Als Botenbericht wird ein technisches Stil- sowie Hilfsmittel im Drama bezeichnet. Dieser Botenbericht meint den Umstand, dass eine Figur (Bote) die Handelnden des Werkes sowie den Zuschauer über ein zurückliegendes Geschehen in Kenntnis setzt. Dieses Ereignis ist für den weiteren Handlungsverlauf entscheidend, kann aber nicht auf der Bühne dargestellt werden; entweder weil die Situation zu komplex ist oder gegen Einheit von Ort, Zeit und Handlung verstoßen würde (siehe unten).
Ein solcher Botenbericht kommt demnach dann zum Einsatz, wenn etwas auf der Bühne gezeigt werden soll, was eigentlich nicht darstellbar wäre. Denkbar ist zum Beispiel ein großes Schlachtgetümmel, eine gewaltige Naturkatastrophe, eine brutale Hinrichtung oder auch ein pornografisches Szenario (vgl. Teichoskopie).
Jedoch hat die Form des Berichts noch ein weiteres Merkmal, was ursächlich für die häufige Verwendung im Drama ist: der Botenbericht macht es nämlich möglich, eine unmittelbare Reaktion auf ein Ereignis zu erleben. Indem der Bote die Nachricht überbringt, die bereits geschehen ist, erlaubt die Bühne nun eine direkte Reaktion der Handelnden. Demzufolge sind gleichzeitige Ereignisse beinahe darstellbar.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale des Botenberichtes
Übersicht: Die wesentlichen Merkmale des Botenberichtes
- Botenberichte dienen dazu, ein Geschehen zu vermitteln, das nicht unmittelbar gezeigt werden kann. Das kann verschiedene Gründe haben. Entweder wäre es zu kompliziert und würde den Rahmen einer Bühne sprengen oder es verstößt gegen die drei Aristotelischen Einheiten oder aber es geht darum, eine Art der Gleichzeitigkeit verschiedener Ereignisse zu zeigen.
- Oft ist der Bericht des Botens mit einem anderen Moment im Drama verknüpft. Beispielsweise wird durch das Berichtete die Peripetie (Wendepunkt) eingeleitet, die mit der Anagnorisis (das Wiedererkennen; das Erkennen der tatsächlichen Lage) verbunden sein kann. Weiterhin kann der Botenbericht unmittelbar das Schicksal des Protagonisten beeinflussen.
- Die Form des Botenberichtes ist meist eine Art Monolog des Boten. In einigen Fällen ist es auch ein Dialog. Hier geht es meist um ein Wechselspiel aus Frage und Antwort. Weiterhin ist das Element charakteristisch für ein geschlossenes Drama, das sich an den Forderungen der aristotelischen Poetik grundsätzlich orientiert.
Botenbericht und die drei Aristotelischen Einheiten
Die drei Aristotelischen Einheiten sind grundsätzliche Prinzipien oder auch Regeln, um ein Drama zu gestalten. Sie gehen auf Äußerungen zurück, die Aristoteles in seiner Poetik formulierte. Es geht darum, dass Zeit, Raum und Handlung im Drama einheitlich bleiben sollen. Es soll also keine Nebenhandlungen, Ortsveränderungen oder Zeitsprünge innerhalb des Werkes geben.
Natürlich stößt die Handlung, wenn sie strikt diesen Vorgaben folgt, schnell an ihre Grenzen. Deshalb wurden jede Menge Kniffe und Stilmittel erdacht, um eben diese Forderungen einhalten zu können und dennoch auf Nebenhandlungen oder Vorhergegangenes verweisen zu können. Hierbei kommt dem Botenbericht eine bedeutende Funktion zu. Dieser kann nämlich den Raum und außerdem die Zeit teilweise überbrücken.
Der eigentliche Kniff ist demnach, dass der Bote von einem Sachverhalt berichtet, der in der Vergangenheit und außerdem an einem anderen Ort stattgefunden hat. Da der Bote als Vermittler auftritt und die Handelnden im Augenblick darüber informiert, werden die Aristotelischen Einheiten eben nicht gebrochen.
Beispiel des Botenberichtes
In vielen Dramen kommt ein solcher Bericht zum Einsatz. Diese Botenberichte können allerdings sehr unterschiedlich ausfallen. Zur Veranschaulichung wollen wir auf ein ausgewähltes Beispiel schauen.
Es handelt sich um eine Szene aus der Antigone, einer Tragödie des griechischen Dichters Sophokles. In der dritten Szene tritt ein Bote vor Kreon, den Herrscher Thebens. Zuvor hatte Kreon untersagt, den Polyneikes, welcher gegen die Stadt Krieg führte, zu bestatten. Nun erfährt er durch den Boten, der von der Schlacht berichtet, dass genau das eingetroffen ist. Daraus ergibt sich die eigentliche Handlung der Tragödie.
Botenbericht in Antigone
DER BOTE:
Mein König, diesmal plaudr ich nicht, wie mich
Die othemlose Schnelle bring und wie
Sich leicht gehoben mir der Fuß. Denn öfters
Hielt mich die Sorg und wendet auf dem Wege
Mich um zur Rückkehr. Denn die Seele sang
Mir träumend viel. Wo gehst du hin, du Armer!
Wohin gelangt, gibst du die Rechenschaft?
Bleibst du zurück, Unglücklicher? so aber
Wird Kreon es von einem andern hören.
Wie kümmerst du deswegen denn dich nicht?
Derlei bedenkend, ging ich müßig langsam,
Und so wird auch ein kurzer Weg zum weiten.
Zuletzt hat freilich dies gesiegt, ich soll
Hieher, und wenn mein Sagen auch für nichts ist,
So sprech ich doch. Denn in der Hoffnung komm ich,
Es folge nur, dem, was ich tat, was not ist.
KREON:
Was gibt ’s, warum du so kleinmütig kommest?
DER BOTE:
Ich will dir alles nennen, was an mir ist,
Denn nicht getan hab ich ’s; weiß auch nicht, wer es tat.
Und nicht mit Recht würd ich in Strafe fallen.
KREON:
Du siehst dich wohl für. Hüllest ringsherum
Die Tat und scheinst zu deuten auf ein Neues.
DER BOTE:
Gewaltiges macht nämlich auch viel Mühe.
KREON:
So sag es itzt, und gehe wieder weiter!
DER BOTE:
Ich sag es dir. Es hat den Toten eben
Begraben eines, das entkam, die Haut zweimal
Mit Staub bestreut und, wie ’s geziemt, gefeiert.
KREON:
Was meinst du? wer hat dies sich unterfangen?
DER BOTE:
Undenklich. Nirgend war von einem Karst
Ein Schlag; und nicht der Stoß von einer Schaufel,
Und dicht das Land; der Boden ungegraben;
Von Rädern nicht befahren. Zeichenlos war
Der Meister, und wie das der erste Tagesblick
Anzeigte, kam ’s unhold uns all an, wie ein Wunder.
Nichts Feierlichs. Es war kein Grabmal nicht.
Nur zarter Staub, wie wenn man das Verbot
Gescheut.