Der Hexameter ist ein antiker Vers aus sechs Versfüßen, deren letzter um eine Silbe verkürzt ist. Grundsätzlich besteht der Hexameter aus Daktylen (Hebung und zwei Senkungen), die jedoch in antiken Versen teils durch einen Spondeus (zwei Hebungen) ersetzt wurden, um Eintönigkeit zu vermeiden. Da der sechshebige Hexameter um die letzte Silbe gekürzt wird, ist der letzte Versfuß unvollständig, also katalektisch, und endet meist unbetont (→ weibliche Kadenz).
Inhaltsverzeichnis
Begriff & Beispiel
Der Begriff lässt sich aus dem Griechischen ableiten (ἑξάμετρον ~ hexámetron) und ungefähr mit Sechsmaß übersetzen. Diese Übersetzung gibt uns die ersten Hinweise, worum es bei diesem Vers geht: nämlich um eine sechshebige Verszeile [die aus Daktylen besteht und katalektisch ist]. Schauen wir auf ein Beispiel.
Welcher so | weit ge irrt | nach der | heili gen | Troja Zer | störung
Im obigen Beispiel haben wir die Senkungen und Hebungen farblich markiert und die einzelnen Versfüße voneinander abgegrenzt (|), so dass ersichtlich wird, dass der Daktylus (betont, unbetont, unbetont) dabei zwar der bestimmende Versfuß ist, doch in beiden Versen einmalig durch den Spondeus ersetzt wird.
Folglich unterscheiden sich die beiden Verse metrisch kaum und sind einfach als Hexameter zu erkennen. Nur im dritten und vierten Versfuß weichen sie leicht von dieser Struktur ab, weil dort das rein daktylische Schema durch den Spondeus unterbrochen wird. Das bedeutet, dass anstelle einer betonten und zweier unbetonter Silben lediglich zwei betonte Silben im Vers stehen (viel – ge und nach – der).
– υ υ | – υ υ | – – | – υ υ | – υ υ | – υ
Noch deutlicher tritt der Hexameter hervor, wenn wir uns auf die Angabe der einzelnen Hebungen und Senkungen beschränken. Ersichtlich wird dabei außerdem, dass die beiden Verszeilen in puncto Betonung bis zum dritten Versfuß identisch sind, wobei auch die letzten beiden Versfüße deckungsgleich sind.
Außerdem können wir ganz eindeutig erkennen, dass der letzte Daktylus unvollständig, also katalektisch ist, weil er lediglich aus zwei Silben gebildet wird. Folglich fehlt im klassischen Hexameter die letzte unbetonte Silbe, um akatalektisch, also vollständig, zu erscheinen. Dies ist ein Merkmal eines solchen Hexameters.
Der Spondeus, der im obigen Ausschnitt vorgestellt wird, gehört dabei nicht zu den vier Grundmetren der akzentuierenden Metrik, da es ihn im Deutschen eigentlich nicht gibt. Denn auch Wörter, die aus zwei betonten Silben bestehen, legen eine stärkere Betonung auf eines der beiden. Demnach ist der vorangegangene Abschnitt lediglich als eingedeutschte Variante für den Hexameter zu verstehen.
Die letzte Silbe im Hexameter
Wie bereits beschrieben, wird der Hexameter aus daktylischen Versfüßen gebildet, die durch einen Spondeus ersetzt werden können. Der letzte Versfuß ist im Hexameter unvollständig.
Unvollständig heißt hierbei, dass eine Silbe fehlt, so dass ein vollständiger Daktylus enstehen könnte. Dies kann man in den obigen Beispielen schon recht gut nachvollziehen. Folglich besteht der letzte Versfuß im Hexameter aus einer betonten und einer unbetonten Silbe, da die letzte fehlt.
