Als Cantilène wird in der mittelalterlichen, französischen Literatur ein kurzes Gedicht bezeichnet, das für den gesungenen Vortrag gedacht war. Die Cantilène ist eine Abart der lateinischen Sequenz, die einen lyrischen, hymnenartigen Gesang beschreibt, der eine Textierung des gregorianischen Halleluja in der Kirchenmusik meint. Die Cantilène war zumeist ein Heiligenlied, das der Verehrung von Heiligen diente oder meinte lyrische Lieder, die ein fester Bestandteil der christlichen Liturgie waren. Seit dem 13. Jahrhundert wurden darüber hinaus allgemein weltliche Tanz-, Liebes-, Klage- oder Preislieder als Cantilène bezeichnet. Früher wurde davon ausgegangen, dass mit dem gleichem Begriff ebenso ein episch-lyrisches Heldenlied bezeichnet wurde, das ein Vorläufer des chanson de geste war, eine der ältesten erzählenden Gattungen der französischen Literatur – diese Vermutung wird heute bestritten.
Begriff und Beispiel
Der Begriff leitet sich vom französischen Nomen cantilène ab, das sich mit Singsang übersetzen lässt. Foglich verweist bereits die Übersetzung des Wortes darauf, worum es grundsätzlich dabei geht: nämlich um eine einfache Melodie, die jemand vor sich hin singt [und die zumeist einen Heiligen verehrt oder Bestandteil der christlichen Liturgie ist]. Als Beispiel kann die Cantilène de sainte Eulalie angeführt werden, welche im Deutschen auch als Eulalia-Sequenz bekannt ist und in etwa auf das Jahr 880 zu datieren ist.
Die Eulalia-Sequenz gilt als frühestes Beispiel französischer Hagiographie, also die Darstellung des Lebens eines Heiligen. Sie stammt von einem anonymen Verfasser (vgl. Adespota) und berichtet vom Martyrium der jungen Eulalia. Diese zog durch ihren christlichen Glauben den Zorn eines heidnischen Herrschers auf sich und sollte dafür bestraft werden. Doch anstatt sich zu beugen, vertraute sie auf Gott, woraufhin sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, um von ihrem Glauben abzukommen.
Aufgrund ihres festen Glaubens konnten ihr die Flammen allerdings nichts anhaben, weshalb ihr nun die Enthauptung mit dem Beil drohte. Die junge Eulalia wandte sich daraufhin an ihren Gott und bat darum, von ihm erlöst zu werden. Kurz bevor das Beil ihr Leben nahm, entsprang ihrem Mund ihre Seele in Gestalt einer Taube und flog gen Himmel. Die Dichtung endet mit einem kurzen Epilog, in dem Gott um Milde gebeten wird.
- Die Cantilène meint in der französischen, mittelalterlichen Literatur ein Gedicht, das zum gesungenen Vortrag gedacht war. Zu meist war ein solches Gedicht eine Art Heiligenlied und diente der Verehrung, weshalb es auch mitunter zum Bestandteil der christlichen Liturgie wurde.
- Seit dem 13. Jahrhundert werden teilweise aber weltliche Tanz-, Liebes-, Klage- oder Preislieder mit dem Begriff bezeichnet. Dann lässt sich das Wort am besten als eine Art des lyrischen Gesangs verstehen, der eher einfacher Natur ist und an Singsang erinnert.