Anna Seghers

Anna Seghers, geboren am 19. November 1900 in Mainz; gestorben am 1. Juni 1983 in Berlin, war eine deutsche Schriftstellerin, deren starkes politisches En­ga­ge­ment ihr literarisches Werk maßgeblich beeinflusste.


Ihr umfangreiches Œuvre lässt sich der Neuen Sachlichkeit zuordnen und aufgrund ihrer Flucht ins Ausland, ebenso der Exilliteratur, obwohl Seghers ebenso als eine wichtige Vertreterin der Literatur der ehemaligen DDR gilt, da ihre späteren Arbeiten Merkmale des Sozialistischen Realismus aufweisen. In ihren Werken verarbeitete sie Stoffe der Renaissance, aus Ostasien, der Karibik oder auch Mexiko.

In zahlreichen Schriften wendete sie sich außerdem gegen das Regime der deutschen Nationalsozialisten. Ihre Romane Transit und auch Das siebte Kreuz machten die Schriftstellerin weltberühmt und sind mitunter ursächlich für die zahlreichen Ehrungen und Preise, die sie erhielt.

Lebenslauf

  • 1900: Die deutsche Schriftstellerin Anna Seghers wird am 19. November 1900 in Mainz geboren. Sie trägt den bürgerlichen Namen Netty Radványi, gebürtig Reiling. Sie entstammt einer jüdischen Kaufmannsfamilie.

  • 1907 – 1910: Anna Seghers besucht eine Privatschule und danach die höhere Mädchenschule in Mainz.

  • 1914 – 1924: Sie leistet Kriegshilfsdienst im Ersten Weltkrieg. 1920 absolviert sie das Abitur. Sie studiert in Köln und in Heidelberg Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie (Chinakunde). Sie promoviert in Heidelberg. Ihre Erzählung Die Toten auf der Insel Djal erscheint.

  • 1925: Anna Seghers heiratet László Radványi. Das Ehepaar zieht nach Berlin um.

  • 1926: Ihr Sohn Peter wird geboren (heute heißt er Pierre).

  • 1927: Ihre Erzählung Grubetsch erscheint.

  • 1928: Ihre Tochter Ruth wird geboren. Anna Seghers erstes Buch Aufstand der Fischer von St. Barbara erscheint. Sie tritt der KPD bei. Anna Seghers bekommt den Kleist-Preis für ihr Buch Aufstand der Fischer von St. Barbara verliehen.

  • 1930: Reise in die Sowjetunion.

  • 1932 – 1933: Ihr erster Roman Die Gefährten erscheint. Anna Seghers wird von der Gestapo verhaftet. Ihre Bücher fallen der Bücherverbrennung zum Opfer. Seghers Bücher werden verboten. Flucht über die Schweiz nach Paris.

  • 1935 – 1937: Sie beteiligt sich an der Gründung des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in Paris. Ihr Bergarbeiterroman Die Rettung erscheint.

  • 1940 – 1941: Anna Seghers Mann wird in Frankreich interniert. Sie beantragt die Ausreise aus Frankreich und arbeitet an der Freilassung ihres Mannes. Sie geht mit ihrer Familie ins Exil nach Mexiko.

  • 1942: Ihr Roman Das siebte Kreuz erscheint.

  • 1943: Anna Seghers ist in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt. Ihre Erzählung Der Ausflug der toten Mädchen entsteht (wird 1946 in New York veröffentlicht).

  • 1944: Ihr Roman Das siebte Kreuz wird von Fred Zinnemann verfilmt.

  • 1947 – 1950: Rückkehr nach Berlin. Umzug nach Ost-Berlin (1950). Sie erhält den Georg-Büchner-Preis.

  • 1952 – 1978: Anna Seghers wird Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der DDR und tritt 1978 zurück. Ihre Erzählungen Das wirkliche Blau (1967) und Die Reisebegegnung (1973) erscheinen. Sie erhält die Ehrenbürgerschaft von Berlin. Ihr Mann László Radványi (Johann Lorenz Schmidt) stirbt.

  • 1981: Anna Seghers wird Ehrenbürgerin der Stadt Mainz.

  • 1983: Anna Seghers stirbt am 1. Juni in Berlin.

Biografie

Anna Seghers (geb. 19. November 1900 in Mainz; † 1. Juni 1983 in Berlin; bürgerlich Netty Radványi, gebürtig Reiling) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie entstammte einer Kaufmannsfamilie aus dem Rheinhessischen. Seghers gehörte zum Haushalt einer jüdischen Familie, die der orthodoxen israelischen Religionsgemeinde zugetan war. Ihre Romane machten sie zu einer der angesehensten Autorinnen der deutschen Nachkriegszeit und der DDR.

