Oskar Maria Graf

Der Autor Oskar Maria Graf wurde am 22. Juli 1894 in Berg am Starnberger See geboren und starb am †28. Juni 1967 in New York. Er war ein oberbayrischer Volksschriftsteller, der sich selbst als Provinzschriftsteller und Bauerndichter bezeichnete.


Seine literarischen Anfänge finden sich in expressionistischer Lyrik. Dennoch lässt er sich kaum einer literarischen Strömung zuordnen, wobei sein Œuvre zahlreiche Gattungen umfasst. Er verfasste Gedichte, Romane, (autobiografische) Erzählungen, Kalendergeschichten, politische Aufrufe und kurze Prosa.

Nach der Emigration in die USA erhält er Jahre später die US-amerikanische Saatsbürgerschaft. Romane wie Der Abgrund (1936) und Anton Sittinger (1937)gehören zu den „scharfsinnigsten literarischen Analysen des Verhältnisses von Kleinbürgertum und Faschismus“[1].

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Lebenslauf

  • Am 22. Juli 1894 wird Oskar Maria Graf als Sohn des bayrischen Bäckermeisters Max Graf und der Bauerntochter Therese, eine geborene Heimrath, in Berg am Starnberger See geboren. Er ist der neunte Sohn von elf Kindern.

  • Ab 1900 besucht er die Dorfschule in Aufkirchen.

  • 1906 stirbt Grafs Vater und sein Bruder Max übernimmt die Bäckerei, in der Graf fortan arbeitet. In seiner Autobiografie Wir sind Gefangene von 1927 schildert er die Misshandlungen, die er unter seinem Bruder erleidet.

  • 1911 rettet Graf sich aus der Misshandlungssituation und flieht nach München, um Schriftsteller zu werden.

  • In München gerät Oskar Maria Graf in finanzielle Not und kommt mit Anhängern der anarchistischen[2] Gruppe Tat um die Autoren Erich Mühsam und Gustav Landauer in Kontakt. Die Gruppe gehört dem Sozialistischen Bund an und versucht, die unterste Arbeiterschicht zum Anarchismus aufzuwiegeln.
  • Graf beschäftigt sich mit den Ideen der Gruppe, nimmt an ihren Aktionen teil und wird schnell zu ihrem Schriftführer. In diesem Zusammenhang verkehrt er mit der Schwabinger Bohème, dem, teils anarchistischen, Künstlermilieu Münchens. Graf versucht zu dieser Zeit, sich mit Gelegenheitsarbeiten aus seiner finanziellen Notlage zu befreien.

  • Zwischen 1912 und 1913 führt Graf das Leben eines Vagabunds, hält sich in der Schweiz auf dem Monte Verità bei Ascona, einem Treffpunkt für Schriftsteller, Künstler, Pazifisten und Anhänger unterschiedlicher alternativer Bewegungen, und Oberitalien auf.
  • Der Maler Georg Schrimpf wird ihm zum lebendlangen Freund. Beide arbeiten in der Künstler- und Reformerkolonie Monte Verità, kehren 1914 aufgrund beständiger Geldnot und Grafs Abneigung gegenüber des Lebensstils der Kolonie zurück nach München.

  • Seine ersten Gedichte werden in der expressionistischen Zeitschrift Die Aktion veröffentlicht.

  • Am 1. Dezember 1914 wird Graf zum Militär einberufen.

  • 1915 dient er bei einer bayerischen Eisenbahntruppe an der Ostfront in Ostpreußen und Litauen.
  • In dieser Zeit veröffentlicht die anarchistisch-dadaistische[3] Zeitschrift Die Freie Straße erstmals eine Erzählung Grafs.

  • Die antimilitaristische Überzeugung seiner Familie treibt Graf mit seinem Widerstand auf den Höhepunkt. 1916 verweigert Graf Befehle seiner Vorgesetzten und soll deshalb verurteilt werden.
  • Graf wird stattdessen in eine Irrenanstalt in Brandenburg eingewiesen, später in Haar bei München. Infolge eines zehntägigen Hungerstreiks wird er als dienstuntauglich eingestuft und aus dem Kriegsdienst entlassen.

