Die Merkmale einer Fabel sind relativ offensichtlich, wenn wir uns erstmalig mit der Fabel befassen. Aber auch, wenn es offenkundig um Tiere und eine zugrundeliegende Moral geht, stecken meist noch mehr Merkmale im Text, um diesen als Fabel identifizieren zu können.
In der Fabel begegnen wir meist Tieren, doch mitunter sind die Protagonisten der Fabel auch andere Lebewesen, die sinnbildlich für den Menschen und dessen Verhalten stehen, wie beispielsweise Pflanzen oder auch belebte Objekte. Dennoch bewegen wir uns meist im Reich der Tiere.
Hierbei wird durch die personifizierte Tierform gewissermaßen die Wahrheit ans Licht gebracht und dem Rezipienten aufgezeigt, indem typische Handlungen und Abläufe des menschlichen Seins erzieherisch oder satirisch vorgeführt werden.
Merkmale einer Fabel
Nun ist es allerdings so, wie bei den Merkmalen einer Kurzgeschichte: Viele Punkte können wir auf jede Fabel anwenden, andere finden wir nicht in jedem Text wieder. Allerdings ist es häufig ein hilfreicher Hinweis für die Identifikation der Textsorte, wenn mehrere der genannten Merkmale zutreffen. Wir haben uns dabei für eine übersichtliche Listenform entschieden.
- In der Regel sind Tiere oder Pflanzen die Protagonisten der Fabel
- Allerdings kommen häufig nur sehr wenige Tiere darin vor
- Es gibt keine charakterliche Veränderung; die Tier-Eigenschaften sind klar verteilt
- Die Fabel hält dem Mensch einen Spiegel vor; so werden menschliche Eigenschaften oftmals satirisch aufgegriffen und dadurch verdeutlicht oder übertrieben
- Häufig werden grundsätzliche Dinge angeprangert, wie Gier, Neid, Unfairness oder Eitelkeit
- Die Zeit und der Ort der Fabel werden in der Regel nicht genau benannt
- Fabeln sind meist sehr, sehr kurz und bestehen nur aus wenigen Zeilen
- Der Aufbau der Fabel ist dreigeteilt: Ausgangssituation, Streit (Gespräch) und Lösung
- Diese Lösung beinhaltet in der typischen Fabel eine belehrende Moral
Tiere in der Fabel
Oftmals sind Tiere die Protagonisten einer Fabel und im Grunde ist das auch das wesentliche Merkmal einer solchen Erzählung. Dabei bedient sich die Textform bestimmter Annahmen und Eigenschaften, die wir den Tieren zuschreiben.
So ist der Fuchs meist gerissen und schlau, der Bär ist gutmütig und freundlich, wohingegen der Wolf der Inbegriff des Bösen ist. Er lügt, wirkt bedrohlich und dabei auch manchmal ein wenig leichtsinnig. Eine genaue Aufstellung finden Sie im Beitrag Fabeltiere und ihre Eigenschaften.
Beispiele der Merkmale einer Fabel
Um die genannten Merkmale einmal im Text aufzuzeigen, möchten wir diese anhand eines kleinen Beispiels illustrieren. Dafür haben wir Luthers Text Vom Raben und Fuchs herangezogen.
Ein Rab‘ hatte einen Käse gestohlen und setzte sich auf einen hohen Baum und wollte zehren.
Da er aber seiner Art nach nicht schweigen kann, wenn er isst, hörte ihn ein Fuchs über dem Käse kecken und lief zu und sprach: „O Rab‘, nun hab‘ ich mein Lebtag keinen schöneren Vogel gesehen von Federn und Gestalt, denn du bist. Und wenn du auch so eine schöne Stimme hättest zu singen, so sollt‘ man dich zum König krönen über alle Vögel.“
Den Raben kitzelte solch Lob und Schmeicheln, fing an und wollt‘ seinen schönen Gesang hören lassen. Und als er den Schnabel auftat, entfiel ihm der Käse; den nahm der Fuchs behänd, fraß ihn und lachte des törichten Raben.
- Tiere sind die Protagonisten: Rabe und Fuchs
- Die Rollenaufteilung ist klar: Der Fuchs ist listig, der Rabe ist eitel
- Der Text besteht aus wenigen Zeilen
- Auch hier ist der Aufbau dreiteilig: Situation, Gespräch, Lösung
- Der Text hält dem Mensch einen Spiegel vor; durch Eitelkeit oder das Wort eines Schmeichlers können wir „etwas verlieren“, das uns wichtig ist
- Dadurch gibt es eine Moral: Hüte Dich vor Schmeichlern UND/ODER Sei nich eitel
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