Familie und ihre frühen Jahre

Anna Seghers Eltern waren der Mainzer Kunsthändler Isidor Reiling und dessen Frau Hedwig (geb. Fuld). Sie war das einzige Kind der Eheleute Reiling und genoss eine traditionelle jüdische Erziehung. Ihr Vater war einer der Bauträger der 1879 eingeweihten jüdischen neuorthodoxen Synagoge in der Mainzer Flachsmarktstraße. Die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Familien erlaubten ihr ab 1907 den Besuch einer Privatschule.

Danach wechselte sie zur höheren Mädchenschule in Mainz (1910). In den Jahren des Ersten Weltkriegs war sie als Helferin im Kriegshilfsdienst aktiv. Ein Jahr nach Kriegsende schloss sie dann das Gymnasium mit dem Abitur ab und begann ein breit angelegtes Studium in Köln und Heidelberg. Sie studierte in den Fächern Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie.

Im Jahr 1924 promovierte sie mit der Arbeit Jude und Judentum im Werke Rembrandts. Sie diskutierte mit Studienfreunden wie dem Sinologen Philipp Schaefer und ihrem späteren Mann László Radványi die Ideen von Karl Marx sowie soziale Fragen. Die Ansichten des Emigrantenkreises um Karl Mannheim und Julia Lang hatten Einfluss auf Seghers frühes Schaffen.

Seghers wuchs in einem jüdisch-assimilierten Elternhaus auf, das gleichzeitig durch christliche Traditionen geprägt war. Dieses Umfeld und ihr Anschluss an die kommunistische Bewegung der 20er Jahre befreiten sie von den einseitigen religiösen Inhalten des jüdischen und auch des christlichen Glaubens.

Im Jahr 1925 heiratete Seghers den ungarischen Soziologen László Radványi mit dem sie zwei Kinder hatte. Noch im selben Jahr zog das Ehepaar nach Berlin um, wo Radványi (unter seinem deutschen Parteinamen Johann Lorenz Schmidt) zunächst für die KPD und danach als Leiter der Marxistischen Arbeiterschule arbeitete. Sie wohnten im Bezirk Wilmersdorf von 1925 bis 1933. Ihre Kinder Peter (Pierre) und Ruth kamen in den Jahren 1926 und 1928 zur Welt.

Bereits 1924 veröffentlichte die Schriftstellerin ihre erste Erzählung, die den Titel Die Toten auf der Insel Djal trug. Das Werk erschien in der Weihnachtsbeilage der Frankfurter Rundschau. Nur drei Jahre später erschien ihre Erzählung Grubetsch (sie veröffentlichte das Werk unter ihrem Künstlernamen Seghers). Das Pseudonym Seghers stammte von Hercules Seghers, einem niederländischen Künstler, dessen Gemälde die Schriftstellerin sehr schätzte.

Kleist-Preis und Weg ins Exil nach Paris

Für Ihre Werke Grubetsch (1927) und Aufstand der Fischer von St. Barbara erhielt Seghers 1928 den begehrten Kleist-Preis. Der Aufstand der Fischer von St. Barbara erschien ebenfalls unter ihrem Pseudonym Anna Seghers. Das Jahr 1928 ist auch das Jahr in dem Seghers der KPD beitrat. Kurz darauf beteiligte sie sich an der Gründung des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Im Jahr 1930 besucht sie dann erstmalig ihre Parteigenossen in der Sowjetunion.

Ihren literarischen Erfolgen von 1928 folgten weitere Erzählungen, verschiedene Kurzprosa und publizistische Arbeiten. Fast gleichzeitig entstand ihr erster Roman Die Gefährten (1932). Nur ein Jahr später wurde bereits ihr Exil eingeläutet.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten von 1933 brachte für Anne Seghers zunächst eine Festnahme der Gestapo, kurz darauf wurden ihre Bücher verbrannt und verboten. Sie entzog sich unmittelbar danach den Zugriffen der Nazis, mit einer Flucht in die Schweiz. Über die Schweiz trat sie dann die Reise in ihr französisches Exil in Paris an.

Im Exil engagierte sich Seghers weiter für den antifaschistischen Kampf. Ihre gesamte im Exil entstandene Prosa und Essayistik wurde geprägt von ihrem Drang zur Aufklärung über das Naziregime sowie durch Sehnsucht nach ihrem Vaterland und dem damit verbundenen Gefühl von Heimweh. Daraus entstanden Werke wie die Rede Vaterlandsliebe (1935) und der Bergarbeiterroman Die Rettung (1937).

