach seiner Vergangenheit eingelassen. Faber lebt in New York, ist 50 Jahre alt und arbeitet für die UNESCO. In New York ist er von seiner Freundin Ivy gelangweilt, die ihn zu einer Hochzeit drängt.

Als das Flugzeug in der mexikanischen Region Tamaulipas abstürzt, müssen die Passagiere mehrere Tage auf Rettung warten. Hier kommen sich Faber und sein Mitreisender Herbert Hencke näher. Sie spielen zusammen Schach. Es stellt sich heraus, dass Hencke der Bruder von Fabers Jugendfreund Joachim ist. In seinem Studium war Faber noch mit einem Mädchen namens Hanna Landsberg zusammen. Jedoch trennte sich Hanna von ihm. Sie war schwanger und sagte Faber, dass sie das Kind abtreiben werde. Später heiratete sie eben jenen Joachim, dessen Bruder Faber nun in der Wüste Mexikos kennen lernte. Die Ehe zwischen Hanna und Joachim hielt nicht lang, so dass beide nun in unterschiedlichen Teilen der Welt leben. Da Joachim lange nichts mehr von sich hören ließ, möchte Hencke, der aus Düsseldorf stammt, seinen Bruder auf einer Tabakfarm in Guatemala besuchen.

Entschlussfreudig und spontan entscheidet sich Walter Faber dazu, seinen neuen Bekannten auf der Suche nach seinem Bruder zu begleiten. Obwohl Faber eigentlich dazu neigt, alle seine Aufträge exakt und pünktlich zu bearbeiten (so auch seinen Auftrag in Venezuela, wohin er eigentlich auf der Reise war), ist er nun von der Möglichkeit angetan, etwas über seine Vergangenheit zu erfahren. Ihn interessiert, warum Hanna ihn damals verließ und wo sie lebt. So begleitet er Herbert Hencke.

Auf abenteuerlichen Fahrten durch Schotterpisten und Wanderungen durch den Dschungel gelangen sie zur gesuchten Tabakplantage. Den gesuchten Freund und Bruder Joachim finden sie allerdings nicht lebendig vor: Er hat sich gerade erhängt, sie finden seine frische Leiche. Es scheint somit, dass Faber den Kontakt in seine Vergangenheit verloren hat. Er reist nach Venezuela und beendetet seinen Bauauftrag. Er kehrt nach New York zurück. Hier ist er wieder von seiner Freundin Ivy genervt. Innerlich hat er sich schon längst von ihr getrennt. Deswegen kommt ihm die Möglichkeit gerade recht, für eine Konferenz nach Paris zu reisen. Er beschließt, den Atlantik per Schiff zu überqueren.

Auf dem Schiff lernt Faber die junge Yale-Studentin Elisabeth Piper kennen, die nur nach der Endung ihres Vornamens Sabeth genannt wird. Erstaunlicherweise erinnert die junge Frau den sehr viel älteren Ingenieur Faber an seine Jugendliebe Hanna. Auf der langen Reise unterhalten sie sich viel, doch es kommt zu keinem näheren sexuellen Kontakt. Dennoch ist Faber von der jungen Blondine fasziniert. Kurz vor der Ankunft in Le Havre – es ist Fabers 50. Geburtstag – macht er Sabeth einen Heiratsantrag. Diese lehnt den Antrag weder ab noch bejaht sie ihn.

Als sich die beiden Reisenden in Paris zufällig wieder über den Weg laufen, ist der sonst so rational denkende Homo Faber vollkommen von seinem Wunsch überzeugt, der jungen Frau weiter zu folgen. Von nun an begleitet er Sabeth auf ihrem Weg nach Griechenland, wo sie ihre Mutter besuchen möchte. Nach einer Mondfinsternis im südfranzösischen Avignon kommt es zum Geschlechtsverkehr zwischen Sabeth und Faber, der ihr Vater sein könnte. Im weiteren Verlauf der Reise erfährt Faber, dass Sabeth die Tochter seiner früheren Freundin Hanna Landsberg ist, der Ex-Frau seines toten Freundes Joachim.

Obwohl Faber sich daran erinnert, dass Hanna bei ihrer Trennung von ihm schwanger war, verdrängt er die Vorstellung, dass er der Vater von Sabeth sein könnte. Er ist fest davon überzeugt, dass Hanna damals den geplanten Schwangerschaftsabbruch auch vollzogen hat. Er ist sehr von Sabeth angezogen und genießt darüber hinaus die Beziehung zu der sehr viel jüngeren Frau.

