Die erzählte Zeit ist ein Begriff aus der Erzähltheorie. Als erzählte Zeit wird hierbei die Zeitspanne bezeichnet, die ein episches Werk beinhaltet. Sie ist demnach die fiktive Zeitspanne oder Dauer des erzählten Geschehens eines Erzähltextes. Ihr gegenüber steht die Erzählzeit. Als Erzählzeit wird die Zeit bezeichnet, die ein Leser benötigt, um ein Werk tatsächlich zu lesen.
Inhaltsverzeichnis
Erzähltempo
Wenn wir davon ausgehen, dass die Erzählzeit die Zeit meint, die der Erzähler braucht, um die Geschichte darzustellen oder ein Leser benötigt, um sie zu konsumieren, können wir sehen, dass es bei der Erzählzeit prinzipiell um ein Verhältnis zwischen discours (Art und Weise, wie erzählt wird) und histoire (Geschichte) geht. Dieses Verhältnis bildet schließlich das Erzähltempo einer Geschichte (Erzählgeschwindigkeit).
Ist die erzählte Zeit im Werk länger als die Dauer, die zum Lesen der Geschichte benötigt wird, sprechen wir von einer Zeitraffung, ist beides ungefähr gleich lang, haben wir es mit zeitdeckendem Erzählen zu tun. Erstreckt sich die Erzählung über zahlreiche Seiten und schildert nur einen kurzen Moment, kann das Erzählen als zeitdehnend beschrieben werden.
Das Schema zeigt den Zusammenhang zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit und wie sie Rhythmus und Geschwindigkeit der Erzählung beeinflussen. Die meisten Werke raffen viele Ereignisse und fassen sie zusammen. Zeitdeckendes Erzählen ist die typische Form des Dialogs oder Monologs, wobei eine zeitliche Dehnung durch (Abschweifungen) des auktorialen Erzählers oder detailreichem Erzählen realisiert wird.
Beispiel: Erzählzeit und erzählte Zeit
Um das Ganze anhand eines Beispiels zu verdeutlichen, können wir bei Thomas Mann bleiben. Der Gesellschaftsroman Buddenbrooks: Der Verfall einer Familie (1901) ist das früheste seiner großen Werke. Groß ist es außerdem in Bezug auf den Umfang und die erzählte Zeit.
Einerseits schildert es das Schicksal der Familie Buddenbrook über mehrere Generationen und andererseits hat es einen Umfang von mehreren hundert Seiten. Die erzählte Zeit erstreckt sich über einige Jahrzehnte, wohingegen die Erzählzeit, auch wenn der Roman umfassend ist, wahrscheinlich nur einige Tage beträgt.
Was bewirken erzählte Zeit und Erzählzeit?
Bisher ging es lediglich um die Arten des Erzählens und inwiefern das Zusammenspiel der beiden Zeiten zeitraffendes, zeitdeckendes und zeitdehnendes Erzählen ermöglicht. Das Zusammenspiel beider Elemente hat aber auch noch einen Einfluss auf den Rhythmus des Werkes.
Sehr oft kommt es vor, dass in Erzählungen auf den ersten Seiten das bisherige Geschehen für einen Leser zusammengefasst wird. Stellen wir uns vor, der Protagonist der Geschichte ist in den Zwanzigern. Bevor der Roman uns nun durch das Leben des Helden führt, wobei vielleicht nur ein einzelner Monat beleuchtet wird, gibt die Figur einen kleinen Einblick in ihr Leben. So wird die Figur geformt und greifbarer.
Wenn es sich so verhält, kann diese anfängliche Zeitraffung ganz schnell wirken, wohingegen die folgenden Darstellungen eher langsam wirken. Dadurch, dass ein Werk mit dem schnellen und langsamen Erzählen spielen kann, wird so mit maßgeblich der Rhythmus des Werkes beeinflusst, der sich durchaus innerhalb einer Geschichte, aber auch im Vergleich zu anderen, untersuchen lässt.
- In einem Werk gibt es zwei Möglichkeiten, der Zeitmessung. Einerseits gibt es die Erzählzeit und und andererseits die erzählte Zeit. Die Erzählzeit meint die Zeitspanne, die ein Leser zum Lesen benötigt und wird meist mithilfe der Textmenge angegeben. Die erzählte Zeit ist die Zeit, die im Werk tatsächlich erzählt wird.
- Aus dem Verhältnis dieser beiden Ebenen, ergibt sich die Geschwindigkeit einer Erzählung: das Erzähltempo. Dabei kann entweder zeitraffend, zeitdeckend oder zeitdehnend erzählt werden.
- Mithilfe des Erzähltempos lassen sich Abschnitte eines Werkes oder sogar verschiedene Werke miteinander vergleichen. Das Erzähltempo bestimmt nämlich maßgeblich den Rhythmus einer Geschichte. Dieser Rhathmus kann innerhalb eines Werkes durchaus wechselhaft sein.