Ricarda Huch

Ricarda Huch, geboren am 18. Juli 1864 in Braunschweig und gestorben am 17. November 1947 in Schönberg im Taunus, war eine deutsche Dichterin, Philosophin und Autorin, wobei sie sich darüber hinaus in zahlreichen Abhandlungen mit historischen Ereignissen auseinandersetzte.


Ihr literarisches Œuvre ist umfangreich und stilistisch sehr weit gefächert. So verfasste sie anfangs vor allem lyrische Werke, schrieb darauf einige Romane und widmete sich hier vor allem historischen Stoffen. Speziell ihre Abhandlungen über die Romantik sowie den Vormärz wagen eine Gratwanderung zwischen geschichtlicher Genauigkeit und lebendigen Beschreibungen der Personen. Huch gilt als wichtige Vertreterin des literarischen Jugendstils (vgl. Literaturepochen).

Lebenslauf

  • Am 18. Juli 1864 wird Ricarda Octavia Huch in Braunschweig geboren. Die angehende Schriftstellerin stammt aus großbürgerlichen Familienverhältnissen.

  • 1886 – 1892: Sie geht nach Zürich, um ihr Abitur nachzuholen. Huch schreibt sich an der Universität von Zürich als Studentin ein und findet eine Anstellung in der Stadtbibliothek von Zürich. Sie erhält als eine der ersten deutschen Frauen an der Universität von Zürich einen Doktortitel der Philosophischen Fakultät.

  • 1894: Ricarda Huch kündigt ihre Stelle als Sekretärin an der Bibliothek von Zürich. Ihr erstes Bühnenstück Evoë! erscheint.

  • 1895 – 1898: Huch arbeitet als Lehrerin in Zürich und Bremen. Sie veröffentlicht das Neujahrsblatt über die Nachrichtensammlung des Chorherrn Johann Jakob Wick.
  • Ricarda Huch publizierte im Sonntagsblatt des Bundes ihre erste Novelle mit dem Titel Eine Teufelei. Nachgelassene Papiere des Staatsschreibers Potzmanterle. Es erfolgt ein Umzug nach Wien. Sie lernt ihren ersten Mann Ermanno Cerconi kennen und heiratet.

  • 1898 – 1906: Sie arbeitet als erste Schriftstellerin die Geschichte der italienischen Einigung Risorgimento unter der Führung von Giuseppe Garibaldi auf. Ihre Ehe mit Ermanno Cerconi wird geschieden.

  • 1907 – 1911: Ricarda Huch ist mit ihrem zweiten Mann, der darüber hinaus ihr Schwager und Jugendschwarm ist, Richard Huch verheiratet. Die Ehe wird 1911 geschieden.

  • 1923: Ricarda Huch verfasst ihre Biografie Michael Bakunin und die Anarchie

  • 1930: In Berlin entsteht ihre Arbeit über die deutsche Revolution von 1848/1849, die den Titel Alte und neue Götter trägt (vgl. Vormärz)

  • 1931: Ricarda Huch erhält den Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main.

  • 1933: Sie tritt aus der Preußischen Akademie der Künste aus. Im Jahr 1934 erscheint ihr erster von drei Bänden zur Deutschen Geschichte.

  • 1935 – 1946: Ricarda Huch lebt mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn Franz Böhm in Jena. Sie wird denunziert, weil sie das Nazi-Regime in privatem Kreis kritisiert. Die Stadt Jena verleiht ihr die Ehrendoktorwürde der Friedrich-Schiller-Universität.

  • 1947: Ricarda Huch stirbt am 17. November in Schönberg bei Frankfurt am Main. Sie wird in einem Ehrengrab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.

Epochen der Literatur als Zeitstrahl

Biografie

Ricarda Octavia Huch (geb. 18. Juli 1864 in Braunschweig; † 17. November 1947 in Schönberg im Taunus, heute ein Stadtteil von Kronberg) war eine deutsche Schriftstellerin, Dichterin, Philosophin und Historikerin. Sie war eine der ersten Frauen in Deutschland, die sich ein Studium in Zürich erkämpfte. Huch verfasste u.a. Bücher über Martin Luther, Garibaldi und Wallenstein. Zu Ruhm als historische Schriftstellerin kam sie insbesondere durch ihre Biografie über den russischen Anarchisten Bakunin (1923).

Frühe Jahre, Ausbildung

Ricarda Huch wurde ursprünglich in ein großbürgerliches Familienmilieu hineingeboren. Für sie stand bereits in sehr frühen Jahren fest, dass sie ihr Leben mit dem Schreiben verbringen wollte. Im Kindesalter von nur fünf Jahren begann sie, Gedichte zu verfassen.

