Kreuzreim

Als Kreuzreim wird ein Reimschema in der Lyrik bezeichnet, welches neben Paarreim, Haufenreim und Schweifreim eines der bekanntesten Reimschemata überhaupt darstellt. Der Kreuzreim begegnet uns in zahlreichen Gedichten und Gedichtformen sämtlicher literarischen Epochen und existiert in diversen Abwandlungen, die das Reimschema teilweise variieren.


Aufbau & Beispiele

Im Kreuzreim wird eine Zeile mit dem übernächsten Vers gereimt. Das bedeutet, dass sich die Endreime einer Strophe nur alle zwei Verse aufeinander reimen. Die Reime wechseln sich ab, was als alternierend bezeichnet wird. Das Reimschema im Kreuzreim ist demnach abab (cdcd, efef usw.).

Beispielsweise reimen sich die Wörter keiner und reiner oder geschneit und Winterzeit. Würden diese Wörter innerhalb einer Strophe im jeweils übernächsten Vers den Abschluss bilden, wäre das ein Kreuzreim. Schauen wir dafür auf ein beispielhaftes Gedicht von Friedrich Rückert:


Ein Winter war’s und keiner,
Denn es hat nicht geschneit.
O Schnee, du glänzend reiner,
Machest die Winterzeit.

Wir können anhand der unterstrichenen Silben nun nachvollziehen, welche Endungen sich in unserem Beispiel reimen und folglich einen Endreim bilden. Das bedeutet, dass sie sehr ähnlich klingen. Allerdings reimen sich nur die Wörter keiner und reiner und geschneit und Winterzeit aufeinander. Das können wir farblich markieren, um das Reimschema eindeutig zu kennzeichnen.


Ein Winter war’s und keiner,
Denn es hat nicht geschneit.
O Schnee, du glänzend reiner,
Machest die Winterzeit.
Hinweis: Da wir die einzelnen Zeilen nun farblich hervorgehoben haben, tritt der offenkundige Endreim sehr deutlich hervor. Man könnte auch schreiben, dass die Reime gewissermaßen ineinander verkreuzt sind, wenn sie die Abfolge rot, grün und rot, grün beschreiben. Die Farben (Reime) wechseln sich also ab.

Das Reimschema im Kreuzreim

Nun hat man sich allerdings in der Wissenschaft darauf geeinigt, dass solche Abfolgen nicht mithilfe von Farben angezeigt, sondern durch Buchstaben dargestellt werden.

Dabei beginnen wir einfach beim ersten Buchstaben des Alphabets, also beim a, und setzen dann für jeden neuen Reim, der uns begegnet, den nächsten Buchstaben ein. Wählen wir also für unsere rote Markierung das A und für das Grüne ein B. Zumeist werden aber Kleinbuchstaben verwendet.


a
b
a
b
Ein Winter war’s und keiner,
Denn es hat nicht geschneit.
O Schnee, du glänzend reiner,
Machest die Winterzeit.
Nun sehen wir recht deutlich, wie sich die einzelnen Silben gewissermaßen kreuzen und abwechseln. Das obige Schema bildet dabei ursprünglichen und ebenso gewöhnlichen Kreuzreim. Allerdings gibt es noch einige besondere Abwandlungen des Endreims.

Buchstaben im Kreuzreim fortführen

Hätten wir es nun mit einem längeren Gedicht zu tun, würden wir die Endreime fortlaufend markieren. Das bedeutet, dass wir immer einen neuen Buchstaben einsetzen, wenn uns ein neuer Reim im lyrischen Text begegnet. Das könnte in etwa folgendermaßen aussehen:


a
b
a
b

c
d
c
d

e
f
e
f

Zwei Segel erhellend
Die tiefblaue Bucht!
Zwei Segel sich schwellend
Zu ruhiger Flucht!

Wie eins in den Winden
Sich wölbt und bewegt,
Wird auch das Empfinden
Des andern erregt.

Begehrt eins zu hasten,
Das andre geht schnell,
Verlangt eins zu rasten,
Ruht auch sein Gesell.

Das Gedicht „Zwei Segel“ von Conrad Ferdinand Meyer illustriert das vorgestellte Schema tadellos und wir können weiterhin erkennen, dass die Buchstaben (abab, cdcd, efef usw.) für jeden neuen Reim, den wir im Kreuzreim finden, fortgeführt werden.

Abwandlungen des Kreuzreims

Natürlich kann der Kreuzreim einfach in einem Gedicht vorkommen. In der Kombination mit anderen Reimen oder in einer bestimmten Abfolge, können sich dabei allerdings lyrische Sonderformen ergeben. Dabei sollten vor allem die Stanze und der heterogene Kreuzreim Beachtung finden.

Stanze

Die Stanze weist das Reimschema abababcc auf und wird folglich aus einem dreifachen Kreuzreim und einem Paarreim gebildet, der den Abschluss der Strophe einleitet. Ein schönes Bild dafür finden wir in Johann Wolfgang von Goethes Gedicht Daimon, das zum Gedichtzyklus Urworte. Orphisch gehört.

a
b
a
b
a
b
c
c
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
bist alsobald und fort und fort gediehen
nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen.
So sagten schon Sibyllen, so Propheten.
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
Der dreifache Kreuzreim (ababab) wird hierbei von einem einfachen, gewöhnlichen Paarreim (cc) beendet, wodurch eine Wandlung des Rhythmus bewirkt wird.

Heterogener Kreuzreim

Der heterogene Kreuzreim bricht das typische Schema gewissermaßen auf und besteht aus der Abfolge von abcb. Hierbei wird das Muster des Kreuzreims durch einen Einschub in einem Vers unterbrochen. Um den heterogenen Kreuzreim zu verdeutlichen, soll das Gedicht Der scheidende Sommer von Heinrich Heine herangezogen werden.

a
b
c
b
Das gelbe Laub erzittert,
Es fallen die Blätter herab;
Ach,alles was hold und lieblich
Verwelkt und sinkt ins Grab.

Funktion des Kreuzreims

Jeder Reim, jeder Versfuß und jegliches Stilmittel hat in einem Gedicht einen Effekt. Nun muss durch den Autor nicht unbedingt eine gewisse Funktion vorgeschrieben sein und dennoch liest sich ein Text anders, wenn er im Paarreim oder eben im Kreuzreim verfasst wurde. Wir möchten versuchen, Ihnen an dieser Stelle einige Hinweise zu geben, welche Funktion der Kreuzreim hat.

Kurzübersicht: Wirkung und Funktion des Kreuzreims


  • Der Paarreim wird häufig als einfacher Singsang empfunden, da auf jeden Vers unmittelbar der entsprechende Endreim folgt. Im Gegensatz dazu, kann der Kreuzreim einen neuen Raum eröffnen.
  • Dadurch könnten wir ihm eine gewisse Sogwirkung zusprechen, die gerade bei längeren Texten sehr deutlich wird.
  • Weiterhin können wir diesem Reim einen sehr rhythmischen Effekt zusprechen, da sich die einzelnen Endreime konsequent ablösen.

Hinweis: Die Aspekte zur Funktion sind natürlich subjektiver Natur und sollen allenfalls eine kleine Anregung für eine mögliche Deutung des Kreuzreims beinhalten.