  • Graf beginnt, nach einer Beschwerde des gleichnamigen Kriegsmalers Oskar Graf (auch Oscar Graf) unter dem Namen Oskar Graf-Berg zu veröffentlichen.

  • 1917 nennt sich Graf auf Vorschlag des Künstlers Jacob Carlo Holzer mit zweitem Vornamen Maria.
  • Im selben Jahr veröffentlicht Graf seinen ersten Gedichtband Die Revolutionäre.

  • Am 26. Mai 1917 heiratet er Karoline Bretting. Aus der Ehe geht am 13. Juni 1918 die Tochter Annemarie hervor. Annamirl, so wird das Mädchen genannt, wächst nach der Trennung der Eltern im selben Jahr bei Grafs Mutter auf.

  • Dank eines Stipendiums durch die Mäzenin[4] Herta König kann sich Graf dem Schreiben widmen.

  • Im Januar 1918 nimmt Graf am Munitionsarbeiterstreik teil, bei dem bessere Lebens- sowie bessere Arbeitsbedingungen, eine demokratische Verfassung für das Deutsche Kaiserreich und das Ende des Ersten Weltkriegs gefordert werden, woraufhin er für kurze Zeit verhaftet wird.

  • Im April 1919 beteiligt sich Graf an der Münchner Räterepublik, den revolutionären Bewegungen, die zum Ziel haben, im Freistaat Bayern eine sozialistische Republik nach einem rätedemokratischem Muster durchzusetzen.
  • Daraufhin wird er erneut für einige Wochen inhaftiert.

  • In einem Brief vom Mai 1919 an den zuständigen Anwalt setzt sich Rainer Maria Rilke für die Freilassung Grafs ein.

  • Im selben Jahr geht Graf eine Beziehung mit der Jüdin Mirjam Sachs (eine Cousine von Nelly Sachs) ein.

  • Ab 1920 arbeitet Graf als Dramaturg am Arbeitertheater Die neue Bühne und schließt Freundschaft mit Bertolt Brecht.

  • 1927 gelingt Graf mit seiner Autobiografie Wir sind Gefangene der literarische Durchbruch. Mit der Autobiografie wird er auch außerhalb Deutschlands bekannt.

  • Mit seinem Bayrischen Dekameron hat er 1928 ebenfalls großen Erfolg und könnte von der Schriftstellerei leben, allerdings fällt es ihm schwer, sein Geld beisammen zu halten. In der Münchner Bohème ist er bekannt für seine rauschenden Künstlerfeste.

  • 1931 gelingt Graf ein weiterer Publikumserfolg mit seinem Roman Bolwieser.

  • Am 17. Februar 1933 reist Graf nach Wien und wird Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller.

  • Einer Anzeige aus dem Berliner Börsen-Courier entnimmt Graf, dass seine Bücher bei der Bücherverbrennung am 10.Mai 1933 durch die Nationalsozialisten verschont worden seien und das Lesen seiner Werke sogar empfohlen wird (in Wirklichkeit stehen auch Grafs Bücher auf der Schwarzen Liste zur Säuberung der Volksbüchereien). Daraufhin publiziert Graf den Artikel Verbrennt mich! in der Wiener Arbeiter-Zeitung:
Verbrennt mich! […] Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!

Quelle:Oskar Maria Graf: Unter Vorzensur. Arbeiter-Zeitung. Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs. Nr. 130. Wien, 12. Mai 1933, 46. Jahrgang

  • 1934 werden seine Bücher in München verbrannt, allerdings ist dies nicht nachgewiesen. Im Februar siedelt Graf nach Brünn in der Tschechoslowakei über.

  • Tatsächlich werden seine Bücher in Deutschland verboten und er selbst steht auf der zweiten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs, die am 29.März 1934 im Deutschen Reichsanzeiger veröffentlicht wird. Ab diesem Zeitpunkt lässt sich sein literarisches Werk als Exilliteratur bezeichnen.

