Als Inversion wird allgemein die Umkehrung einer Sache bezeichnet, weshalb der Begriff sowohl in der Mathematik und auch zahlreichen Naturwissenschaften bestimmte Umkehrungen meint als auch in der Sprache als rhetorisches Stilmittel gebraucht wird. Die Inversion meint hier die Umstellung der üblichen und regelmäßigen Wortfolge eines Satzes. Insbesondere ist dabei die Umstellung von Subjekt und Prädikat gemeint. Die Inversion dient zur Hervorhebung eines Wortes und zur Verstärkung des Gesagten. Da es im Deutschen allerdings keine strikte Reihenfolge der Satzglieder gibt und die Wortstellung vom Gewicht der einzelnen Redeteile abhängt, ist es schwierig, eine Inversion zu erkennen und strittig, ob es sie im Deutschen überhaupt geben kann. Meist geht es somit um Auffälligkeiten (vgl. Anastrophe).
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Das Wort geht auf das lateinische Nomen inversio zurück, das sich mit Umkehrung oder auch Umsetzung (der Wörter) übersetzen lässt. So verweist bereits die Übersetzung darauf, worum es grundsätzlich geht. Nämlich um eine Umkehrung [der üblichen Wortreihenfolge].
Einen der ersten Belege des Wortes in der angegebenen Schreibweise konnten wir im Werk Centvria IV. Variarvm Quæstionvm (1660) finden, darüber hinaus wird dieses Wort im Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1793) von Johann Christoph Adelung gebraucht. Es ist nicht auszuschließen, dass das Wort schon zuvor im Deutschen auftaucht.
Umstellung der Wortfolge
Um die Besonderheit der Inversion erkennen zu können, muss klar sein, was man unter der Umstellung der üblichen und regelmäßigen Wortfolge überhaupt versteht. Dafür müssen wir einen Blick auf den typischen Aufbau eines deutschen Satzes werfen.
Im Deutschen lässt sich ein einfacher Satz mit einem Subjekt und einem Prädikat bilden. Das ist das mindeste und wird deshalb auch als Satzminimum oder ergänzungsloser Satz bezeichnet. Das Prädikat ist hierbei zumeist ein Verb, das Subjekt eine Sache, die etwas tut und mit Wer oder was erfragt werden kann (vgl. Nominativ, Kasus).
Daraus ergeben sich im Deutschen zwei Möglichkeiten: entweder ist es ein Kernsatz, wobei die finite Verbform an zweiter Stelle steht und das Subjekt an erster Stelle, wodurch ein Aussagesatz entsteht. Oder es ist ein Stirnsatz, bei dem das finite Verb am Anfang steht und so ein Fragesatz gebildet wird.
Stirnsatz: Scheint die Sonne?
Hier wird deutlich, dass beide Varianten im Deutschen gang und gäbe sind. Für das Verdeutlichen der Inversion widmen wir uns allerdings weiterhin dem Kernsatz. Dieser ist die grundlegende Form aller deutschen Aussagesätze. Per Definition handelt es sich hierbei um einen Satz, bei dem das finite Verb an zweiter Position im Satz steht. Davor können beinahe alle anderen Satzglieder angeordnet werden.
Nun ist ein solcher Zwei-Wort-Satz, wie oben gezeigt, zwar durchaus ein richtiger Satz, doch in der Regel gibt es im Deutschen noch ein Objekt. Objekte sind Satzergänzungen, die den Minimalsatz, der aus Subjekt und Prädikat besteht, vervollständigen.
Aufbau: Subjekt Prädikat Objekt.
Dieses Beispiel besteht nun aus Subjekt, Prädikat und Objekt (SPO). Diese Reihenfolge ist im Deutschen typisch. Sie ist, im Gegensatz zu anderen Sprachen, allerdings nicht zwingend erforderlich.
Wir haben zuvor erkannt, dass bei deutschen Aussagesätzen immer das Verb an zweiter Stelle steht, ob das Objekt nun aber an erster Stelle steht oder das Subjekt, ist im Deutschen nicht festgelegt. Dennoch ist die Reihenfolge SPO am häufigsten. Dieser Umstand ist es, der zuvor als übliche regelmäßige Wortfolge bezeichnet wurde.
