Avantgarde

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägte die Avantgarde als revolutionäre Bewegung die Literatur, Kunst und Architektur. Die Idee des Fortschrittes nahm eine zentrale Stellung ein und die Avantgardisten zeichneten sich besonders durch ihren radikalen Bruch mit bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen sowie ästhetischen Normen aus. Die Epoche umfasste die Strömungen Dadaismus, Surrealismus und Futurismus .


Begriff und zeitliche Einordnung der Avantgarde

Im Zeitraum der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bestanden verschiedene literarische und künstlerische Bewegungen, von denen einige unter der Epoche der Avantgarde zusammengefasst wurden. Zu den drei wichtigsten Hauptströmungen zählten der Futurismus, der Dadaismus und der Surrealismus; aber auch der Ultraismus, der Adamismus, der Konstruktivismus, der Suprematismus, der Abstraktivismus und der Zentisimus waren Teil der Avantgarde. In der Forschung spricht man teilweise auch von der Zeit der Ismen, da all diese avantgardistischen Bewegungen auf “-ismus” endeten. Zur etwa gleichen Zeit prägten außerdem die Moderne mit ihren vielen Unterepochen, der Expressionismus sowie die Weimarer Republik und die Neue Sachlichkeit die Kunst und das Leben der Menschen. Die Avantgardisten grenzten sich durch besondere Radikalität ab. Die Epoche war daher von der strikten Ablehnung alter Traditionen und dem Streben nach einer revolutionären Erneuerung der Gesellschaft und der Kunst geprägt. Als Vorreiter wollten Anhänger der Avantgarde mit ihren neuartigen und provokanten Ideen in Kunst und Literatur auch Veränderungen in der Politik und Gesellschaft anstoßen. Der Begriff kommt aus dem Französischen und stammt aus dem Militärbereich. Das Wort “avant” bedeutet “vor” und “garde” = “Wache”, daher ist mit der Avantgarde die Vorhut einer militärischen Einheit gemeint, die zum Beispiel die Truppen des Gegners ausspähen sollte. Heutzutage werden mit dem Begriff Avantgardisten auch im Allgemeinen Vorkämpfer von geistigen Entwicklungen beziehungsweise Menschen bezeichnet, die neue und unkonventionelle Wege einschlagen. Das Wort avantgardistisch kann synonym für fortschrittlich oder innovativ verwendet werden. Wie von der Bezeichnung lagen auch die Ursprünge der historischen Avantgarde in Frankreich, insbesondere im französischen Symbolismus. Während sich in Paris die Unterepoche Surrealismus  bildete, entstand in Italien der Futurismus. Im deutschsprachigen Raum, insbesondere in Zürich und Berlin, begann mit und nach dem Ersten Weltkrieg die Bewegung des Dadaismus. Zwar gab es auch schon vorher avantgardistische Strömungen, die Hochzeit wird jedoch auf die relativ kurze Zeitspanne 1915 bis 1925 datiert. Das Ende der Avantgarde fiel mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland zusammen. Die avantgardistischen Werke und Zeugnisse der 1930er Jahre spielten daher nur eine untergeordnete Rolle.

 

Epochen der Literatur als Zeitstrahl

Krisen nach der Jahrhundertwende

Der Anfang des 20. Jahrhunderts war eine Zeit der gesellschaftlichen und politischen Unsicherheiten und Krisen wie der Marokko-Krise 1905/1906 und den Balkankriegen 1912/1913. Vor allem die imperialistische Kolonialpolitik der europäischen Länder führte zu Spannungen und endete schließlich 1914 im Ersten Weltkrieg. Auch vorher schon waren die Lebensbedingungen der Menschen miserabel. Die Industrialisierung führte zu einer Urbanisierung, doch die Arbeiter lebten in den Großstädten in großer Armut und Isolierung. Insgesamt befand sich das Denken der Menschen in einem Wandel. Traditionelle Werte wie Religion und Geschlechterrollen wurden infrage gestellt und neue Erkenntnisse in der Wissenschaft und Forschung, wie auch in der Psychoanalyse, veränderten das Menschenbild. Bei vielen Menschen führte dieser schnelle Wandel zu einer Orientierungslosigkeit und Sinnkrise. Anhänger der Avantgarde forderten jedoch den Fortschritt und suchten in ihrer Kunst nach neuen Formen, um mit dem Alten zu brechen.

