Als Goldene Latinität wird eine Epoche der lateinischen Literatur bezeichnet. Ursprünglich wurden mit dem Begriff sämtliche lateinische Schriften, die bis zum Tod des Dichters Ovid (17 n. Chr.) entstanden, gekennzeichnet. Heutzutage wird diese Zeit auf die Jahre zwischen 81 v. Chr. bis 17. n. Chr. datiert. Wird ebendiese Epoche als golden bezeichnet, ist damit gemeint, dass die lateinische Literatur ihren sprachlichen Höhepunkt hatte, was sich in Prosa, Epik, Lyrik und in vielen Elegien sowie der Geschichtsschreibung äußerte. Die nachfolgende Epoche, die sich – so jedenfalls die Annahme – durch gröbere Inhalte und ein niedrigeres Sprachniveau auszeichnet, wird als Silberne Latinität bezeichnet. Hinter dieser Annahme steht eine Dekadenzvorstellung (vgl. Fin de Siècle).
Begriff & Autoren
Der Begriff erhebt die sprachlichen Fertigkeiten der lateinischen Dichter zwischen 81. v. Chr. und 17. n. Chr. zum Ideal und vermittelt dadurch das Bild, dass alle späteren Werke ebendiesen Zustand nicht mehr erreichen. Dekadent ist diese Vorstellung deshalb, da sämtliche Veränderungen und Abweichungen, die nicht diesem Ideal entsprechen, als minderwertiger und demnach als Niedergang gewertet werden.
Als wesentliche Autoren dieser Zeit gelten Cicero, Caesar, Sallust, Livius, Vergil sowie Horaz und Ovid (43 v. Chr.-17 n. Chr.). Laut Quintilian, einem römischen Lehrer der Rhetorik, galt Cicero in der lateinsichen Prosa als das Maß aller Dinge . Diese Annahme führt Quintilian in seinem Hauptwerk Institutio oratoria aus, wobei dies später von Petrarca ebenfalls unterstrichen wird. Ciceros Pendant in der Dichtkunst ist Vergil (70 v. Chr.-19 v. Chr.), dessen Sprache und stilistische Sicherheit lange als lyrische Vollendung gilt.
Das obige Beispiel-Bild zeigt wichtige Vertreter der Silbernen sowie Goldenen Latinität und markiert darüber hinaus die wesentlichen Jahreszahlen. Wesentlich ist allerdings, dass diese Datierungen fließend erscheinen. Das Ende der Goldenen Latinität wird in der Regel mit dem Tod Ovids markiert, wohingegen das Ende der Silbernen Latinität zumeist an den Tod Trajans 117. n. Chr. geknüpft wird.
Die Silberne Latinität bildet dann in der Folge den Übergang zur Literaturepoche der Spätantike, die in etwa zwischen dem 3. bis 6. Jahrhundert zu verorten ist. In den folgenden Jahrhunderten entfernte sich die lateinsiche Literatur immer weiter vom ciceronianischen Stil und demnach auch vom Ideal der Goldenen Latinität, wenngleich diese Bewertung von Qualität natürlich in höchstem Maße strittig ist.
Goldene Latinität: Prosa und Dichtung
Dichtung
- Lyrik (typisch sind alkäische / sapphische Strophen, vgl. Ode)
- Catull: Carmina 1–60
- Horaz: Oden, Carmen saeculare, Epoden
- Epos (typisch sind Hexameter und der große Umfang)
- Vergil: Aeneis (römisches Pendant zur Ilias und Odyssee von Homer), Georgica (Lehrepos)
- Lukrez: De Rerum Natura (Lehrepos, erinnert an Hesiods Theogonie)
- Ovid: Metamorphosen (Konkurrenz zu Vergils Aeneis), Ars Amatoria (ironisches Lehrepos)
- Catull: Carmen 64 (Epyllion, Kleinepos)
- Bukolik (Hirtendichtung, typisch ist das daktylische Versmaß)
- Vergil: Eklogen
- Epigramme (zumeist elegische Distichen)
- Catull: Carmina 69–116
- Satire
- Horaz: Satiren, Epistula (auch Kunstbrief)
- Varro: Satiren
- Elegie / Elegiendichter
- Catull: Carmina 1–60 (darunter einige elegische Lesbiagedichte)
- Gallus: Liebeselegien an Lycoris
- Ovid: Amores, Heroides
- Sulpicia die Ältere
- Tibull
- Properz
Prosa
- Cicero (Seine Werke gelten als richtungsweisend, Auswahl)
- Reden: In Catilinam, In Verrem, Pro Milone, Pro Roscio Comodeo, Pro Sexto Roscio
- Philosophie: De Re Publica, De Officiis, „De natura deorum“
- Staat / Politik: De re publica
- Rhetorische Schriften: De oratore, Orator
- Briefe: ad Familiares, ad Brutum, ad Quintum Fratrem, ad Atticum
- Historisches (Geschichte, Kriege, Biografien, vgl. Annalen)
- Nepos: De Viris Illustribus
- Caesar: De Bello Gallico, De Bello Civili
- Sallust: De Coniuratione Catilinae, Bellum Iugurthinum
- Livius: Ab Urbe Condita
- Fachliteratur (Abhandlungen)
- Caesar: De Analogia (Sprachwissenschaft)
- Hyginus: De Astronomia
- Varro: De Lingua Latina (Sprachwissenschaft), De Re Rustica (Landwirtschaft)
- Vitruv: De Architectura