Antonomasie

Als Antonomasie wird ein sprachliches Mittel bezeichnet, welches eine Sonderform der Synekdoche darstellt sowie zu den Tropen gehört. Die Antonomasie meint entweder (1) die Umschreibung eines Eigennamens, wobei Eigenschaften oder charakteristische Adjektive gebraucht werden, um diesen Eigennamen zu umschreiben oder (2) die Bezeichnung einer Gattung oder Gruppe durch die Benennung eines besonderen, bekannten Vertreters ebendieser Gattung oder Gruppe.


Begriff & Beispiele

Der Begriff geht auf das griechische Nomen antonomasia zurück und lässt sich mit Umnennung oder andere Benennung übersetzen. Demnach verweist bereits die Übersetzung dieses Wortes darauf, worum es bei der Stilfigur geht: um die andere Benennung einer Sache [wobei entweder typische Eigenschaften dieser Sache genannt werden oder ein typischer Vertreter einer Gruppe für die Gruppe selbst steht.] Einige Beispiele:


(1) Der Schöpfer der Welt ist voller Gnade.

Das obige Beispiel verdeutlicht das grundsätzliche Prinzip der Antonomasie. Die Wortfolge Schöpfer der Welt meint Gott, der – so steht es Alten Testament der Bibel – die Welt in sieben Tagen erschaffen hat. Demzufolge wird der Begriff Gott durch drei Wörter umschrieben, die eindeutig auf ihn verweisen, da sie charakteristisch für ihn sind. Diese Form, also die Umschreibung durch Eigenschaften, wird auch als Periphrase bezeichnet.

Jedoch funktioniert die Antonomasie nicht nur als ausholende Umschreibung, sondern kann ebenso durch das Nennen bestimmter Eigenarten auf den Eigennamen verweisen. Gero von Wilpert nennt im Sachwörterbuch der Literatur vier Formen der Umschreibung: durch Nennung a) des Vaternamens (der Pelide = Achilles, dessen Vater Peleus ist), b) der Volkszugehörigkeit (der Galiläer für Jesus), c) der Berufsbezeichnung (Dichterfürst für Goethe) und d) der ausholenden Umschreibung (Periphrase; obiges Beispiel).


(1) Nach den anstrengenden Konferenzen und persönlichen Unterredungen stellte sich die 60-jährige CDU-Frontfrau den zahlreichen Fragen der Reporter. „Wir haben viel geschafft, weshalb ich denke, dass die anfänglichen Probleme nach diesen Tagen aus dem Weg geräumt sind.“, so die gebürtige Uckermärkerin, auch wenn sie hinzufügt, „dass es erforderlich sei, an den Absprachen auch tatsächlich festzuhalten, um möglichst schnelle Ergebnisse zu sehen.“ So entschlossen erleben wir die Wankelmütige selten!


Dieses Beispiel ist ein möglicher Text über Angela Merkel. Dabei werden zwei Merkmale der Antonomasie ersichtlich. So ist sie ein beliebtes Stilmittel in journalistischen Textsorten, um eintönige Wortwiederholungen zu vermeiden, doch ebenso kann die Häufung solcher Antonomasien das Textverständnis gefährden. Wenn das Gemeinte nämlich nur noch durch Umschreibungen benannt wird, ist für den Empfänger (Leser, Hörer) nicht sofort ersichtlich, was damit gemeint ist, da er dafür ein bestimmtes Hintergrundwissen benötigt.


(2) Verraten hast du mich, du Judas!

Dieser Beispielsatz verdeutlicht die zweite Form der Antonomasie. Dabei wird eine Gruppe oder Gattung durch einen besonderen, bekannten Vertreter dieser Gruppe oder Gattung benannt. Judas Ischariot, einer der Jünger Jesu, verrät Jesus. Judas ist demzufolge ein bekannter Vertreter der Verräter. Wenn jemand einen anderen als Judas bezeichnet, meint er, dass dieser ein Verräter ist. Das ist eine Form der Antonomasie.

Dieser Gebrauch der Stilfigur ist mit der Synekdoche verwandt. Die Synekdoche meint den Umstand, dass ein Teil für das Ganze steht (Dach für Haus) oder das Ganze für ein Teil (Deutschland ist Papst). Wenn nun eine Person als Judas bezeichnet wird, steht der Jünger für alle Verräter. Demnach steht ein Teil für das Ganze, was die Verwandtschaft zur Synekdoche erklärt. Ähnlich würde es sich beispielsweise verhalten, wenn ein hoffnungsvoller SonettDichter als neuer Shakespeare oder ein starker Mann als Herkules bezeichnet wird.

Kurzübersicht: Das Wichtigste zur Wirkung und Funktion der Stilfigur


  • Die Antonomasie ist ein rhetorisches Stilmittel. Sie meint entweder die Benennung einer Sache durch Umschreibung (Nennung des Vaternamens, der Volkszugehörigkeit, des Berufs, einer ausholenden Umschreibung) oder aber das Nennen eines typischen Vertreters einer Gruppe oder Gattung, um die gesamte Gruppe oder Gattung zu bezeichnen.
  • Wichtig ist hierbei aber immer ein Hintergrundwissen des Empfängers (Leser, Hörer), denn wer nicht weiß, dass der Schöpfer der Welt der biblische Gott ist oder das Judas ein Verräter war, kann mit ebendiesen Umschreibungen absolut gar nichts anfangen.
  • Antonomasien werden zumeist genutzt, um einen Text lebendiger oder auch anschaulicher zu gestalten. Weiterhin sind sie ein typisches Mittel, um Wortwiederholungen zu vermeiden und finden sich demnach in den meisten journalistischen Textsorten. Dabei ist zu bedenken, dass der Leser stets ein Hintergrundwissen zum Verständnis der Figur braucht, weshalb eine Häufung im Text das Lesen erschweren kann.

  • Hinweis: Die Antonomasie gehört zur Gruppe der Tropen. Tropen sind Stilfiguren, die das Gemeinte (bspw. Kamel) nicht direkt mit dem eigentlichen Wort benennen, sondern einen anderen Begriff wählen (bspw. Wüstenschiff). Das Gesagte weicht so vom Gemeinten ab.


Stichwortverzeichnis