Allerdings kann der letzte Versfuß im Hexameter, wie auch alle anderen, ebenfalls ein Spondeus sein und somit aus zwei betonten Silben gebildet werden. Das bedeutet, dass die letzte Silbe des Hexameters entweder unbetont (wenn Versfuß daktylisch) oder betont (wenn spondeischer Versfuß) sein kann.
Folglich gibt es zwei Möglichkeiten, wie die letzte Silbe im Vers betont wird. Diesen Umstand nennt man in der Metrik syllaba anceps, was mit einem x gekennzeichnet wird. Der Aufbau des Hexameters sieht folglich, wenn diese Tatsache berücksichtigt wird, folgendermaßen aus:
Die Zäsur im Hexameter
Als Zäsur wird ganz allgemein ein (gedanklicher) Einschnitt in einer Verszeile beschrieben. Von Zäsuren spricht man also, wenn beim Lesen eines Verses eine (Sprech-)Pause gemacht wird, wodurch sie einen Vers in Sprecheinheiten (Kola) gliedert und rhythmisiert.
Im strengen Sinne meint die Zäsur aber nur einen Einschnitt, wenn ein Wortende nicht mit dem Ende des Versfußes zusammenfällt, sondern inmitten eines Versfußes ein Wort aufhört und ein anderes beginnt. Im Hexameter gibt es grundsätzlich drei mögliche und häufige Zäsuren.
Hinweis: Für die nachfolgenden Erklärungen ist das Verständnis des Begriffs Halbfuß wichtig. Dabei gilt entweder eine betonte Silbe (Länge) oder zwei unbetonte Silben (Kürzen) als Halbfuß. Somit besteht beispielsweise ein Daktylus, der aus drei Silben besteht (1 Länge, 2 Kürzen), aus zwei Halbfüßen.
Die häufigste Zäsur im Hexameter, Penthemimeres genannt, findet sich nach der dritten Hebung, also nach dem fünften Halbfuß der jeweiligen Verszeile (daher der Name; Pent ~ fünf).
Der Einschnitt erfolgt im Beispiel nach dem fünften Halbfuß, also hierbei nach drei Hebungen und eben vier Senkungen. Die Zäsur wurde farblich hervorgehoben (||) und fällt deutlich inmitten des Versfußes. Folglich haben wir es dabei mit einem Penthemimeres zu tun, der in der Dichtung recht häufig ist.
Neben dem Penthemimeres kommt oftmals die bukolische Dihärese als einschneidendes Element zur Geltung. Hierbei erfolgt der sprachliche Einschnitt der Zäsur nach dem vierten Versfuß.
Die bukolische Dihärese ist vor allem in der Hirtendichtung verbreitet, woher auch ihre Bezeichnung kommt (Bukol ~ Rinderhirt) und gilt als besonders charakteristisch für diese Art der Dichtung. Wird der Hexameter mit einer solchen Dihärese versehen, erhält der Teil nach dem Einschnitt die Form eines Versus Adoneus. Das bedeutet, dass auf eine Länge zwei Kürzen, eine Länge und eine lange oder kurze Silbe folgen.
Weiterhin finden wir häufig Zäsuren nach dem 3. Halbfuß (Trithemimeres) und nach der 4. Hebung, also nach dem 7. Halbfuß (Hephthemimeres). Beide treten meist gemeinsam auf.
Tritt der Hephthemimeres gemeinsam mit einem Trithemimeres auf, wird der Trithemimeres sehr häufig zur Hauptzäsur des Verses und der Hephthemimeres zur Nebenzäsur. Diese Zäsuren treten in der Dichtung in der Regel gemeinsam auf. Meist dann, wenn eben kein Penthemimeres im Hexameter vorliegt.
Der Hexameter in der deutschen Dichtung
Wie beschrieben, stammt der Hexameter ursprünglich aus der lateinischen Dichtung und diente zahlreichen römischen Dichtern zur Gestaltung literarischer Textzeilen. Auch für die deutsche Dichtung war der Hexameter entscheidend, wurde jedoch teils an das Deutsche angepasst.
