Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Das Drama Woyzeck von Georg Büchner wurde kurz vor Büchners Tod zwischen Juli und Oktober 1836 geschrieben. Büchner starb 1837. Das Drama konnte allerdings nie fertig gestellt werden und ist nur als Fragment erhalten.
Der Originaltext ist darüber hinaus in mehreren Entwürfen überliefert, deren Zusammenstellung nach einer Überarbeitung 1879 erstmals zur Veröffentlichung gelangten. Die Anordnung der einzelnen Szenen kann deswegen von Version zu Version und von Aufführung zu Aufführung variieren. Die Uraufführung des Stückes fand 1913 in München statt.
In dem Stück Woyzeck wird das Schicksal des mittellosen Soldaten Franz Woyzeck beschrieben, anhand dessen prekärer Existenz die gesellschaftlichen Missstände des Vormärz deutlich werden. Woyzeck wird sowohl von seinem Vorgesetzten als auch von einem sadistischen Doktor schikaniert, für den er gegen geringe Bezahlung medizinische Versuche an sich durchführen lässt.
Woyzecks Freundin Marie hat ein kleines Kind, weiß aber, dass ihr Freund nicht die beste Partie ist. Sie lässt sich auf eine Affäre mit einem stattlichen Tambourmajor ein, was Woyzeck so wütend macht, dass er seine Freundin Marie eines Nachts an einem See vor der Stadt umbringt. Woyzecks Eifersucht ist aber nicht der einzige Grund, warum er Marie umbringt.
Er ist durch den Stress seiner Lebenssituation und die Experimente des Arztes auch psychisch so angegriffen, dass er in Zusammenhang mit den Stimmen, die er immer wieder hört als schizophren bezeichnet werden kann.
Szenenübersicht
Das Stück „Woyzeck“ ist ein Fragment. Deswegen kann es keine richtige Reihenfolge der einzelnen Szenen geben, denn sie sind weder nummeriert noch in Akte aufgeteilt. Es gibt aber einzelne Szenenüberschriften anhand derer sich im Text orientiert werden kann.
Szene | Inhaltsangabe |
---|---|
Beim Hauptmann | Woyzeck rasiert seinen Hauptmann, für den er manchmal kleinere Aufgaben übernimmt. Zu Beginn der Szene schwadroniert der Hauptmann über die Zeit und Ewigkeit, wobei seine Erläuterungen tautologisch sind („Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. […] Ewig: das ist ewig, das ist ewig.“). Im Verlauf des Gesprächs nennt der Hauptmann Woyzeck dumm und beklagt, dass er keine Würde und keine Tugend hat. In seiner Antwort beruft sich Woyzeck auf die Natur und sagt, dass er nur ein „armer Kerl“ sei. |
Freies Feld die Stadt in der Ferne |
Woyzeck ist mit Andres vor der Stadt, sie schneiden Stecken. Woyzeck glaubt, Stimmen zu hören („Es geht hinter mir, unter mir.“) und ein Feuer über der Stadt zu sehen. Doch Andres beachtet Woyzeck nicht. Sie hören Trommeln. |
Die Stadt | In der Stadt findet eine Parade statt. Woyzecks Freundin Marie sieht den Tambourmajor („Was ein Mann, wie ein Baum!“), der sie grüßt. Von ihrer Nachbarin Margarete wird Marie auf ihre glänzenden Augen angesprochen. Später klopft Woyzeck ans Fenster. Marie findet, dass er verstört aussieht. Woyzeck muss wieder fort. |
Buden. Lichter. Volk. | Marie und Woyzeck sind auf einem Jahrmarkt und bestaunen einen Marktschreier (der einen Affen vorführt) und einen Budenbesitzer (der ein Pferd präsentiert). Während sich Woyzeck und Marie unterhalten lassen, wird Marie vom Tambourmajor und einem Unteroffizier beobachtet („Siehst du sie! Was ein Weibsbild!“). |
Mariens Kammer | Während Marie ihrem Kind ein Wiegenlied singt, betrachtet sie sich im Spiegel. Sie trägt zwei glänzende Ohrringe. Als Woyzeck eintritt, versucht sie die Ohrringe zu verstecken, doch Woyzeck sieht sie. Er hat aber keine Zeit und muss wieder fort. |
Beim Doktor | Um sich etwas Geld hinzu zu verdienen hat sich Woyzeck auf ein Geschäft mit dem Doktor eingelassen. Er ernährt sich nur von Erbsen, um ein ein wenig Geld zu erhalten, dass er an Marie gibt. Zu Beginn des Gesprächs mit dem Doktor, erwähnt dieser, dass er Woyzeck an eine Wand urinieren sah. Sie unterhalten sich über die Natur und den Freien Willen des Menschen, den Woyzeck verneint. Der Doktor behandelt Woyzeck sehr abfällig. |