  • Graf zieht nach Prag und hat gemeinsam mit der Schriftstellerin Anna Seghers und dem Publizisten Wieland Herzfelde die Redaktion der Monatszeitschrift Neue Deutsche Blätter inne. Die Zeitschrift wird von der deutschen Kinder- und Jugendbuchautorin Grete Weiskopf herausgegeben.

  • Von August bis September 1934 findet in Moskau der Erste Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller statt, an dem Graf zusammen mit anderen bekannten Schriftstellern wie Klaus Mann, Ernst Toller, Johannes R. Becher oder Egon Erwin Kisch teilnimmt.

  • Im September desselben Jahres stirbt Grafs Mutter Therese in Berg.

  • 1935 entsteht sein Roman Der harte Handel und ebenfalls bedeutsam der 1937 erscheinende Roman Anton Sittinger.

  • 1938 flüchtet Graf zusammen mit Mirjam Sachs über die Niederlande in die USA. Die German-American Writers Association, zu der unter anderem auch Thomas Mann gehört, ernennt ihn im Oktober desselben Jahres zu ihrem Präsidenten.
  • Er weigert sich, zu unterschreiben, für die Freiheit Amerikas zur Waffe zu greifen, worauhin er nicht amerikanischer Staatsbürger werden kann.

  • 1942 gründet er zusammen mit Wieland Herzfelde und anderen geflüchteten deutschen Schriftstellern den Aurora-Verlag und schreibt für den Aufbau, eine deutsch-jüdische Zeitung.

  • 1944 lässt sich Graf von Karoline Bretting scheiden und heiratet am 2. Oktober 1944 seine Lebensgefährtin Mirjam Sachs in New York City.

  • 1946 erscheint Grafs Roman Das Leben meiner Mutter in deutscher Sprache. Bereits 1944 war es in englischer Sprache erschienen und gilt als sein Hauptwerk.

  • 1947 wird der pazifistische Roman Unruhe um einen Friedfertigen veröffentlicht. Mit biografischen Einflüssen gelingt ihm hier die Beschreibung der Auswirkungen des Ersten Weltkriegs und des Beginns des Nationalsozialismus. Außerdem entstehen Die Eroberung der Welt (ab der 2. Auflage Die Erben des Untergangs) sowie Kalendergeschichten.

  • Im Dezember 1957 erhält Graf die amerikanische Staatsbürgerschaft, nach dem der Absatz zur Verteidigungsbereitschaft mit der Waffe gestrichen wurde.

  • Nachdem Graf im Januar 1958 die Einbürgerungsurkunde ausgehändigt wird, reist er im Juni 1958 erstmals wieder nach Europa. Er hält eine Lesung im Cuvilliés-Theater in der Münchner Residenz. Mit seinen Lederhosen verstößt er gegen die Kleiderordnung und erregt großes Aufsehen.

  • Graf pflegt seine kranke Frau Mirjam, die am 11. November 1959 an Krebs stirbt.

  • 1960 wird ihm aufgrund seiner geistigen Haltung, die keine Kompromisse zulässt, die Ehrendoktorwürde der Wayne State University of Detroit verliehen. Außerdem begibt sich Graf auf seine zweite Europareise.

  • 1962 heiratet Graf die UN-Angestellte Gisela Blauner, die eine Jüdin aus Leipzig ist.

  • 1964 reist Graf ein drittes Mal nach Europa, hält Lesungen, unter anderem in West- und Ostberlin, und ihm werden zahlreiche Ehrungen zuteil (unter anderem Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR sowie die Ehrengabe und Goldmedaille der Stadt München).

  • 1965 bereist Graf ein letztes Mal Deutschland, Österreich und die Schweiz.

  • 1966 wird seine Autobiografie Gelächter von außen. Aus meinem Leben 1918 bis 1933 veröffentlicht.

