In der literarischen Gattung der Epik gibt es einen Erzähler. Der Erzähler kann unterschiedliche Perspektiven einnehmen und somit beeinflussen, wie wir die Figurenwelt im Text wahrnehmen. Wir unterscheiden vier verschiedene Erzählperspektiven: die auktoriale, neutrale, personale und die Sonderform des Ich-Erzählers. Um die personale Erzählperspektive soll es nun gehen.
Ein personaler Erzähler schildert das Geschehen aus der Sicht einer oder mehrerer Figuren. Wechselt er zwischen verschiedenen Figuren, wird dies als Multiperspektive bezeichnet. Dabei schlüpft der personale Erzähler jedoch nicht in die Figur selbst, was bei einem Ich-Erzähler der Fall wäre, sondern berichtet dem Leser, was der jeweilige Charakter erlebt, sieht oder fühlt. Schauen wir dafür auf ein Beispiel.
K. wartete noch ein Weilchen, sah von seinem Kopfkissen aus die alte Frau, die ihm gegenüberwohnte und die ihn mit einer an ihr ganz ungewöhnlichen Neugierde beobachtete, dann aber, gleichzeitig befremdet und hungrig, läutete er. Sofort klopfte es und ein Mann, den er in dieser Wohnung noch niemals gesehen hatte, trat ein. Er war schlank und doch fest gebaut, er trug ein anliegendes schwarzes Kleid […]
Das obige Beispiel stammt aus Franz Kafkas unvollendetem Roman Der Prozess. Uns als Leser wird ein gewisser K. vorgestellt und die Tatsache, dass dieser noch ein Weilchen wartete. Weiterhin wird gezeigt, was K. sieht (gegenüberwohnende Frau) und das er läutet (um Frühstück zu bekommen). Der Umstand, dass daraufhin ein Mann ins Zimmer tritt, den der Protagonist noch nie gesehen hat, verweist nun ganz eindeutig auf den personalen Erzähler, der nur weiß, was die dargestellte Figur weiß.
K. weiß also nicht, wer der Mann ist und deshalb weiß es der Erzähler auch nicht. Würde er dem Leser Hintergrundinformationen zum Eintretenden geben, wüsste er mehr als die beteiligten Figuren, wäre allwissend und würde demzufolge als auktorialer Erzähler gelten.
Die farbigen Signalwörter zeigen an, dass der Erzähler personal ist. Die handelnde Person wird demzufolge bei ihrem Namen (K.) genannt oder durch die Personalpronomen er oder sie gekennzeichnet. Folglich gibt es kein Ich, das die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt, sondern nur einen Erzähler, der beschreibt.
Was kann ein personaler Erzähler?
Ein personaler Erzähler ist auf die Figur beschränkt, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Demzufolge kann er nicht wissen, was andere Figuren denken oder fühlen, wenn sie es dem Protagonisten nicht mitteilen oder der Erzähler in verschiedene Figuren schlüpft.
Das bedeutet, dass wir als Leser nur wissen, was die dargestellte Person weiß. Wir haben keine Ahnung, in welchem Verhältnis die einzelnen Figuren stehen, was in den Köpfen der anderen Rollen geschieht oder welche Ereignisse vor und nach der gezeigten Handlung liegen, wenn der Protagonist dies nicht erzählt.
Die Geschichte ist somit auf den Bewusstseinshorizont einer einzelnen Figur beschränkt. Deshalb eignet sich die personale Erzählsituation vornehmlich, um psychische Prozesse wiederzugeben. Das meint, dass Situationen, die zeigen, wie eine Person bewusst oder unbewusst auf ein Ereignis reagiert, idealerweise mittels eines personalen Erzählers dargestellt werden.
Problematisch ist, dass ein personaler Erzähler an die ausgewählte Person gebunden ist. Demzufolge kann die Erzählung mitunter monoton (langweilig, eintönig) erscheinen. Weiterhin ergeben sich für den Erzähler einige Schwierigkeiten, wenn die Erzählsituation festgelegt ist.
Das liegt darin begründet, dass es sehr schwierig ist, dem Leser bestimmte Hintergrundinformationen zu geben, die aber mitunter für die Geschichte wichtig sind, wie beispielsweise über den Ort oder die Zeit der Handlung. Ein möglicher Ausweg ist hier, die gewählte personale Erzählsituation zu verlassen und dem Leser kurzzeitig als auktorialer Erzähler zu begegnen oder in verschiedene Figuren zu schlüpfen.
Springt ein personaler Erzähler zwischen den einzelnen Figuren und erzählt die Geschichte somit durch unterschiedliche Charaktere, wird dies als Multiperspektive bezeichnet. Dies ist beispielsweise sehr häufig in Kriminalromanen der Fall, wenn einzelne Kapitel zwischen Täter, Opfer und Ermittler wechseln.
Was bewirkt ein personaler Erzähler?
Die personale Erzählsituation hat natürlich auch eine Wirkung auf den Leser. Außerdem gibt es meist einen Grund, warum sich der Autor für ein bestimmtes Erzählverhalten entschieden hat. Schauen wir auf die Gründe und die Wirkungsweise dieser Perspektive.
Im Gegensatz zur auktorialen Erzählsituation fehlt der personalen ein kommentierender oder wertender Erzähler. Dieser könnte uns beispielsweise verraten, ob dieses oder jenes, was die Figur denkt, der Wahrheit entspricht. Da dies aber nicht so ist, sind wir den Empfindungen der Figur ausgeliefert.
Das bedeutet, dass der personale Erzähler durchaus suggestiv erscheinen kann, da die erzählte Wirklichkeit enorm von den Empfindungen des Gemütszustandes der jeweiligen Person abhängt. Weiterhin sind wir auf die Wahrnehmung einer einzelnen (oder mehrerer) Figur beschränkt, wobei uns ein Blick auf das Innenleben anderer Figuren verwehrt bleibt.
- Ein personaler Erzähler bedient sich der Pronomen er und sie oder benennt die Figuren mit ihrem Namen. Grundsätzlich wäre auch ein es möglich, doch ist dies in der Literatur wirklich selten. Deshalb wird die Perspektive auch als Er / Sie – Perspektive bezeichnet.
- Das Ganze wirkt wie ein erzählerloses Erzählen, da es keine wertenden oder kommentierenden Aussagen gibt und wir lediglich die Perspektive einer Figur wahrnehmen. Die Wirklichkeit spiegelt sich somit im Bewusstsein der gezeigten Figur. Deshalb nennt man diese Reflektorfigur.
- Das erzählte Geschehen kann als personale Innensicht (Gedanken einer Figur) oder als personale Außensicht (Was tut die Figur?) gezeigt werden
- Ein Erzählverhalten, das auf das Reflektieren einer erzählten Welt verzichtet, wird als neutraler Erzähler bezeichnet. Das bedeutet, dass der Erzähler uns nur sichtbare Vorgänge zeigt, aber keinen Blick auf das Innere gewährt. Ähnlich wäre es, wenn wir einen Film ohne Ton schauen.
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