Die Dreigroschenoper

Einleitung

Die Dreigroschenoper ist ein der bekanntesten Theaterstücke von Bertolt Brecht. Die Musik für Die Dreigroschenoper wurde vom deutschen Komponisten Kurt Weill geschrieben.

Eine Uraufführungsfassung erschien im Oktober 1928 als Bühnenmanuskript im Verlag Felix Bloch Erben. Eine bearbeitete Fassung des Stückes, zusammen mit den Anmerkungen zur Dreigroschenoper, erschien im Heft 3 der Versuche im Frühjahr 1931 beim Gustav Kiepenheuer Verlag. Infolge des unerwarteten und stürmischen Erfolgs der Uraufführung, die am 31 August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin stattfand, konnte sich Brecht plötzlich als gefeierter Dramatiker etablieren.

Die Dreigroschenoper ist eine Bearbeitung der Beggarʼs Opera („Die Bettleroper“) von John Gay (1728), mit welcher im 18. Jahrhundert eine neue und der italienischen Hofoper entgegengestellte Gattung musikalischen Theaters entsteht (die Ballad Opera), welche populäre Gesangformen wie Ballade und Moritat für das Theater wieder aufnimmt.

Diesem in London der 1920 Jahren wiederentdeckten und wiederaufgeführten Werk verdankt Brecht nicht nur die melodramatische und parodistische Struktur, sondern auch viele Figuren, Namen und Situationen der Dreigroschenoper. Brechts Fassung aber ist insgesamt ein ganz neues Stück und wahrscheinlich eines seiner persönlichsten Werke.

Inhaltsangabe

Das Stück spielt im Londoner Stadtteil Soho und handelt vom Kampf zwischen zwei besonderen Geschäftsmenschen, dem Boss der Bettelmafia Peachum und dem Verbrecher Macheath, auch Mackie Messer genannt, der mit der korrupten Polizei befreundet ist.

Mackie verführt Peachums Tochter Polly, woraufhin Peachum Macheath bei der Polizei anzeigt, weil seine bürgerliche und religiöse Moral gegen die Hochzeit seiner Tochter mit einem Verbrecher ist.

Mackie wird von seiner Ex-Geliebten (der Hure Jenny) verraten und der Polizeichef Brown muss seinen Freund Mackie verhaften, denn Peachum droht, durch eine Demonstration des Elends, den Krönungstag der Königin zu stören. Es gelingt Mackie mit der Hilfe einer anderen Geliebten (Lucy, die Tochter des Polizeichefs Brown) der Verhaftung zu entkommen.

Er wird jedoch erneut verraten, verhaftet und zum Tode verurteilt. Doch kurz bevor er hingerichtet wird, erscheint der Polizeichef Brown als königlicher Bote und verkündet, dass Mackie Messer begnadigt und in den Adelsstand erhoben wird.