In Griechenland kommt es schließlich zu einer verhängnisvollen Katastrophe. Während Faber im Mittelmeer badet, wird Sabeth von einer Schlange gebissen. Als Faber nackt aus dem Wasser steigt, erschreckt sich Sabeth und stürzt. Dabei erleidet sie eine schwere Kopfverletzung. Als Sabeth jedoch in einem Athener Krankenhaus behandelt wird, verschweigt er den Sturz. Deswegen können die Ärzte eine innere Blutung im Gehirn nicht erkennen und verabreichen Sabeth nur ein Gegengift, das die Wirkung des Schlangenbiss lindern soll, weshalb Sabeth im Krankenhaus an der Kopfverletzung stirbt.

Im Krankenhaus trifft Faber schließlich auch seine ehemalige Freundin Hanna. Hier erhält er absolute Gewissheit darüber, dass er selbst der Vater des gerade verstorbenen Mädchens ist. Diese Entdeckungen bringt Fabers gesamtes Leben durcheinander. Er entschließt, seine Einstellungen zu ändern und New York zu verlassen. Er möchte Hanna heiraten und in Athen bleiben. Dennoch muss er noch nach Caracas, um das Bauprojekt zu beenden. In Venezuela plagen ihn starke Magenschmerzen. Im Krankenhaus beginnt er den Bericht zu verfassen, der diesen ersten Teil erzählt.


ZWEITE STATION


Der kürzere zweite Teil des Romans wird aus einem Hotelzimmer in Athen berichtet. Faber reflektiert sein Leben und verkündet seinen radikalen Lebenswandel, der unter anderem durch einen Aufenthalt in Kuba veranlasst wurde. Er möchte den bürgerlichen Lebensvorstellungen (Wohlstand, Disziplin, harte Arbeit, oberflächige Gewissenhaftigkeit) entsagen und das Leben mehr genießen.

Aus den Eindrücken von seiner Reise nach Kuba beschließt er, ein bescheideneres und einfacheres Leben als er es in New York geführt hat, zu leben. Er wünscht sich an der Seite von Hanna in Athen zu leben. Allerdings steht ihm eine Operation bevor und es ist unklar, ob er die Operation überleben wird.[/mks_tab_item]

Sprache

Der Roman Homo Faber ist formal in zwei Teile geteilt, die jeweils in einem Krankenhaus verfasst worden sind. Deswegen sind die Teile jeweils mit dem Nomen Station überschrieben, was sich auf die Krankenhausstation bezieht. In dieser Perspektive lässt sich auch der Untertitel des Romans Ein Bericht deuten, da Faber im diesem Werk vor allem von seinen letzten Lebenstationen berichtet.

Stilistisch ist die Sprache Fabers insbesondere durch seine Rollensprache geprägt. Das heißt, dass Faber vollkommen in seiner Rolle als Ingenieur aufgeht und sein Sprachgebrauch durch einen trockenen, nüchternen Nominalstil geprägt ist, der Fremdwörter und englische Vokabeln verwendet.

Im Laufe der Erzählung und der Entwicklung des Protagonisten entwickelt sich sein Sprachgebrauch: Am Ende des Romans berichtet Walter Faber weniger wie ein Ingenieur, sondern wie ein genussvoller Mensch, der sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreut und zu bildhaften Ausdrücken neigt.[/mks_tab_item]

Sonstiges

Gemeinhin wird angenommen, dass in Homo Faber die Krisensymptome des technischen Zeitalters dargelegt werden. Indem das rationale Weltbild des Ingenieurs Walter Faber durch die Ereignisse des Romans zerbricht, beweist sich das künstlerische Interesse des Schriftstellers Max Frisch für das Individuum. Es gehört in diesem Werk zur Dramatik des Stücks, dass Walter Faber nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das von Anderen zerstört.

Max Frisch

Der Schriftsteller Max Frisch wurde am 15. Mai 1911 in Zürich geboren. Ein Studium der Germanistik wurde von ihm 1933 abgebrochen. Stattdessen studierte er von 1936 bis 1941 Architektur.

Während des Zweiten Weltkriegs leistete Frisch einen Militärdienst. Allerdings konnte er bereits 1942 ein Architekturbüro in Zürich eröffnen. Ab der Mitte der 1950er gelang es Frisch, als freier Schriftsteller zu leben. Von 1960 bis 1965 lebte er in Rom. Danach zog er in das italienischsprachige Tessin (Südschweiz). Zu seinen bekanntesten Romanen zählen Homo Faber, Stiller und Mein Name sei Gantenbein. Frisch schrieb auch Dramen. Bekannt sind Andorra und Biedermann und die Brandstifter.


Stichwortverzeichnis