Der wesentliche Unterschied ist, dass sich das Griechische und Lateinische an einer quantitierenden Metrik orientiert und germanische Sprachen eine akzentuierende Metrik haben. Das bedeutet, dass Verse nicht in Längen und Kürzen unterteilt werden, sondern in betonte und unbetonte Silben. Wir sprechen somit eine Akzentsprache, weshalb die Abstände zwischen den betonten Silben nicht absolut gleich lang sind.
Es ist folglich schwierig, ein Versmaß, wie es der Hexameter ist, nahtlos ins Deutsche zu übertragen. Vor allem in puncto Spondeus gibt es im Deutschen eigentlich keine wirkliche Entsprechung, denn sogar bei Wörtern, die aus zwei betonten Silben bestehen (Vollmond), wird die eine der beiden stärker betont.
Demnach wird der Hexameter im Deutschen den Gegebenheiten unserer Sprache angepasst, weshalb einige Daktylen, anstatt durch einen Spondeus, mit einem Trochäus gewechselt werden. An dieser Form orientierte sich erstmals Friedrich Gottlieb Klopstock mit dem erfolgreichen Epos Messias (1748-1773), welches durchgängig in Hexametern verfasst wurde.
Zwar wurde Klopstock für diesen freien Umgang von einigen Dichtern kritisiert, vor allem von Johann Christoph Gottsched, doch setzte sich seine Variation des Hexameters letzten Endes in der deutschen Dichtung durch, da der Trochäus eine einfachere Handhabung des Versmaßes möglich machte.
Bekannte Vertreter, die sich an dieser Form des Hexameters orientieren, sind hierbei Johann Wolfgang von Goethes Werke Reineke Fuchs (1794), Hermann und Dorothea (1797) sowie Achilleis (1808). Weiterhin finden sich in Friedrich von Schillers Lyrik zahlreiche Hexameter, die der Klopstockschen Form ähneln.
- Der Hexameter ist eine antike Verszeile, die sechshebig ist und aus Daktylen gebildet wird. Der Hexameter ist stets um die letzte Silbe verkürzt, was bedeutet, dass er zu den katalektischen Versmaßen gezählt werden muss.
- Der durchgängige Daktylus kann aber durch einen Spondeus ersetzt werden, um einen eintönigen Klang zu vermeiden oder das Werk dynamischer erscheinen zu lassen. Meistens wird der dritte oder vierte Versfuß durch den Spondeus ersetzt, was vor allem bei den bedeutenden römischen Dichtern Horaz, Ovid und Vergil gang und gäbe ist.
- Mitunter, wenn auch ganz selten, taucht der Spondeus aber auch im fünften Versfuß auf. Ist das so, spricht man von einem versus spondiacus (Latein) oder einem Spondeiazon (Griechisch).
- Die letzte Silbe im Hexameter wird als syllaba anceps bezeichnet. Das bedeutet, dass sie entweder betont oder unbetont sein kann, wobei das Versmaß selbst keine Vorgabe macht.
- Wird der Hexameter ausschließlich aus Daktylen gebildet, bezeichnen wir dies als Holodaktylen, wird er hingegen ausschließlich spondeeisch gebildet, wird dies als Holospondeen bezeichnet. Beide Formen sind allerdings eher selten anzutreffen, da Daktylus und Spondeus meist in der Kombination den Hexameter bilden („Holo“ bedeutet „ganz“, hierbei aber eher „durchgängig“).
- In der deutschen Dichtung wurde der Hexameter meist den Gegebenheiten der deutschen Sprache angepasst. Das bedeutet, dass anstelle eines Spondeus oftmals ein Trochäus eingesetzt wurde, da es kaum Spondeen im Deutschen gibt.
- Charakterisitisch ist der Hexameter außerdem für die Elegie und das Epigramm. Hierbei taucht er in der Verbindung mit einem Pentameter auf. Diese Einheit wird als Distichon bezeichnet.
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