Ihrer Familie entsprangen einige Literaten, die zu bekannten Schreibern wurden. Unter ihnen waren Ricardas Bruder Rudolf und ihre beiden Vettern Felix und Friedrich. Zu Ricarda Huchs Vorfahren gehörte der Erzähler Friedrich Gerstäcker. Kunst und Literatur lagen also im Interesse ihrer Familie, was der heranwachsenden Schriftstellerin eine ideale Ausgangssituation für ihr späteres umfangreiches Werk verschaffte.

Die Schriftstellerin wuchs in Braunschweig auf. Im Jahr 1886 ging sie nach Zürich, um hier ihr Abitur nachzuholen und ein Studium zu beginnen. Auf deutschem Boden war es zur damaligen Zeit noch nicht möglich, dass eine Frau ein Universitätsstudium absolvierte.

Daher schrieb sie sich nach Beendigung ihrer Schulzeit an der Universität von Zürich ein, um dort Geschichte, Philosophie und Philologie zu studieren. Im Jahr 1892 erhielt Ricarda Huch als eine der ersten deutschen Frauen an der Universität von Zürich einen Doktortitel der Philosophischen Fakultät. Ihre Doktorarbeit trug den Titel: Die Neutralität der Eidgenossenschaft während des Spanischen Erbfolgekrieges.

Erstes Bühnenstück

Auch einige für Huch sehr wichtige Personen lernte sie in ihrer Zeit in Zürich kennen. Sie freundete sich mit der Tiermedizinerin Marianne Plehn an. Plehn wurde später zur ersten deutschen Professorin in Bayern. Des Weiteren wurde die spätere Sozialpolitikerin Marie Baum zu Huchs enger Freundin.

Während Ihrer Studienzeit arbeitete Ricarda Huch zunächst ehrenamtlich in der Stadtbibliothek von Zürich. Später wurde für sie eine Stelle als Sekretärin eingerichtet, die sie am 1. November 1891 übernahm. Die junge Studentin beschrieb den Alltag in der Bibliothek als langweilig. Mit Korrespondenzen und der Verarbeitung unterschiedlicher Druckschriften war sie ihrer Meinung nach unterfordert.

Trotz Langeweile und Unterforderung blieb die Schriftstellerin bis 1894 in ihrer Anstellung. Im selben Jahr erschien in Berlin ihr erstes Bühnenstück Evoë!. Kurz darauf – ein Jahr später, nachdem Ricarda Huch ihre Stellung in der Stadtbibliothek gekündigt hatte – wurde dann das Neujahrsblatt (1895), in dem sie über die Nachrichtensammlung des Zürcher Chorherrn Johann Jakob Wick berichtete, veröffentlicht. Wenig später publizierte Huch im Sonntagsblatt des Bundes ihre erste Novelle mit dem Titel Eine Teufelei. Nachgelassene Papiere des Staatsschreibers Potzmanterle.

München und Schaffensphase von 1912-1930

Bevor Ricarda Huch im Jahr 1898 den Zahnarzt Ermanno Ceconi heiratete, arbeitet sie als Lehrerin in Zürich und Bremen. Nachdem sie 1897 nach Wien umgezogen war, lernte sie ihren Mann kennen (1898) und zog mit diesem kurze Zeit später in seine Heimatstadt Triest um. In den Jahren von 1898 bis 1900 arbeitete Ricarda Huch als erste Schriftstellerin die Geschichte der italienischen Einigung Risorgimento unter der Führung von Giuseppe Garibaldi auf.

Eine wichtige Schaffensphase erlebte die Schriftstellerin in München, wo sie zahlreiche Jahre (von 1912 bis 1916 und von 1918 bis 1927) lebte und wo sie viele ihrer bedeutenden Bücher verfasste. Unter den damals entstandenen Werken befand sich auch ihre Biografie Michael Bakunin und die Anarchie (1923).

In München knüpfte Ricarda Huch auch erste Kontakte zur Frauenbewegung und tauschte sich mit Ika Freudenberg sowie Gertrud Bäumer aus. Beide waren Leitfiguren der Frauenbewegung. Von 1927 bis 1932 lebte die Schriftstellerin dann in Berlin, wo sie vom Tod ihres ersten Ehemannes Ermanno Ceconi erfuhr, mit dem sie bis 1906 verheiratet war.

Ricarda Huch war insgesamt zwei Mal verheiratet. Aus den Ehen ging ihre Tochter Marietta hervor, die später mit ihr in Berlin lebte. Von 1907 bis 1911 war Ricarda Huch in zweiter Ehe mit ihrem Schwager und Jugendschwarm Richard Huch verheiratet.