Szenenübersicht

Szenen des Theaterstücks Die Dreigroschenoper
Vorspiel Auf dem Jahrmarkt in Soho singt ein Moritatensänger die Moritat von Mackie Messer, während auf der Bühne die Hauptfiguren des Stückes erscheinen (vgl. Protagonist).
ERSTER AKT
1. Szene Jonathan Peachum ist der Inhaber der Firma Bettlers Freund, die das Elend als Ware betrachtet; sie organisiert und unterstützt die Bettler gegen Abgabe der Hälfte ihrer Einnahmen, indem sie sie effektiv einkleidet und ihnen die richtige Sprüche beibringt, um das menschliche Mitleid zu erwecken. („Um der zunehmenden Verhärtung der Menschen zu begegnen, hatte der Geschäftsmann J. Peachum einen Laden eröffnet, in dem die Elendsten der Elenden jenes Aussehen erhielten, das zu den immer verstockteren Herzen sprach.“) Peachum ist besorgt, weil der Verbrecher Mackie Messer seiner Tochter Polly den Hof macht.
2. Szene In einem leeren Pferdestall veranstaltet Mackie seine Hochzeit mit Polly. Mackies Freunde schleppen gestohlene Teppiche und Möbel und verwandeln den Stall in ein feines Lokal. („Tief im Herzen Sohos feiert der Bandit Mackie Messer seine Hochzeit mit Polly Peachum, der Tochter des Bettlerkönigs.“) Auch der Polizeichef Brown, Mackies alter Freund, ist anwesend und versichert Mackie, dass gegen ihn bei Scotland Yard nichts vorliegt.
3. Szene Peachum und seine Frau erfahren, dass ihre Tochter geheiratet hat. Sie wollen, dass Polly sich sofort scheiden lässt, aber das naive Mädchen erwidert, sie liebt Mackie und die Liebe sei das Höchste auf der Welt. („Für Peachum, der die Härte der Welt kennt, bedeutet der Verlust seiner Tochter dasselbe wie vollkommener Ruin.“) Frau Peachum sagt ihrem Mann, dass der Verbrecher Mackie Messer mehrere Weiber hat. Peachum beschließt also, Mackie bei der Polizei anzuzeigen.
4. Szene Polly warnt Mackie, dass ihr Vater die Polizei gedroht hat, Brown für ihn nichts machen kann und die Polizei ihn verhaften will. Mackie überlässt Polly sein Geschäft, verspricht ihr treu zu sein und verabschiedet sich. („Donnerstagnachmittag: Mackie Messer nimmt Abschied von seiner Frau, um vor seinem Schwiegervater auf das Moor von Highgate zu fliehen.“) Frau Peachum trifft die Hure und Mackies Ex-Geliebte Jenny und überredet sie mit zehn Schillingen, den Banditen anzuzeigen, falls er bei ihr auftauchen würde.
ZWEITER AKT
5. Szene Statt ins Moor von Highgate zu fliehen, versteckt sich Mackie im Hurenhaus von Turnbridge. Jenny verrät ihn und Mackie wird von der Polizei verhaftet. („Die Krönungsglocken waren noch nicht verklungen und Mackie Messer saß bei den Huren von Turnbridge! Die Huren verraten ihn. Es ist Donnerstag abend.“)
6. Szene Mackie ignoriert die Entschuldigungen des Freundes und Polizeichefs Brown. Lucy, Tochter von Brown und frühere Geliebte Mackies, und Polly besuchen Mackie im Gefängnis und es kommt zu einer Eifersuchtsszene zwischen den beiden Frauen. Polly wird von Frau Peachum abgeschleppt und Mackie gelingt es, Lucy dazu zu überreden, ihm zum Fliehen zu verhelfen. („Verraten von den Huren, wird Macheath durch die Liebe eines weiteren Weibes aus dem Gefängnis befreit.“) Als Peachum Mackie im Knast besuchen will, findet er Brown auf der Pritsche sitzend. Peachum bedroht die Polizei, mit den unteren Schichten der Bevölkerung. Er droht den Krönungstag der Königin zu stören. Mackie kehrt wieder in das Hurenhaus zurück.
DRITTER AKT
7. Szene Peachum ruft seine 1432 Bettler zusammen, um den Krönungstag der Königin zu stören. („In derselben Nacht rüstet Peachum zum Aufbruch. Durch eine Demonstration des Elends beabsichtigt er, den Krönungszug zu stören.“) Frau Peachum will Jenny nicht bezahlen, da Mackie letztendlich wieder verschwunden ist; Jenny verrät, dass Mackie bei ihrer Kollegin Suky Tawdry Unterkunft gefunden hat und Peachum informiert die Polizei über Mackies neues Versteck. Peachum erpresst Browm erneut. Angesichts der Masse der Armen begreift Brown die Gefahr für den Krönungstag und schickt seine Polizisten, Mackie zu verhaften.
8. Szene Polly entschuldigt sich bei Lucy für ihr Benehmen im Gefängnis. Die zwei Mädchen versöhnen sich und hören von der Straße, dass Mackie wieder gefangen wurde. Frau Peachum sagt Polly, dass ihr Mann bald hingerichtet und sie Witwe sein wird.
9. Szene („Freitag morgen, 5 Uhr: Mackie Messer, der abermals zu den Huren gegangen ist, ist abermals von den Huren verraten worden. Er wird nunmehr gehängt.“) Mackie wird um 5 Uhr morgens von den Freunden und Polly im Gefängnis besucht. Auch Brown, Peachum und seine Frau wollen mit Mackie sprechen. Jenny sagt Mackie, dass niemanden zur Krönung gegangen ist, da alle seine Hinrichtung sehen wollen. Als er um 6 Uhr aus dem Käfig geholt wird, hält Mackie seine bekannte Rede: „Wir wollen die Leute nicht warten lassen. Meine Damen und Herren. Sie sehen den untergehenden Vertreter eines untergehenden Standes. Wir kleinen bürgerlichen Handwerker, die wir mit dem biederen Brecheisen an den Nickelkassen der kleinen Ladenbesitzer arbeiten, werden von den Großunternehmern verschlungen, hinter denen die Banken stehen. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes? Mitbürger, hiermit verabschiede ich mich von euch.“ Doch kurz bevor er hingerichtet wird, erscheint Brown als königlicher Bote und verkündet, dass Mackie sofort freigelassen, in den Adelsstand erhoben und ihm eine Rente von 10000 Pfund überreicht wird (vgl. Deus ex machina).