Zusammenfassung: Begriff und zeitliche Einordnung der Avantgarde


  • Begriff: aus dem Französischen “avant” = “vor”; “garde” = “Wache”, Vorhut einer militärischen Einheit
  • Zeitraum: 1915-1925
  • Einordnung: zwischen Moderne/Expressionismus und Weimarer Republik/Neue Sachlichkeit
  • historischer Kontext: Imperialismus, Erster Weltkrieg, Industrialisierung, Urbanisierung

Merkmale und Themen der Avantgarde

Die Kunstschaffenden der Avantgarde-Bewegung verglichen sich namentlich mit den Soldaten an vorderster Front. Auch die Avantgardisten kämpften, und zwar für ein neues Kunstverständnis. Sie wollten sich von festgefahrenen Traditionen befreien, alten Gewohnheiten entgegenwirken und kritisierten die gesellschaftlichen Zustände. Daher waren gesellschaftliche, politische, technische Themen genauso verbreitet wie das eher psychische Themenfeld Schein und Sein, Traum und Wahn. Mit der Forderung nach Fortschritt lehnten sie sich gegen Beschränkungen jeglicher Art auf. Sie dekonstruierten und rekonstruierten die Welt nach ihren Visionen. Dazu brachen sie mit literarischen Traditionen und Konventionen von Sprache, Stil und Form und provozierten auch zum Beispiel mit Satire. Die Literatur war dabei vor allem auch durch einen Aktionismus geprägt. Öffentliche Präsentationen spielten eine wichtige Rolle und wurden durch zum Teil provozierende und beleidigende Ansprachen an das Publikum zu einer Art Performance. Um eben jenes Publikum immer weiter zu schockieren, versuchten sich die Avantgardisten mit immer neueren und radikaleren Mitteln zu übertreffen.

Zusammenfassung: Motive und Themen des Expressionismus

  • – neues Kunstverständnis
  • – Kritik der Zustände, Forderung nach Fortschritt
  • – Träume, Wahn
  • – Abkehr von (literarischen) Traditionen
  • – Aktionismus
  • – Schockmomente

Literatur der Avantgarde

Das herausstechendste Merkmal der Avantgarde war der Wunsch ihrer Anhänger, etwas radikal Neues zu erschaffen. Die Forderungen nach einer Revolutionierung der Sprache und der Erneuerung der Gesellschaft und der Kunst hielten die Avantgardisten in zahlreichen Manifesten fest und verkündeten sie auf Publikumsveranstaltungen in provozierender und schockierender Weise. Die Abkehr von allen sprachlichen, stilistischen und formalen Konventionen führte zu den typischen Sprachexperimente der Literaturepoche und neuen Literaturformen wie der Montage. Ihre Kritik an den politischen Zuständen äußerten sie zudem auf sarkastische Weise und in Satiren.

Lyrik der Avantgarde

In der Avantgarde waren Gedichte beliebt, da sie sich besonders für die sprachlichen Experimente eigneten. Aufgrund der dichten, symbolischen Sprache konnten durch ungrammatikalische und unlogische Wendungen die lyrischen Traditionen ad absurdum geführt werden. Häufige lyrische Formen in der Avantgarde waren demnach Lautgedichte, Buchstabengedichte, Witzgedichte und Unsinnspoesie. Thematisch bezogen sich die Anhänger vor allem auf die hässlichen Seiten des Großstadtlebens und beschrieben sie auf schonungslose und radikale Weise.

Zusammenfassung: Literatur der Avantgarde

  • Bruch mit literarischen Konventionen
  • Manifeste
  • Sprachexperimente
  • neue Literaturformen (Montage)
  • Lyrik: Lautgedichte, Buchstabengedichte, Witzgedichte, Unsinnspoesie

Autoren und Werke des Expressionismus

  • Hugo Ball (1886–1927) Die Nase des Michelangelo. Tragikomödie in vier Auftritten (1911)
  • Hans Arp (1886–1966) Die Wolkenpumpe. Die Silbergäule (1920
  • Kurt Schwitters (1887–1948) An Anna Blume (1923–1930)
  • Tristan Tzara (1896–1963) La Première aventure céleste de Monsieur Antipyrine (1916)