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- Im düstern Auge keine Thräne,
- Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
- Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,
- Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
- Wir weben, wir weben!
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- Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
- In Winterskälte und Hungersnöthen;
- Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
- Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
- Wir weben, wir weben!
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- Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
- Den unser Elend nicht konnte erweichen,
- Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
- Und uns wie Hunde erschießen läßt –
- Wir weben, wir weben!
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- Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
- Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
- Wo jede Blume früh geknickt,
- Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
- Wir weben, wir weben!
- Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
- Wir weben emsig Tag und Nacht –
- Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
- Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
- Wir weben, wir weben!
Zur Darstellung von Die schlesischen Weber
Der oben stehende Gedichttext orientiert sich an der letzten revidierten Fassung von Heinrich Heine. Folglich haben wir die Rechtschreibung nicht angepasst und auch sämtliche Einrückungen des Autors beibehalten.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterungen
Hintergrund
Die Ballade Die schlesischen Weber von 1844 (auch: Weberlied) von Heinrich Heine ist ein wichtiges Beispiel für die Lyrik des Vormärz, womit eine Epoche zwischen der Julirevolution (1830) und der Märzrevolution (1848) bezeichnet wird (vgl. Literaturepochen).
Heines Werk zeigt das Elend der schlesischen Weber, die 1844 einen Aufstand gegen Lohnverfall und Ausbeutung wagten, da sie sich aufgrund eines enormen Preisverfalls ihrer Waren mit katastrophalen Zuständen konfrontiert sahen und in Armut und Hunger lebten.
Zwar versuchten die schlesischen Weber, den Preisverfall ihrer Waren durch Quantität wettzumachen, doch selbst die Ausdehnung der Arbeitszeit sowie Kinderarbeit reichten nicht aus, um die krassen Lohnkürzungen und den preislichen Verfall auszugleichen. Vor allem deshalb nicht, weil die Händler aufgrund der rascheren Produktion die Qualität bemängelten und den Preis noch weiter drückten.
Die Weberaufstände sind somit letzten Endes ein Hilferuf aus der arbeitenden Schicht, der auf die Missstände aufmerksam macht, die im Rahmen der einsetzenden Industrialisierung in ganz Deutschland entstanden und kennzeichnend für ein Deutschland waren, das sich in einem schwierigen Übergang von der Agrar- zur urbanisierenden Industriegesellschaft befand.
Entstehung
Das Werk wurde unter dem Titel Die armen Weber im Jahr 1844 unter den Initialen Heines, also H.H., veröffentlicht. Es wurde am 10. Juli 1844 in Karl Marx’ Vorwärts!, einer deutschsprachigen Zeitung, erstmalig veröffentlicht. Darüber hinaus wurde es in einer Auflage von 50.000 Stück als Flugblatt in den Aufstandgebieten verteilt.
Den Titel Die schlesischen Weber erhielt es vermutlich erst 1846. Ferner wurde das Werk in diesen Jahren mehrmals überarbeitet – so bestand die Fassung, die als Die armen Weber unters Volk gebracht wurde, lediglich aus vier Strophen und unterschied sich darüber hinaus in weiteren, kleineren Details.
Erste Fassung: Die armen Weber„
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- Im düstern Auge keine Thräne,
- Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
- Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
- Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
- Wir weben, wir weben!
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- Ein Fluch dem Gotte, dem blinden, dem tauben
- Zu dem wir gebetet mit kindlichem Glauben;
- Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
- Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt.
- Wir weben, wir weben!
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- „Ein Fluch dem König’, dem König’ der Reichen,
- Den unser Elend nicht konnte erweichen,
- Der uns den letzten Groschen erpreßt,
- Und uns wie Hunde erschießen läßt!
- Wir weben, wir weben!
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- „Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
- Wo nur gedeihen Lüg’ und Schande,
- Wo nur Verwesung und Todtengeruch –
- Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch!
- Wir weben, wir weben!
- Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
- Wir weben emsig Tag und Nacht –
- Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
- Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
- Wir weben, wir weben!
Analyse
Aufbau
Gedichtanalyse der äußeren Form | ||
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Gedichtart | Ballade | |
Strophen | 5 Strophen mit je 5 Versen | |
Verse | Insgesamt 25 Verszeilen aus ingesamt 148 Wörtern | |
Versmaß (Metrum) |
kein durchgängiges Versmaß, alle Verse sind jedoch durchgängig vierhebig; alle Verse, außer der 3., mit Auftakt. | |
Reimschema | Durchgängiger Paarreim (aabb); Strophe endet mit dem Kehrreim „Wir weben, wir weben!“ | |
Reimformen | Verse der Strophen durch Endreime verbunden, zumeist reine Reime, aber auch vereinzelt unreine (bspw. gebeten / Hungersnöthen) | |
Zeitformen | Präsens (Gegenwart), Perfekt |