Huch legte unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs ihre anfängliche autobiografische Schriftstellerei ab und wandte sich mehr und mehr der Geschichte sowie der Literaturgeschichte zu. In Berlin entstand ihre Arbeit über die deutsche Revolution Alte und neue Götter (1930).

Sie beschäftigte sich unter anderem intensiv mit dem Dreißigjährigen Krieg, mit der Romantik und dem italienischen Freiheitskampf im 19. Jahrhundert. Mit ihrem historischen Roman und Abhandlungen über Literaturgeschichte sowie Philosophie drang Huch in eine bis dahin traditionell von Männern beherrschte Domäne ein.

Der Zweite Weltkrieg

Ricarda Huch wurde im nationalsozialistischen Deutschland nicht verfolgt. Sie wurde aufgrund ihrer Verdienste, die sie mit ihren Forschungen zur Geschichte Italiens erworben hatte, von den italienischen Faschisten geschätzt.

Im Frühling 1933 trat sie als erstes Mitglied der Preußischen Akademie der Künste aus der Ausbildungseinrichtung aus. Sie protestierte damit gegen den Ausschluss Alfred Döblins aus der Akademie. Die Nazis verhielten sich widersprüchlich gegenüber der Schriftstellerin. Goebbels und Hitler ließen ihr anlässlich ihres 80. Geburtstages Glückwunschschreiben zukommen, jedoch durfte ihr Geburtstag in keiner Zeitung erwähnt werden. Trotzdem sie Gegnerin des Nationalsozialismus war, ließen die deutschen Machthaber Ricarda Huch aufgrund ihrer Verbindungen nach Italien in Ruhe.

Im Jahr 1934 bekam Huch für ihren ersten Band zur Deutschen Geschichte heftige Kritik aus dem Lager der offiziellen Literaturexperten. Anerkennung fand ihr Werk damals lediglich in einer Buchrezension von Reinhold Schneider. Huchs zweiter Band der Deutschen Geschichte (1937) wurde nur unter erheblichen Mühen veröffentlicht. Ihr dritter und letzter Band (1941) schaffte die Veröffentlichung unter den Nazis allerdings nicht mehr. Seine Publikation fand erst 1949 in Zürich statt. Huchs Bände zur Deutschen Geschichte kritisieren deutlich die Anmaßung der Nazis, das deutsche Volk als auserwähltes Volk deklariert zu haben, welches Gott dazu bestimmt hatte.

Ricarda Huch lebte in den Jahren von 1935 bis 1947 mit ihrer Tochter und deren Ehemann Franz Böhm in Jena. Sie unterhielt Kontakte zu zahlreichen Gegnern des Nazi-Regimes. Im Mai 1937 kritisierten Huch und ihr Schwiegersohn in privatem Kreise die Politik Hitlers, woraufhin sie von Richard Kolb, einem Hochschullehrer, denunziert wurde und Böhm seine Professur an der Universität von Jena verlor. Die Wohnung der Huchs war während des Zweiten Weltkriegs Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler. Unter diesen befanden sich auch Angehörige der Regimegegner, die am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler verübten.

Späte Jahre und Tod

Im Jahr 1946 begann Ricarda Huch mit ihrer Arbeit an einem Sammelband über den deutschen Widerstand. Sie wollte damit alle diejenigen ehren, die sich im Dritten Reich gegen Hitlers Herrschaft und seine nationalpolitische Machtausübung gestellt hatten. Das Werk konnte sie nicht mehr vollenden.

Huch machte jedoch deutlich, welche Arbeit die Münchner Weiße Rose und die Geschwister Scholl im Dritten Reich geleistet hatten. Ihre gesammelten Materialien über die Widerstandsgruppen Der Roten Kapellen legte Huch 1947 in die Hände des Schriftstellers Günther Weisenborn. Dieser nutzte das Material etwas später für sein Werk Der lautlose Aufstand.

Ricarda Huch erhielt zeitlebens mehrere Auszeichnungen und Ehrungen. Bereits 1924 wurde sie Ehrensenatorin der Universität von München. Im Jahr 1931 bekam sie den Goethepreis der Stadt Frankfurt und 1944 den Wilhelm-Raabe-Preis. Ein Jahr vor ihrem Tod verlieh ihr die Stadt Jena die Ehrendoktorwürde der Friedrich-Schiller-Universität. Ihr Schwiegersohn Franz Böhm wurde in Hessen Kulturminister.