Mariens Kammer | Zunächst wehrt sich Marie gegen die körperliche Annäherung des Tambourmajors, der sie spöttisch behandelt. Bald wird sie aber von ihrer Leidenschaft mitgerissen. |
Straße | Der Hauptmann und der Doktor unterhalten sich auf der Straße. Als Woyzeck vorbeikommt, versucht der Hauptmann über Woyzeck zu reden, um von sich abzulenken („Er läuft ja wie ein offnes Rasiermesser durch die Welt, man schneidt sich an Ihm.“). Der Hauptmann erzählt Woyzeck von der Affäre mit Marie („Wie is, Woyzeck, hat Er noch nicht ein Haar aus einem Bart in seiner Schüssel gefunden?“). Der Doktor beobachtet, dass sich Woyzecks Puls beschleunigt. |
Mariens Kammer | Woyzeck sieht Marie sehr genau an und versucht ihr die „Sünde“ anzusehen. Es kommt zum Streit an dessen Ende Woyzeck sagt: „Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ |
Die Wachstube | Woyzeck ist mit Andres zusammen. Andres singt während Woyzeck ihm zu erklären versucht, dass er keine Ruhe findet. Woyzeck flieht unruhig und möchte tanzen. |
Wirtshaus | Im Wirtshaus herrscht gute Laune. Woyzeck steht am Fenster und sieht Marie mit dem Tambourmajor vorbei tanzen. Er ist so schockiert, dass er in Ohnmacht fällt. Als er wieder aufwacht, rennt er davon. |
Freies Feld | Woyzeck ist vor der Stadt und hört Stimmen, die ihm raten, Marie umzubringen („Stich, stich die Zickwolfin tot!“). (Ein Zimmer in der Kaserne) Andres und Woyzeck teilen sich ein Bett. Woyzeck kann nicht schlafen, denn er hört immer noch die Geigen, zu denen Marie und der Tambourmajor getanzt haben. |
Der Hof des Doktors | Der Doktor unterrichtet Studenten. Zu diesem Zweck wirft er eine Katze vom Dach des Hauses, die von Woyzeck aufgefangen wird. Mehrmals demütigt der Doktor Woyzeck, der dem Arzt mitzuteilen versucht, dass es ihm nicht gut geht („ich hab’s zittern“, „mir wird dunkel“). Der Doktor sagt Woyzeck, noch ein paar Tage mit der Erbsendiät durch zu halten und fordert ihn auf, für die Studenten mit den Ohren zu wackeln. |
Kasernenhof | Andres berichtet Woyzeck vom Tambourmajor, der über die Schenkel von Woyzecks Freundin gesprochen hat. Woyzeck sagt, dass er von einem Messer geträumt hat. |
Wirtshaus | Im Wirtshaus kommt es zum Kampf zwischen dem betrunkenen Tambourmajor und Woyzeck. Woyzeck verliert und blutet. |
Kramladen | Woyzeck kauft von einem jüdischen Kaufmann ein Messer, da eine Pistole zu teuer für ihn ist. |
Mariens Kammer | Marie unterhält sich mit einem Narren und liest in der Bibel („Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch begriffen, und stelleten sie ins Mittel dar … Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht mehr!“) |
Kaserne | Woyzeck kramt in seinen Sachen und spricht mit Andres. Er zeigt Andres ein Papier, auf dem sein voller Name und sein Geburtsdatum steht. Andres meint, dass Woyzeck ins Lazarett gehört. |
Straße | Marie ist mit mehreren Kindern und einer Großmutter auf der Straße. Später kommt Woyzeck hinzu und sagt, dass sie fortgehen müssen („Marie, wir wollen gehn. ’s is Zeit.“) |
Waldsaum am Teich |
Marie und Woyzeck sind an einem Teich. Marie möchte zurück in die Stadt, aber Woyzeck lässt sie nicht. Er nennt ihren Atem „heißen Hurenatem“. Nach einem Schweigen sprechen sie über den blutroten Mond. Dann beginnt Woyzeck mit dem gekauften Messer auf Marie einzustecken („Nimm das und das! Kannst du nicht sterben?“). |
Wirtshaus | Woyzeck tanzt im Wirtshaus als Käthe an seiner Hand Blut entdeckt. Mehrere Leute stellen sich um ihn und sehen das Blut ebenfalls. Woyzeck läuft hinaus. |
Am Teich | Woyzeck ist zum Teich zurück gelaufen, weil er glaubt, das Messer könne ihn verraten. Er wirft das Messer in den Teich und versucht sich zu waschen. Es kommen aber Leute. |
