Als Anakoluth wird ein Stilmittel bezeichnet, das in Texten sämtlicher literarischen Gattung auftauchen kann. Das Anakoluth beschreibt das Abbrechen eines Satzes oder das Unterbrechen einer Wortfolge. Außerdem kann die Stilfigur meinen, dass ein begonnener Satz verändert und grammatisch falsch fortgeführt wird. Das Anakoluth ist demzufolge in jedem Fall eine syntaktische Störung, also eine Störung der üblichen Verbindung von Wörtern. Verwandt sind Anapodoton und Aposiopese
Der Begriff ist eine Zusammensetzung aus zwei griechischen Wörtern, nämlich aus ἀν (an), welches sich mit ohne übersetzen lässt und ἀκόλουϑον (akólouthon), was in etwa Nachfolger bedeutet. Demnach lässt sich die Stilfigur mit ohne Nachfolger übersetzen. Die Übersetzung zeigt uns, worum es hierbei grundsätzlich geht: nämlich um Wörter, deren Nachfolger, also die übliche Fortführung, nicht korrekt ist.
Hierbei lassen sich verschiedene Ausprägungen des Anakoluths, also solcher Satzstörungen, in beschreiben und in der Literatur belegen, wie es Gisela Zifonun, Ludger Hoffmann und Bruno Strecker in ihrer Grammatik der deutschen Sprache ausführen. So handelt es sich entweder um den Ausstieg aus einem begonnen Satz (1), das Nachbessern (Retraktion) des Gesagten (2) oder aber auch den Umstieg von einer begonnenen Satzkonstruktion auf eine ganz andere (3). Schauen wir für alle drei Formen auf einige Beispiele.
Das obige Beispiel zeigt eine unvollende Drohung. Der Satz wird vom Sprecher also abgebrochen, wobei der wesentliche Bestandteil nicht gesagt wird. Demzufolge handelt es sich im Beispielsatz um den Ausstieg aus einer angefangenen Satzkonstruktion, was als Anakoluth bezeichnet wird. Der wesentliche Bestandteil des Satzes muss so durch den Adressaten (Leser, Hörer) eigenständig erschlossen werden – diese Konstruktion ist auch als Aposiopese bekannt. Ein weiteres Beispiel nach diesem Muster:
Gott! du siehst mein Elend, und wirst enden.
Der obige Auszug ist Johann Wolfgang von Goethes Werk Die Leiden des jungen Werther entnommen. Hier beginnt der Ich-Erzähler Werther einen Satz, der nach der Konjunktion und unterbrochen wird und gänzlich anders, als der Leser es erwarten müsste, fortgeführt wird. Zu erwarten wäre beispielsweise, dass Werther ausführt, was denn geschah, als er sich von ihr wegriss. Jedoch bleibt die Satzkonstruktion unvollständig.
Demnach handelt es sich auch dabei um eine Form des Anakoluths. Typisch ist für diese Form eine eindeutige Trennung durch die Interpunktion (Zeichensetzung), oft wird der begonnene Satz von Gedankenstrichen oder Auslassungspunkten abgebrochen und dann durch etwas Neues fortgeführt. Ein weiteres Beispiel:
Dieser Beispielsatz stammt von keinem bekannten Dichter, sollte aber das Prinzip der Retraktion, also des Nachbessern des Gesagten, verdeutlichen. Ein Sprecher, der sich an Lena wendet, beginnt einen Satz, der darauf verweist, dass er ihr vieles [gegeben hat]. Doch noch bevor diese Konstruktion zu einem Ende gebracht wird, verbessert sich der Sprecher selbst und führt aus, dass er ihr alles gegeben hat.
Diese Art des Anakoluths ähnelt der Figur der Metaphrase. Die Metaphrase ist die erklärende Wiederholung eines Wortes durch ein Synonym. Der Sprecher verbessert sich also beim Sprechen selbst und verfeinert das Gesagte durch ein anderes Wort. Beispielsweise wäre der Satz Ich habe die Person, den Mann ganz genau gesehen eine Metaphrase, da das Wort Person durch Mann präzisiert wurde. Ein abschließendes Beispiel:
Dieser Satz ändert mittendrin die zu erwartende Konstruktion oder den geplanten Satzbau. Entweder müsste ein Sprecher sagen Wenn jemand stirbt, dann gibt es manchmal eine Trauerfeier oder könnte das manchmal auch wegfallen lassen. In dieser Form wird der Satz allerdings zum Anakoluth, da der Satz beim Sprechen umkonstruiert wird und von einer begonnenen Satzkonstruktion auf eine neue gewechselt wird.
[ ] meine Zeit ist heute sehr begrenzt.
Dieser Beispielsatz zeigt eine Sonderform des Anakoluths: das sogenannte Anapodoton. Hier wird auch eine Satzkonstruktion, die begonnen wurde, abgebrochen und durch das Auslassen eines Wortes auf eine andere umgeschwenkt. Das Anapodoton beschreibt den Umstand, dass bei einer korrespondierenden Konjunktion (zwar – aber, sowohl – als auch, weder – noch etc.) nur der erste Teil erhalten ist.
Wirkung und Anwendung des Anakoluths
Das Stilmittel kommt sehr häufig dann zum Einsatz, wenn die Alltagssprache simuliert werden soll, die tatsächlich von zahlreichen Änderungen im Satzbau gekennzeichnet ist (vgl. Brachylogie). Weiterhin ist die Figur charakteristisch, wenn Hektik oder eine aufgewühlte Atmosphäre erzeugt werden soll.
Das Anakoluth kann einen Sprechenden lebhafter, aber auch authentischer erscheinen lassen und somit recht gut den tatsächlichen Sprachgebrauch im Alltag simulieren. Dennoch kann das Anakoluth ebenso als Stilfehler gewertet werden – denn prinzipiell geht es stets um das Abbrechen oder falsche Fortführen von Sätzen.
Demzufolge kann die Figur ebenfalls auf eine niedere Stellung des Sprechers verweisen oder eine schlechte Bildung, die sich durch den Mangel an Eloquenz und das Begehen von sprachlichen Fehlern auszeichnet, in den Vordergrund rücken. Folglich kann das Anakoluth die Sprache lebendiger und außerdem einen Sprecher ungebildet, aber in jedem Fall meist hektisch, erscheinen lassen.
- Als Anakoluth wird das Abbrechen eines Satzes oder Wortfolge bezeichnet. Weiterhin meint die Figur, dass ein begonnener Satz umgeformt und in der Folge grammatisch falsch vollendet wird. Weiterhin kann einfach die Folgerichtigkeit des Satzes gestört sein, weil der Sprecher umplant.
- Die Wirkung ist zumeist, dass die Sprache lebendiger erscheint. Figuren, die beim Sprechen umplanen, wirken lebhafter und scheinen das Gesprochene im Augenblick des Sprechens tatsächlich zu denken. Allerdings kann das Ganze auch als Stilfehler gelten.
- Hinweis: In der Literatur finden sich zahlreiche Figuren, die die Umgangssprache simulieren sollen oder sich durch das vermeintlich „spontane“ Umdenken der Figuren auszeichnen. Beispielhaft sind hierfür die Ellipse sowie alle Formen der Brachylogie.