Der obige Satz weicht nun von der „gewohnten“ Reihenfolge ab, da das Objekt an erster Stelle steht. Dies ist ein Bruch mit der üblichen Wortfolge – im Deutschen aber völlig in Ordnung (!). Die Reihenfolge ist nun Objekt, Prädikat, Subjekt (Meister Yoda spricht übrigens so).
Dadurch könnte dieser Satz als Inversion bezeichnet werden, da eben die gewohnte Wortfolge verändert und somit die Gewichtung im Satz verlagert wurde. Das Wichtigste, das meist an erster Stelle genannt wird, ist somit das Nomen Mädchen. Ob dieser Umstand allerdings tatsächlich als Stilmittel verstanden werden kann, ist strittig.
Inversion mit Prädikativen
Es wurde gezeigt, dass die übliche Wortreihenfolge im Deutschen SPO ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass andere Reihenfolgen nicht ebenso Verwendung finden und diese sind, im Gegensatz zu anderen Sprachen, wie etwa dem Englischen oder Französischen, auch grammatikalisch korrekt. Es ist deshalb strittig, ob man dies tatsächlich als Inversion bezeichnen sollte.
Als Prädikativ wird ein Begleiter des Prädikats bezeichnet. Solch ein Prädikativ kann eine Eigenschaft des Subjekts oder des Objekts angeben. Deshalb nennt man sie Subjekts- oder Objektsprädikativ.
Im obigen Beispiel gibt es wieder ein Subjekt und ein Prädikat. Neu ist nun das Adjektiv schön, das hier als Prädikativ gebraucht wird. Man nennt es so, weil es das Prädikat begleitet. Prädikative kommen stets im Zusammenhang mit Kopulaverben vor.
Kopulaverben sind Verben, die allein stehend nahezu bedeutungsleer sind. Erst zusammen mit dem Prädikativ erhalten Kopulaverben wie nennen, werden oder sein eine wirkliche Bedeutung. Sie verbinden dabei das Subjekt eines Satzes mit einem Adjektiv in einer nicht flektierten Form – wie im obigen Beispiel – oder mit einem Nomen.
Ein solches Prädikativ steht zumeist an der letztmöglichen Stelle in einem Satz. Jedenfalls ist dies die übliche Wortfolge. Auch im obigen Beispiel weichen wir nicht von der üblichen Reihenfolge von Subjekt und Prädikat ab. Rutscht das Prädikativ nun aber an die erste Stelle im Satz, wird das Prädikativ sehr stark hervorgehoben.
Der obige Satz ist nun eine Inversion, da die übliche Reihenfolge der Satzglieder aufgebrochen wurde und das mehrteilige Prädikat an den Anfang gestellt wurde. Vor allem bei mehrteiligen Prädikaten, die sich aus Prädikat und Prädikativ bilden, wird eine Inversion besonders deutlich und hat auch eine starke Wirkung, da das Prädikativ enorm hervorgehoben wird. Ähnliches finden wir bei Goethe:
Das obige Beispiel ist der Titel eines Gedichts des Dichters. Auch hier wurde die übliche Wortfolge verändert. Der Satz beginnt mit dem Prädikativ groß, darauf folgt das Prädikat ist und danach steht das Subjekt. Dadurch wird die Wirkung des Wortes groß verstärkt.
Grundsätzlich geht es aber in beiden Fällen schlichtweg darum, dass das Prädikat vor das Subjekt rückt. Allgemein formuliert, ist die Inversion also die Umstellung der üblichen Wortfolge, doch im engeren Sinne geht es bei der Stilfigur um die Umstellung von Subjekt und Prädikat.
Hauptinversion, Nebeninversion, Anastrophe
Als Anastrophe wird eine Umkehrung der geläufigen Wortfolge bezeichnet. Man versteht unter dem Begriff also eine Figur, bei der abweichend von der üblichen grammatikalischen Wortstellung zwei zusammengehörende Wörter umgestellt werden. Folglich können die Begriffe Inversion und Anastrophe synonym gebraucht werden.
