Spannungskurve

Die Spannungskurve, teils auch als Spannungsbogen bezeichnet, meint die Darstellung des Steigens und Fallens der Spannung in einem literarischen Text. Zumeist wird mit dem Begriff der Aufbau der Spannung in einem dramatischen Werk bezeichnet. In diesem werden anfangs die Figuren vorgestellt (Exposition), daraufhin steigt die Spannung im erregenden Moment, erreicht ihren Höhepunkt und fällt darauf schlagartig (Peripetie), um dann anschließend nochmals verzögert zu werden (retardierendes Moment) und sich letzten Endes in einer Katastrophe niederzuschlagen. Im klassischen Drama sind die einzelnen Akte mit je einem der fünf vorgestellten Elemente belegt (vgl. Katharsis).


Begriff

Der Begriff wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet und findet sich auch selten in einschlägigen Lexika. Oftmals werden die Begriffe Spannungsbogen und Spannungskurve darüber hinaus synonym zueinander gebraucht. Praktisch lassen sich aber Unterschiede zwischen diesen Begrifflichkeiten ausmachen.

In der Regel meint nämlich die Spannungskurve den Verlauf der Spannung in einem Werk, die in der Tragödie zwischen Hoffnung und Pessimismus schwankt. Der Höhepunkt ist hierbei der Punkt im Text, bei welchem der Empfänger (Zuschauer, Leser, Hörer) die größte Hoffnung hat, dass das Drama mit seinen Protagonisten doch noch ein Happy End finden könnte. In der Komödie verhält es sich andersherum.

Der Spannungsbogen meint im Gegensatz dazu nicht nur den Verlauf der Spannung im Stück, sondern ganz allgemein das Aufbauen, Steigen und folgende Abfallen der Handlung im Werk. Würde man eine solche Kurve visualisieren, wäre sie zumeist zackig, da die Spannung in den einzelnen Etappen des Werkes unterschiedlich ausgeprägt ist und der Spannungsbogen könnte als Halbkreis über dem Verlauf der Handlung liegen.


Die Grafik verdeutlicht den Aufbau von Spannungskurve und Spannungsbogen im Drama

Spannungsbogen und Spannungskurve zeigen die Spannung in einem Werk


Beispiel: Spannungskurve und Spannungsbogen

Um das Beschriebene anhand eines Beispiels zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, auf ein literarisches Werk zu schauen. Das klassische Drama Maria Stuart, geschrieben vom Dichter Friedrich Schiller, bietet sich hierbei an, da es exemplarisch die einzelnen Stationen der Spannungskurve enthält und sich diese sehr deutlich erkennen lassen. Es handelt sich in diesem Fall um eine Tragödie.

Funktion Spannung Inhalt
I. Akt Exposition
(erregendes Moment)
steigt Vorgeschichte; Situation Marias (Gefangenschaft); Begründung für das Todesurteil, das ihr alsbald bevorsteht und die Konsequenzen daraus.
II. Akt Steigerung steigt Verhandlung des Staatsrates über das Todesurteil von Maria Stuart; das scheinbare Eingehen Mortimers auf den Mordauftrag von Elisabeth; Leicesters und Mortimers Auseinandersetzung über die Befreiung von Maria; Leicester bringt Elisabeth dazu, einem Treffen mit Maria einzuwilligen.
III. Akt Höhepunkt (Peripetie) steigt / fällt Die beiden Königinnen, Maria und Elisabeth, treffen sich im Garten von Fotheringhay; Mortimers leidenschaftlicher Gefühlausbruch gegenüber Maria.
IV. Akt retardierendes Moment steigt Verrat durch Leicester; Mortimers Befreiungsplan scheitert; Mortimer stirbt; Auseinandersetzung über das Todesurteil, dem Leicester zustimmt.
V. Akt Katastrophe fällt Tod der Maria Stuart; Bestrafung der Elisabeth (Verlassenheit)
Knappe Inhaltsangabe des Dramas <em>Maria Stuart</em> anzeigen

Maria Stuart, Königin von Schottland, wird wegen der Ermordung ihres Mannes aus dem Land gejagt und sucht bei der Königin von England, Elisabeth I., Zuflucht. Da Maria aber selbst Anspruch auf die englische Krone hätte, sperrt Elisabeth die Schutzsuchende ein. Die Handlung setzt 19 Jahre später, drei Tage vor der Hinrichtung Marias, ein.

In der Vergangenheit hatten viele Männer versucht, die schöne Maria zu befreien. Auch Mortimer möchte sie retten und nimmt deshalb einen Auftrag der Königin Elisabeth an, um sich Maria zu näheren und seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Darüber setzt er den Grafen von Leicester in Kenntnis, der Maria liebt, aber der Liebhaber Elisabeths ist. Um Maria zu helfen, arrangiert dieser ein Treffen der beiden Königinnen, so dass Maria die Möglichkeit hat, das Herz der Rivalin zu berühren und dem Urteil zu entgehen.