  • Am 28. Juni 1967 stirbt Oskar Maria Graf infolge schwerer Asthmaanfälle, die ihn seit Jahren plagten im Mount Sinai Hospital in New York. Seine Urne wird ein Jahr später nach Deutschland überführt und in München auf dem Bogenhausener Friedhof beigesetzt.
  • [1] Inge Stephan: Literatur in der Weimarer Republik. In: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Sechste, verbesserte und erweiterte Auflage. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2001, S. 420.

  • [2] Anarchismus bezeichnet eine Ideenlehre, die eine Staatsgewalt und gesetzliche Zwänge ablehnt.

  • [3] Der Dadaismus lehnt konventionelle Kunst und Kunstformen ab und zeichnet sich durch bürgerliche Ideale aus.

  • [4] Mäzen / Mäzenin sind Personen, die künstlerische, kulturelle, sportliche Tätigkeiten finanziell fördern.

Werke

  • Lyrik
      Die Revolutionäre. Gedichte, 1918
    • Amen und Anfang. Gedichte, 1919
    • Ua-Pua!. Indianerdichtungen, 1921
    • Das proletarische Schicksal, 1929
    • Der ewige Kalender. Gedichte, 1954
    • Altmodische Gedichte eines Dutzendmenschen, 1962
    • Jäher Schrecken, 1962

  • Epik
      Zur freundlichen Erinnerung. Soziale Novellen, 1922
    • Bayrisches Lesebücherl. Kulturbilder, 1924
    • Die Traumdeuter. Erzählungen, 1924
    • Die Heimsuchung. Roman, 1925
    • Die Chronik von Flechting. Ein Dorfroman, 1925
    • Finsternis. Sechs Dorfgeschichten, 1926
    • Im Winkel des Lebens. Erzählungen 1927
    • Licht und Schatten. Soziale Märchen, 1927
    • Bayrisches Dekameron. Erzählungen, 1928
    • Kalendergeschichten. Geschichten aus Stadt und Land, 1929
    • Eine Geschichte ohne Ende. In: Neue deutsche Erzähler Bd. 1 (Max Brod u. a.), 1930
    • Bolwieser. Roman, 1931
    • Notizbuch des Provinzschriftstellers Oskar Maria Graf. Satire, 1932
    • Einer gegen alle. Roman, 1932
    • 3 Bäckergeschichten von Oskar Maria Graf nebst 150 Rezepten für die Brezelbäckerei, undatierter Nachdruck aus den Jahrbüchern der Firma Diamalt
    • Der harte Handel. Bauernroman, 1935
    • Der Abgrund. Roman, 1936
    • Anton Sittinger. Roman, 1937
    • Der Quasterl. Dorf- und Jugendgeschichten, 1938
    • Das Leben meiner Mutter. Roman, 1940 auf englisch, 1946 auf deutsch
    • Unruhe um einen Friedfertigen. Roman, 1947
    • Mitmenschen. Erzählungen, 1948
    • Die Eroberung der Welt. Roman, 1949
    • Menschen aus meiner Jugend auf dem Dorfe. Erzählungen, 1953
    • Die Flucht ins Mittelmäßige. Roman, 1959
    • Der große Bauernspiegel. Erzählungen, 1962
    • Er nannte sich Banscho. Roman, 1964

  • Autobiografisches
      Frühzeit. Jugenderlebnisse, 1922
    • Wunderbare Menschen. Chronik und Autobiografie, 1927
    • Wir sind Gefangene. Autobiografisches, 1927
    • Dorfbanditen. Erlebnisse aus meinen Schul- und Lehrlingsjahren. Jugenderinnerungen, 1932
    • Größtenteils schimpflich. Jugenderinnerungen, 1962
    • Gelächter von außen. Aus meinem Leben 1918–1933, 1966
    • Reise nach Sowjetrußland 1934, 1974

  • Sonstiges
      Maria Uhden. Erinnerungen an die Malerin und Grafikerin, 1921
    • An manchen Tagen. Reden, Gedanken und Zeitbetrachtungen, 1961


Stichwortverzeichnis

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