Am 17. November 1947 verstarb die Schriftstellerin im Gästehaus der Stadt Frankfurt in Schönberg. Ursächlich ist, dass sie trotz ihres hohen Alters am Ende Ihres Lebens noch nach Frankfurt am Main umziehen wollte. Die damals 83-jährige Schriftstellerin hatte die anstrengende Reise in die hessische Hauptstadt gesundheitlich nicht überstanden. Ricarda Huch wurde auf dem Hauptfriedhof von Frankfurt am Main in einem Ehrengrab bestattet.

Ricarda Huchs Gesamtwerk (vgl. Œuvre) umfasst eine beachtliche Breite, die aus zahlreichen stilistischen und thematischen Facetten besteht. Die Schriftstellerin verband weltbürgerlichen Humanismus sowie anarchistische Freiheitsideen mit ihrem ständischen Reichsdenken und eine nationalem Pathos. Zusammen entstanden daraus ihre eigenen politischen Philosophien, die im Spätwerk der Schriftstellerin ein hohes Maß an abstrakter und komplexer Beschreibung hinterließ.

Werke

  • Werkübersicht in chronologischer Reihenfolge

    • Der Bundesschwur (Lustspiel, 1890)
    • Gedichte (1891)
    • Die Hugenottin (1892)
    • Evoë! (Dramatisches Spiel, 1892)
    • Die Neutralität der Eidgenossenschaft besonders der Orte Zürich und Bern während des spanischen Erbfolgekrieges (Dissertation, 1892)
    • Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren (Roman, 1893)
    • Gedichte (1894)
    • Das Spiel von den vier Züricher Heiligen (1895)
    • Die Wick’sche Sammlung von Flugblättern und Zeitungsnachrichten aus dem 16. Jahrhundert in der Stadtbibliothek Zürich (Neujahrsblatt, 1895)
    • Der Mondreigen von Schlaraffis (Novelle, 1896)
    • Teufeleien, Lügenmärchen (Novellen, 1897)
    • Haduvig im Kreuzgang (Novelle, 1897)
    • Fra Celeste (1899)
    • Fra Celeste und andere Erzählungen (1899)
    • Blütezeit der Romantik (1899)
    • Ausbreitung und Verfall der Romantik (1902)
    • Dornröschen. Ein Märchenspiel (1902)
    • Aus der Triumphgasse. Lebensskizzen (1902)
    • Vita somnium breve (1903)
    • Von den Königen und der Krone (Roman, 1904)
    • Gottfried Keller (vgl. Gottfried Keller, 1904)
    • Seifenblasen (Erzählungen, 1905)
    • Die Geschichten von Garibaldi (1906–1907)
    • Neue Gedichte (1908)
    • Das Risorgimento (1908)
    • Das Leben des Grafen Federigo Confalonieri (1910)
    • Der Hahn von Quakenbrück und andere Novellen (1910)
    • Der Sänger (1925)
    • Der letzte Sommer (Erzählung, 1910)
    • Der große Krieg in Deutschland (historischer Roman in drei Bänden, 1912–1914)
    • Natur und Geist als die Wurzeln des Lebens und der Kunst (1914)
    • Wallenstein. Eine Charakterstudie (1915)
    • Luthers Glaube. Briefe an einen Freund. (1916)
    • Der Fall Deruga (Roman, 1917)
    • Jeremias Gotthelfs Weltanschauung (Vortrag, 1917)
    • Der Sinn der Heiligen Schrift (1919)
    • Alte und neue Gedichte (1920)
    • Entpersönlichung (1921)
    • Michael Bakunin und die Anarchie (1923)
    • Stein (1925)
    • Teufeleien und andere Erzählungen (1924)
    • Graf Mark und die Prinzessin von Nassau-Usingen (Biographie, 1925)
    • Der wiederkehrende Christus. Eine groteske Erzählung (1926)
    • Im alten Reich. Lebensbilder deutscher Städte. (Drei Bände: Der Norden/Die Mitte des Reiches/Der Süden, 1927)
    • Neue Städtebilder (1929)
    • Gesammelte Gedichte (1929)
    • Lebensbilder mecklenburgischer Städte (1930/1931)
    • Alte und neue Götter, 1848 (1930)
    • Deutsche Geschichte 1934–49
      • Römisches Reich Deutscher Nation, Bd. 1 (1934)
      • Das Zeitalter der Glaubensspaltung, Bd. 2 (1937)
      • Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation, Bd. 3 (1949)
    • Frühling in der Schweiz (1938)
    • Weiße Nächte (Novelle, 1943)
    • Herbstfeuer (Gedichte, 1944)
    • Mein Tagebuch (1946)
    • Urphänomene (1946)
    • Der falsche Großvater (Erzählung, 1947)
    • Die Goldinsel und andere Erzählungen (1972)