Als das Treffen zustande kommt, eskaliert die Situation. Maria, die vom Zeitpunkt des Treffens nicht wusste, ist unvorbereitet und verhält sich nicht unterwürfig genug, sondern auf die Ebenbürtigkeit der beiden Frauen verweist. Das hat zur Folge, dass Elisabeth sie noch stärker demütigt und ihr vorwirft, all ihre Männer ins Jenseits zu befördern, woraufhin Maria kontert und Elisabeth vorwirft, dass ihre niedere Herkunft nicht zu verleugnen sei, auch wenn sie sich als jungfräuliche Königin bezeichne.

Die Zusammenkunft der beiden Frauen brachte folglich nicht das gewünschte Ergebnis. Eher ist es so, dass das Verhältnis noch unversöhnlicher ist und die beiden nun gänzlich entzweit sind. Mortimer unterbreitet Maria nun einen Plan, wie sie entkommen könnte, doch da zahlreiche Menschen gefährdet wären, lehnt Maria das Angebot ab.

Einer der Gefolgsleute Mortimers versucht daraufhin einen Mordanschlag auf Elisabeth, der scheitert, woraufhin sich Mortimer ersticht, ohne Maria retten zu können. Um ihren Machtanspruch zu sichern, unterzeichnet Elisabeth das Todesurteil Marias. Da sie dieses aber nicht selbst vollstrecken will, schiebt sie es dem Staatssekretär Davison, der es dann ausführen lässt.


Hinweis: Die Zusammenfassung ist knapp gehalten. Hierbei geht es vornehmlich um den Aufbau des Dramas, um die Spannung zu verdeutlichen. Die Inhaltsangabe eignet sich allerdings nicht für eine fundierte Analyse des Stücks oder eine tiefgehende Betrachtung (dazu siehe: Maria Stuart).

Im ersten Akt (Exposition) des Dramas werden die Zusammenhänge erklärt. Es gibt eine Einführung, worum es geht, welche Verstrickungen es bisher gab und es wird gezeigt, warum die Situation so ist, wie sie ist. Das erregende Moment wird ersichtlich, weshalb Maria überhaupt handelt. Hier ist es das Bekenntnis Mortimers und Marias Brief an Leicester, der nicht ohne Folgen bleibt.

Im zweiten Akt gibt es eine Steigerung der Spannung. Sie dient dazu, den dramatischen Konflikt auszubauen und fußt in der Regel auf einer Tat des Protagonisten oder Antagonisten. Diese Tat beeinflusst maßgeblich den weiteren Handlungsverlauf, der zuvor durch das erregende Moment eingeleitet wurde.

Im dritten Akt steigert sich das Ganze zum Höhepunkt. Nach diesem fällt die Spannung schlagartig, es gibt folglich einen Wendepunkt (Peripetie). So keimt Hoffnung auf, dass der Konflikt aufgelöst werden kann, wenn die beiden Königinnen ins Gespräch kommen. Das Gegenteil ist allerdings der Fall, was die Katastrophe endgültig einleitet. Marias Todesurteil ist folglich besiegelt.

Der vierte Akt verzögert das Offensichtliche aber ein weiteres Mal, um Spannung aufzubauen. Eine solche Verzögerung wird als Retardation bezeichnet. Es entsteht der Eindruck, dass Marias Schicksal noch abwendbar sei, auch wenn klar ist, dass es unausweichlich sein muss. Dabei ist es Mortimers Plan, den Maria abweist und der Mordversuch auf Elisabeth. Die Handlung verlangsamt sich und leitet die Katastrophe ein.

Im fünften Akt wird der Zuschauer nun mit der Katastrophe konfrontiert: der Hinrichtung Marias und außerdem der Vereinsamung Elisabeths. In der Komödie gäbe es nun ein Happy End, wobei alle Konflikte aufgelöst werden (vgl. Dénouement). Das Empfinden von Mitleid und Trauer führt beim Zuschauer zur Katharsis, einer Reinigung der Seele. Die Art der Reinigung wird durch Aristoteles aber nicht näher erläutert.

Die Spannungskurve meint demnach die einzelnen Stationen im Drama, in welchen die Spannung zwischen Hoffnung und Pessimismus schwankt. Der Spannungsbogen kann wiederum wie eine Schablone über den gesamten Verlauf des Dramas gelegt werden und meint dann, dass die Spannung im Text vorerst langsam steigt, um dann nach einem Höhepunkt wieder schlagartig abzufallen.

Kurzübersicht: Das Wichtigste zum Begriff im Überblick


  • Die Spannungskurve meint die Spannung im literarischen Text, kann allerdings ebenso die Bezeichnung für die Visualisierung des Spannungsverlaufs sein (siehe obige Grafik). Der Spannungsbogen meint den ansteigenden, dann abfallenden Verlauf der Spannung.
  • Im klassischen Drama sind die einzelnen Begriff nahezu deckungsgleich. In anderen Textformen können diese aber stark voneinander abweichen – zumeist beschreibt der Spannungsbogen einen typischen Halbkreis, der sich über die ganze Geschichte legen lässt, wohingegen die Spannungskurve – vor allem in längeren Texten – sehr häufig und stark schwanken kann.

  • Hinweis: Bei mehrteiligen Filmen oder Fortsetzungsromanen wird eine Folge zumeist an einem Punkt unterbrochen, an welchem die Spannung stark steigt. Dies lässt sich anhand der Spannungskurve recht einfach verdeutlichen und wird gemeinhin als Cliffhanger bezeichnet.


Stichwortverzeichnis