Das Distichon ist ein Zweizeiler, wobei der erste Vers ein Hexameter ist und die zweite Zeile aus einem Pentameter besteht. Es gibt grundsätzlich zwei Gedichtformen, die durch das Distichon gekennzeichnet sind: das Epigramm und die Elegie. Das Epigramm besteht meist aus einem Distichon, wohingegen die Elegie aus der Reihung mehrerer Distichen gebildet wird.
Begriff & Beispiele
Der Begriff stammt aus dem Griechischen (δι ~ di für zwei; στίχος ~ stíchos für Zeile) und lässt sich in etwa mit Zweizeiler übersetzen. Das Distichon besteht demnach aus zwei Versen, die eine untrennbare Einheit bilden. Schauen wir auf ein Beispiel, wobei die Hebungen und Senkungen des Distichons markiert sind:
– υ υ | – υ υ | – || – υ υ | – υ υ | – (Pentameter)
Das Beispiel zeigt den Aufbau der Verse. Es ist ersichtlich, dass der Hexameter aus einem sechshebigen Daktylus gebildet wird, wobei der letzte Versfuß nicht vollständig ist. Die grüne Markierung gibt an, dass die letzte Silbe betont oder unbetont sein kann, was als Syllaba anceps bezeichnet wird. Der Pentameter wird auch aus Daktylen gebildet. Allerdings entfallen nach der dritten und sechsten Hebung die Senkungen, weshalb es zum Hebungsprall kommt, weil zwei betonte Silben aufeinanderfolgen (→ Zäsur).
Die Versfüße wurden durch ein Symbol (|) voneinander getrennt, um sie besser unterscheiden zu können. Schauen wir uns das Ganze nun in der Praxis, also in der Literatur an. Nutzen wir dafür ein Verspaar, das meist im Zusammenhang mit dem Distichon gebraucht wird, weil es außerdem ein Merkvers für dieses ist.
Im Pentame ter drauf fällt sie melodisch herab.
Das obige Beispiel stammt von Friedrich Schiller und trägt den Titel Distichon. In zahlreichen Quellen kann man diesen Merkvers finden, ohne dass er genauer erläutert wird. Fehlt dies jedoch, ist er im Eigentlichen unverständlich und sorgt für Folgefehler. Schauen wir uns deshalb beide Verszeilen genauer an.
Der Hexameter ist ein antiker Vers bestehend aus sechs Versfüßen. Diese Versfüße sind grundsätzlich Daktylen, also eine Hebung und zwei Senkungen. Der Hexameter ist somit die Reihung von sechs Daktylen. Um Eintönigkeit zu vermeiden, wurden in der Antike mitunter einige dieser Daktylen durch einen Spondeus ersetzt, der aus zwei Hebungen gebildet wird (siehe dazu: Hexameter).
Wichtig ist nun, dass das Griechische oder auch Lateinische auf einer quantitierenden Metrik beruht. Das bedeutet, dass das Versmaß durch Hebungen und Senkungen, also lange und kurze Silben, angegeben wird. Hierbei kann eine Länge durch zwei Kürzen ersetzt werden. Es ist somit denkbar, dass ein Daktylus durch den Spondeus ersetzt wird. Ein Hexameter kann somit aus Spondeen und Daktylen bestehen.
Im Deutschen ist der Spondeus allerdings selten. Weiterhin hat das Deutsche eine akzentuierende Metrik, das heißt, dass wir Silben nicht aufgrund ihrer Länge bemessen, sondern in betonte und unbetonte Silben unterteilen. Deshalb wurde der Hexameter den Gegebenheiten der deutschen Sprache angepasst, was heißt, dass anstatt des Spondeus der Trochäus genutzt wurde, also eine betonte und unbetonte Silbe.
Schauen wir nun auf den ersten Vers von Schiller, der einen Hexameter darstellen soll, wird auch klar, wie das funktionieren kann. Die ersten beiden Silben sind hierbei ein Trochäus, darauf folgt ein Daktylus, dann wieder zwei Trochäen, wieder zwei Daktylen, wobei der letzte katalektisch, also nicht vollständig ist:
– υ | – υ υ | – υ | – υ | –υ υ | – υ
Es sollte ersichtlich werden, wie die einzelnen Versfüße voneinander getrennt werden (|) und außerdem, dass Schiller insgesamt drei Daktylen durch Trochäen ersetzt hat. Der Hexameter besteht somit immer noch aus sechs Versfüßen und die Betonung geht auf. Widmen wir uns dem Pentameter des Distichons.
Der Pentameter ist metrisch ein wenig strenger definiert. Grundsätzlich wird er allerdings ebenso aus Daktylen gebildet, wobei nach der dritten Hebung, also nach nach siebenten Silbe die beiden Senkungen fehlen, wodurch eine Zäsur ( || ) entsteht. Gleiches gilt für das Ende, auch hier gibt es nur eine Hebung.
Allerdings gilt dabei das Gleiche, wie im Zusammenhang mit dem Hexameter beschrieben: die einzelnen Daktylen können durch Spondeen ersetzt werden. In der deutschen Nachahmung, also auch in Schillers Beispielvers, können dies aber auch Trochäen sein. Schauen wir nun erneut auf die zweite Verszeile in Schillers Distichon und trennen die Versfüße optisch voneinander, ergibt sich das folgende Bild:
– υ | – υ υ | – || – υ υ | – υ υ | –
Friedrich Schiller ersetzt also den ersten Daktylus durch einen Trochäus. Diesem folgt ein Daktylus, eine Hebung, zwei Daktylen und noch eine Hebung. Demzufolge kann diese Verszeile als Pentameter identifiziert werden, wofür außerdem der Hebungsprall nach der dritten Hebung charakteristisch ist. Das Werk ist also selbst ein Distichon, auch wenn es auf den ersten Blick gar nicht so scheint. Es ist somit ein Merkvers.
Im Pen | tame ter | dráuf || lässt er sie | wieder he | raus.
Dieses Distichon stammt von Matthias Claudius, einem deutschen Dichter und Journalist, der vornehmlich in der Empfindsamkeit wirkte (→ Literaturepochen). Es ist zwar eine Parodie des vorherigen Verspaars und dennoch kann diese ebenfalls als Beispiel und Merkvers für den Aufbau des antiken Distichons gelten.
Hinweis: Wichtig ist also, dass das Distichon mitunter schwierig zu erkennen ist. Es muss nämlich stets angenommen werden, dass der Daktylus durch einen Spondeus oder einen Trochäus ersetzt wurde.
- Das Distichon ist ein antiker Zweizeiler, der aus einem Hexameter und einem Pentameter besteht. Grundsätzlich werden diese aus Daktylen gebildet. Wichtig ist allerdings, dass diese daktylischen Versfüße durch Spondeen und in der deutschen Dichtung durch Trochäen ersetzt werden können. Charakteristisch ist beim Pentameter dennoch der Hebungsprall.
- Das Distichon ist vor allem für zwei Gedichtformen charakteristisch: nämlich für das Epigramm und die Elegie. Beide Formen lassen sich kaum voneinander unterscheiden. Allerdings ist das Epigramm meist nur ein Verspaar, wohingegen die Elegie aus mehreren Strophen und somit auch aus mehreren Distichen besteht. Hierbei spricht man von elegischen Distichen.
- Hinweis: Weitere Beispiel für den Distichon finden Sie im Beitrag zur Elegie. Dabei sind alle angeführten Beispiele ausschließlich elegische Distichen. Achten Sie aber auf die Versfüße.