Seghers Arbeit im Pariser Exil umfasste auch die Mitarbeit an verschiedenen Zeitschriften deutscher Emigranten. Dabei arbeitete sie unter anderem als Redakteurin bei den Neuen Deutschen Blättern. Außerdem war sie 1935 an der Gründung des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in Paris beteiligt.

Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges und dem Einmarsch der deutschen Soldaten in Paris, wurde der Ehemann von Anna Seghers in Südfrankreich im Lager Le Vernet interniert. Von Marseille aus versuchte Anne Seghers daraufhin, die Freilassung ihres Mannes zu erreichen. Gleichzeitig bemühte sie sich um die Bewilligung zur Ausreise. Die Briefe, die Anna Seghers im Winter 1940/1941 schrieb, dokumentieren ihre große Verzweiflung und schwere Depression dieser düsteren Tage, denen sie lediglich durch das Schreiben ausweichen konnte und daraus Lebensmut schöpfte

Bis es zur erfolgreichen Bewilligung ihrer Ausreise nach Mexiko kam, durch die Unterstützung und bereitwillige Hilfe des von Gilberto Bosques geleiteten mexikanischen Generalkonsulats, hielt sie sich in dem von Henri Philippe Pétain regierten Teil Frankreichs auf. Später, 1944, beschrieb sie die Situationen und Geschehnisse rund um ihr Ausreiseengagement in ihrem Roman Transit. Im März 1941 war es dann so weit: Ihre Ausreise nach Mexiko wurde bewilligt.

Emigration nach Mexiko

Anna Seghers war im Frühjahr 1941 mit ihrer Familie auf dem Weg ins Exil nach Mexiko. Die Stationen ihrer Ausreise waren Martinique, New York und Veracruz. Von dort aus gelangte sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern nach Mexiko Stadt.

Weiterhin um Aufklärung über die Nazis bemüht, gründete sie dort den antifaschistischen Heinrich-Heine-Klub und nahm das Amt der Präsidentin des Klubs an. Gleichzeitig war sie Mitgründerin der Bewegung Freies Deutschland und kümmerte sich um die Herausgabe der gleichnamigen Zeitschrift (siehe: Heinrich Heine).

Im Jahr 1942 erschien ihr Roman Das siebte Kreuz, der sie weltberühmt machte und auch alle materiellen Nöte schnell beseitigte. Endlich hatte Anna Seghers wieder Ruhe zum Arbeiten.

Ihr bedeutendes Werk Das siebte Kreuz hatte sie bereits im Jahr 1937 begonnen, unterbrach jedoch ihre Arbeit kurz (1938/1939), um in zwei Briefen an George Lukács die Grundlagen ihrer Poetik darzustellen und zu erläutern. Ihr Roman Das siebte Kreuz erschien zunächst in einer englischen Ausgabe in den USA sowie in ihrer Muttersprache in Mexiko. Der Roman wurde 1944 von Fred Zinnemann verfilmt.

Die erfolgreiche Veröffentlichung ihres Meisterwerks wurde durch den Tod der Mutter getrübt, die im polnischen Lager Piaski ermordet wurde. Das Ereignis traf Seghers hart und zog einen schweren Autounfall nach sich, dem ein langer Krankenhausaufenthalt folgte.

Anna Seghers schwebte damals für Wochen zwischen Leben und Tod. Im Anschluss an diese Zeit veröffentlichte sie die Erzählungen Ausflug der toten Mädchen und Post ins Gelobte Land. In diesen Werken nahm sie Abschied von ihrer Mutter und der zerstörten Heimatstadt, zugleich gedachte sie in Post ins Gelobte Land der ermordeten Juden des Nazi-Regimes.

Rückkehr nach Deutschland

Im Jahr 1947 verließ Anns Seghers ihre Zufluchtsstätte in Mexiko und kehrte zurück ins zerbombte und zerstörte Berlin. Sie sollte dort fast dreißig Jahre mit ihrem Mann verbringen, der ihr allerdings erst 1952 in die DDR folgte. Ebenfalls im Jahr ihrer Rückkehr hielt Anna Seghers eine viel beachtete Rede über die Bedeutung des Exils und den fortwährenden Freiheitsgedanken auf dem Ersten Deutschen Schriftstellerkongress in Berlin. Im selben Jahr bekam sie auch den Georg-Büchner-Preis verliehen.

