Der Schweifreim ist eines der Reimschemata, das uns schon recht früh im Deutschunterricht begegnet und gehört neben dem Paarreim und Kreuzreim mit Sicherheit zu den bekanntesten Vertretern seiner Zunft. Dabei wird der Schweifreim immer aus sechs Versen gebildet.
Im Schweifreim bilden die ersten beiden Verse einen Paarreim, denen ein umarmender Reim aus vier Verszeilen angestellt wird. Demnach folgt das Reimschema im Schweifreim dem Muster aa b cc b.
Schauen wir dafür auf die erste Strophe des bekannten Gedichts Abendlied von Matthias Claudius, das den meisten Menschen mit Sicherheit von Kindesbeinen an vertraut ist. Hier reimen sich die Wörter aufgegangen und prangen, klar und wunderbar, schweiget und steiget.
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Die unterstrichenen Wörter reimen sich in Vers 1 und 2, 3 und 6, 4 und 5. Wenn wir diese einzelnen Reimpaare nun farblich markieren, vielleicht mit einem Textmarker oder einem einfachen Buntstift, tritt das typische Reimschema des Schweifreims deutlich zutage und der ureigene Schweif wird deutlich.
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Inhaltsverzeichnis
Das Reimschema im Schweifreim
Nun geben wir ein solches Muster allerdings nicht mithilfe der Farbkombination an, sondern haben uns in der Germanistik, also auch im Deutschunterricht auf Buchstaben geeinigt.
Dabei fangen wir im Alphabet einfach vorne an. Nehmen wir für das Rote also den Buchstaben A, für das Grüne das B und das Orange stellen wir mithilfe eines Cs dar. Weiterhin nehmen wir für die Kennzeichnung kleine Buchstaben und können nun den Schweifreim mithilfe von Kürzeln angeben.
a
b
c
c
b
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Buchstaben im Schweifreim fortsetzen
Nun ist es natürlich nicht so, dass ein Gedicht nur aus einer einzigen Strophe besteht, sondern sich mitunter fortsetzt. Wenn dem so ist, müssen wir unsere jeweiligen Buchstaben natürlich auch fortführen und zwar immer dann, wenn uns ein neuer Reim im Gedicht begegnet. Nehmen wir dafür die zweite Strophe aus Claudius‘ „Abendlied“ hinzu, die ebenfalls einen Schweifreim aufweist.
a
b
c
c
b
d
d
e
f
f
e
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Beide Strophen werden durch einen Schweifreim bestimmt. Die erste weist dabei das Reimschema aabccb auf und in der zweiten ist es ddeffe. Diese neuen Buchstaben haben wir verwendet, weil neue Reime mit ins Spiel gekommen sind.
Würden wir in der nächsten Strophe neue Reime finden, würden wir diese mit gghiih und in der nächsten mit jjkllk angeben. Dieses Muster lässt sich natürlich unendlich fortführen.
Reimpaare: aufgegangen und prangen | klar und wunderbar | schweiget und steiget | stille und Hülle | hold und sollt | Kammer und Jammer
Wirkung und Funktion des Schweifreims
Natürlich wird ein Schweifreim nicht einfach so in einem Gedicht verwendet, sondern hat einen unmittelbaren Effekt auf den Leser und Rhythmus des Werkes. Dieser Effekt wird in der Germansitik als Funktion bezeichnet und wenn wir Stilmittel in einem Gedicht analysieren, funktionalisieren wir sie.
- Der Schweifreim hat eine ungeheure Bindungskraft, die über mehrere Verszeilen reicht. Das bedeutet, dass der letzte Vers einer Strophe einer Pointe gleicht und uns wieder in den auferlegten Rhythmus führt.
- Weiterhin wirkt der letzte Vers oftmals wie eine Überraschung, da das offensichtliche Reimschema in der dritten Zeile aufgehoben und dann am Ende doch noch weitergeführt wird.
- Wie auch bei anderen Endreimen, kann der Schweifreim eine Art Singsang beim Vortragen bewirken, weshalb wir ihn häufig in Volksliedern oder Kinderliedern finden (→ Kinderreime).