Straße | Mehre Kinder laufen auf der Straße umher und teilen sich mit, dass eine Leiche gefunden wurde. |
Gerichtsdiener, Arzt und Richter | Der Gerichtsdiener beschreibt den Mord an Maries als „gut“, „echt“ und „schön“. Die Leiche wird als sensationell empfunden. |
Figurenkonstellation
Figuren (Übersicht)
Charakter | Erläuterungen |
---|---|
Woyzeck | Protagonist des Dramas |
Marie | Woyzecks Freundin |
Hauptmann | |
Doktor | |
Tamboumajour | |
Unteroffizier | |
Andres | |
Margret | |
Budenbesitzer | |
Marktschreier | |
Alter Mann mit Leierkasten | |
Jude | |
Wirt | |
Erster Handwerksbursch | |
Zweiter Handwerksbursch | |
Käthe | |
Narr Karl | |
Grossmutter | |
1., 2., 3. Kind | |
1., 2. Person | |
Polizeikommissar | |
Soldaten. Studenten. Burschen und Mädchen. Kinder. Volk |
Sonstiges
In der Verfilmung (1979) von Werner Herzog wird Woyzeck von dem Schauspieler Klaus Kinski gespielt. In dem Film gibt es eine Szene, in der das Leiden und die Verrücktheit der Figur Woyzecks anhand eines ausgiebigen Close Ups auf das Gesicht des Schauspielers deutlich wird.
In dieser viele dutzende Sekunden dauernden Einstellung wird der Versuch unternommen, dass im Dramen-Fragment nur vorstellbare innere Seelenleiden Woyzecks zu visualisieren. Einen anderen künstlerischen Versuch, das Leiden Woyzecks darzustellen, unternimmt der Komponist Alban Berg in seiner Oper „Wozzeck“ von 1921, in der zahlreiche disharmonische Töne die Verwirrung Woyzecks ausdrücken sollen.
Georg Büchner
Georg Büchner wurde 1813 in Goddelau im Großherzogtum Hessen geboren und kam als Sohn des Arztes Karl Ernst Büchner zur Welt. Er war das erste von acht Kindern, von denen jedoch zwei kurz nach der Geburt starben. Zu seinen Geschwistern zählen die bekannte Frauenrechtlerin Luise Büchner und der Fabrikant und Politiker Wilhelm Ludwig Büchner. Ab 1816 lebte die Familie in dem nicht weit entfernten Darmstadt.
Im Alter von elf Jahren wechselte Büchner an das neu-humanistische Pädagogium, von dessen Leiter Wilhelm Dilthey Büchner Latein Unterricht erhielt. Im Alter von 18 Jahren begann Büchner ein Studium der Medizin in Straßburg. Büchner interessierte sich bereits während seiner Schulzeit für den Freiheitskampf und seine Helden (so hielt er anlässlich einer Schulfeier eine Rede über Cato, der aus Protest gegen Cäsar und aus Liebe zur Freiheit im antiken Rom Selbstmord beging).
In Frankreich erlebte er das liberale Klima der Julirevolution von 1830. 1933 musste er allerdings wieder ins Großherzogtum Hessen zurückkehren und setzte sein Studium in Gießen fort. Aus Unzufriedenheit gegenüber den gesellschaftlichen Umständen gründete er mit einigen Freunden eine Geheimgesellschaft nach französischen Vorbild, die Gesellschaft für Menschenrechte. Im Juli wurde der Hessische Landbote gedruckt, eine radikal politische Streitschrift mit dem Motto „Friede den Hütten! Krieg den Palästen.“
Büchner geriet zunehmend in Konflikt mit den Autoritäten des Herzogtums, was dazu führte, dass er sich im März 1835 nach Straßburg flüchtete. Aus dieser Zeit datieren viele Texte Büchners, wie z.B. Dantons Tod, Lenz aber auch Leonce und Lena. Im Oktober 1836 zog Büchner nach Zürich, wo er an dem in Straßburg begonnenen Fragment Woyzeck weiterarbeitete, es aber nicht beenden konnte. In Zürich wurde ihm für eine Arbeit über das Nervensystem der Doktor der Philosophie verliehen.
Allerdings erkrankte Büchner an Typhus und starb im Alter von 23 Jahren im Exil. Obgleich seines frühen Todes zählt Büchner zu den bedeutendsten Schriftstellern deutscher Sprache. Seine Literatur ist durch eine sehr große Modernität gekennzeichnet, wodurch Büchner für viele später geborene Schriftsteller zu einem wichtigen Autor wurde. Der seit 1923 vergebene Georg-Büchner-Preis ist der wichtigste Preis der Deutschen Literatur.