 

Figuren

  • Macheath, Chef einer Platte von Straßenbanditen
  • Jonathan Jeremiah Peachum, Chef einer Bettlerplatte
  • Celia Peachum, seine Frau
  • Polly Peachum, seine Tochter
  • Brown, Polizeichef von London
  • Lucy, seine Tochter
  • Jenny, Mackies Ex-Geliebte
  • Smith, Konstabler
  • Pastor Kimball
  • Filch, einer von Peachums Bettlern
  • Ein Moritatensänger
  • Die Straßenbanditen: Münzmatthias, Hakenfingerjakob, Sägerobert, Ede, Jimmie, Trauerweidenwalter
  • Bettler
  • Huren
  • Konstabler
  • Volk
  • Chor

 

Form

Die dreiaktige Struktur des Stückes orientiert sich am Grundcharakter der Ballad Oper, deren Handlung ständig von Balladen und Songs unterbrochen wird. Die 9 Szenen unterschiedlicher Länge enthalten insgesamt 21 Songs.

Der Komponist Kurt Weill, der für die Musik des Werkes verantwortlich war, verwendet in seinen Liedern zur Dreigroschenoper Elemente aus Jazz, Blues und Tanzmusik und parodiert das Genre der Oper und der Operette. Für die Songtexte greift Brecht auf eigene Gedichte und außerdem auf Balladen von Villon und Kipling zurück.

Sonstiges

Durch die sehr raffinierte Verwendung der Parodie vermag es Brecht, eine politische und kritische Darstellung der Machtverhältnisse in der modernen Welt darzustellen.

Indem Brecht den Plot aus dem 18. Jahrhundert in die Gegenwart der entwickelten kapitalistischen Welt überträgt, aktualisiert er die kritische These, die im alten Text enthalten war: John Gays Bettleroper zeigte nämlich, dass Diebstahl und Betteln ein Gewerbe wie alle anderen auch sind. Die Bettleroper stellt fest, dass auch die Diebe Bürger sind.

Brecht wiederum kehrt diese Gleichung um und stellt fest: Bürger sind Diebe. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? fragt sich die Hauptfigur Macheath in der zentralen Szene des Stückes, Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?.

Das happy end, das mithilfe eines Deus ex machina realisiert wird, ist eine vernichtende Parodie des versöhnenden happy ends im bürgerlichen Drama, wo alles für den Stand des Adels und für die Klasse der Reichen zu einem harmonischen und glücklichen Ende führen sollte. Aber das parodistische Finale ist auch „realistisch“, indem es die Solidarität zwischen Bourgeoisie und Verbrechen widerspiegelt.

Bertolt Brecht

Bertolt Brecht ist ein deutscher Autor, der 1898 in Augsburg geboren wurde. Er starb 1954 in (Ost-)Berlin und war ein bedeutender Dramatiker und Lyriker des 20. Jahrhunderts.

Brecht erlebte sowohl den Ersten als auch den Zweiten Weltkrieg, den Aufstieg des Nationalsozialismus sowie die Gründung der DDR. Er gilt als Begründer des epischen Theaters und ist darüber hinaus für seinen Begriff der Verfremdung bekannt.

Brecht begann schon während seiner Schulzeit in Augsburg zu dichten. Während des 1. Weltkrieges schrieb er mehrere Reportagen für Lokalzeitungen und begann, als der 1. Weltkrieg vorbei war, in München Medizin und Philosophie zu studieren. Anstatt sich allerdings mit der Medizin zu beschäftigen, interessierte er sich für Gegenwartsliteratur. Er knüpfte Freundschaften zu anderen Künstlern und schrieb bereits 1918 sein erstes Drama („Baal“).

Über die Jahre gelang es Brecht, zahlreiche Kontakte zu allerhand Intellektuellen zu knüpfen. Ihm wurde bereits 1922 der Kleist-Preis für seine künstlerische Arbeit verliehen. In der zweiten Hälfte der 20er Jahre entwickelte sich Brecht zu einem überzeugten Kommunisten. Zu Beginn der dreißiger Jahre arbeitete er an seinen sogenannten Lehrstücken („Der Jasager“, „Die Maßnahme“).

Nachdem die Nationalsozialisten die Macht ergriffen hatten, war Brecht gezwungen, aus Deutschland zu fliehen. Er lebte zunächst in Dänemark und später in den USA im Exil. Nach dem 2 Weltkrieg siedelte er nach Ost-Berlin, wo er das Theater am Schiffbauerdamm gründete. Zu den bekanntesten Werken Brechts zählen Die Dreigroschenoper, Die heilige Johanna der Schlachthöfe sowie Der gute Mensch von Sezuan, wobei außerdem das Leben des Galilei eine enorme Bekanntheit erlangte.