Ab 1950 war Anna Seghers in Ost-Berlin zu Hause. Die Schriftstellerin engagierte sich fortan in der Weltfriedensbewegung und war lange Jahre, von 1952 bis 1978, Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der DDR. Sie wurde zur wichtigen Repräsentantin der Deutschen Demokratischen Republik. Anna Seghers und ihr Mann wohnten bis zu ihrem Tod in der Volkswohlstraße 81 (die heutige Anna-Seghers-Straße), die in Berlin-Adlershof liegt.

Tod in Ost-Berlin

Im Jahr 1975 wurden Anna Seghers der Kulturpreis des Weltfriedensrates sowie die Ehrenbürgerschaft von (Ost-)Berlin verliehen. Sie setzte wichtige Akzente in der neueren DDR-Literatur mit Erzählungen wie Das wirkliche Blau (1967) und Die Reisebegegnung (1973). Im Jahr 1978 starb dann ihr Mann. Die Schriftstellerin legte in diesem Jahr auch ihr Amt als Präsidentin des Schriftstellerverbandes nieder. Zwei Jahre vor ihrem Tod bekam sie die Ehrenbürgerschaft ihrer Geburtsstadt Mainz verliehen.

Anna Seghers starb am 1. Juni 1983 in Berlin. Ihrem Tod folgte ein Staatsakt in der Akademie der Künste der DDR. Sie wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin bestattet.

Seghers thematisierte zeit ihres Lebens die Trauer um den unwiederbringlichen Verlust einer großen Hoffnung, die auf die sozialistische Idee und erdachten Ideale gerichtet war. In Ihrer Wohnung befindet sich heute die Anna-Seghers-Gedenkstätte, die das Leben und das Werk der Schriftstellerin in Form eines kleinen Museums ehrt.

Werke

  • Tagebuch (aus dem Nachlass, veröffentlicht 2003, geschrieben 1924/1925)
  • Die Legende von der Reue des Bischofs Jehan d’Aigremont von St. Anne in Rouen (aus dem Nachlass, veröffentlicht 2003, geschrieben 1924)
  • Die Toten auf der Insel Djal (1924)
  • Jans muß sterben (aus dem Nachlass, 1925)
  • Aufstand der Fischer von St. Barbara (1928)
  • Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft und andere Erzählungen (darin: Grubetsch, Die Ziegler und Bauern von Hruschowo, 1930)
  • Die Gefährten (1932)
  • Der Kopflohn (1933)
  • Der Weg durch den Februar (1935)
  • Der Prozess der Jeanne d’Arc zu Rouen 1431 (Hörspiel, 1936)
  • Die Rettung (1937)
  • Die schönsten Sagen vom Räuber Woynok, Sagen von Artemis (1938)
  • Das Obdach (1941)
  • Das siebte Kreuz (1942)
  • Der Ausflug der toten Mädchen (1943)
  • Transit (1944)
  • Die drei Bäume (1946)
  • Post ins Gelobte Land (1946)
  • Die Saboteure (1946)
  • Die Feier (Dramenfragment, 1947)
  • Sowjetmenschen. Lebensbeschreibungen nach ihren Berichten (1948)
  • Das Argonautenschiff (1948)
  • Wiedereinführung der Sklaverei in Guadeloupe (1948)
  • Die Toten bleiben jung (1949)
  • Die Hochzeit von Haiti (1949)
  • Die Linie (1950)
  • Der Kesselflicker (1950)
  • Crisanta (1951)
  • Die Kinder (1951)
  • Der Mann und sein Name (1952)
  • Der Bienenstock (1953)
  • Gedanken zur DDR (1954)
  • Brot und Salz (1958)
  • Die Entscheidung (1959)
  • Das Licht auf dem Galgen (1961)
  • Über Tolstoi. Über Dostojewski (1963)
  • Die Kraft der Schwachen (Erzählungen: u.a. Der Führer. Der Prophet. Wiedersehen. Das Duell u.a.; 1965)
  • Das wirkliche Blau. Eine Geschichte aus Mexiko (1967)
  • Das Vertrauen (1968)
  • Glauben an Irdisches (1969)
  • Briefe an Leser (1970)
  • Über Kunstwerk und Wirklichkeit (1970)
  • Überfahrt. Eine Liebesgeschichte (1971)
  • Sonderbare Begegnungen (Erzählungen: Der Treffpunkt. Die Reisebegegnung u.a.; 1972)
  • Steinzeit. Wiederbegegnung (1977)
  • Drei Frauen aus Haiti (1980)
  • Der gerechte Richter (entstanden 1957, veröffentlicht 1990)