Allerdings gibt es oftmals Unsicherheiten dabei, ob es zwischen den beiden nicht doch einen Unterschied gibt. Vor allem Deutschbücher neigen dazu, die Anastrophe und Inversion als gesonderte Stilmittel anzuführen. Natürlich führt dies zu Verwirrung und Schwierigkeiten.
Vorab: Das Wort Anastrophe geht auf das Griechische zurück. Der Begriff Inversion kommt aus dem Lateinischen. Schon in der Antike fristete die Anastrophe eher eine überschaubare Verbreitung und zumeist wird sie als Stilfigur nur am Rande erwähnt. Aristoteles bezeichnet sich schlichtweg als ungewöhnlichen Sprachgebrauch.
Dies liegt aber mit Sicherheit auch daran, dass sich Altgriechisch und Latein, also die klassischen Sprachen, durch eine freie Wortstellung auszeichnen. Folglich konnte die Inversion auch nur an wenigen Stellen markant in Erscheinung treten. Dies änderte sich erst später.
Vor allem Sprachen die sich durch eine verbindliche Stellung von Subjekt, Prädikat und Objekt auszeichnen oder zumindest eine übliche Wortfolge haben, können spielerischer mit der Inversion umgehen. In einigen Grammatiken wurde die Inversion dann in Hauptinversion und Nebeninversion unterschieden (J. C. A. Heyse, Theoretisch-praktische deutsche Grammatik […], 1849).
Dabei meinte die Hauptinversion die Umstellung des Prädikats, wie es auch in den Beispielen gezeigt wurde, und die Nebeninversion die Umstellung aller anderen Satzglieder sowie ihrer attributiven Binnenstruktur. Dies könnte ursächlich für die Verwirrung sein.
Formen der Inversion (Beispiele)
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, inwiefern die übliche Wortfolge in einem Satz umgestellt werden kann. Fraglich ist, wie beschrieben, wann eine Abweichung als unüblich einzuordnen ist. Dennoch folgt eine Übersicht der häufigsten Formen der Inversion im Deutschen.
Form der Inversion | Beispiel | Erläuterung |
---|---|---|
Nachstellung des Adjektiv-Attributs | „Röslein rot“ | Das Adjektiv steht normalerweise vor dem Nomen, auf das es sich bezieht. Wird es nachgestellt, wird die übliche Wortfolge gebrochen. |
Voranstellung des Objekts | Das Mädchen beißt der Hund. | Die übliche Reihenfolge in einem deutschen Satz ist SPO, das Objekt wird in diesem Fall nach vorangestellt. |
Prädikativ und Kopulaverb vorne | „Tot ist der Feind.“ | Üblicherweise steht das Prädikativ an der letzten Stelle im Satz. Hier wird es bewusst nach vorn geschoben und erhält folglich mehr Aufmerksamkeit. |
Voranstellung des Genitiv-Attributs: | „Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung.“ | Das Genitiv-Attribut wird vorangestellt, was die übliche Reihung bricht. |
Hysteron-Proteron | „Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen.“ | Das Hysteron-Proteron kehrt die logische oder zeitliche Abfolge eines Ereignisses um. Auch dadurch kann die übliche Wortfolge gebrochen sein. |
Zusammenfassung
- Als Inversion wird die Umstellung der üblichen Wortfolge eines Satzes bezeichnet. Insbesondere ist dabei die Umstellung des Subjekts und des Prädikats gemeint. Der Begriff ist synonym zu Anastrophe.
- Es ist umstritten, ob es Inversionen im eigentlichen Sinn im Deutschen überhaupt geben kann, da es kein festes Wortstellungsschema gibt. Die Reihenfolge der Satzglieder hängt von der gewünschten Gewichtung ab. Folglich hängt es teils vom Leser ab, ob die jeweilige Umstellung so ungewöhnlich erscheint, dass er sie als Stilmittel deuten möchte.
- In anderen Sprachen sind solche Inversionen deshalb einfacher zu finden. Diese basieren teils auf einer festen Abfolge der einzelnen Satzglieder. Werden diese bewusst umgestellt, kann dies als Stilfigur gedeutet oder als schlechter Sprachgebrauch gewertet werden.
- Die Inversion kommt zumeist aus metrischen Gründen zum Einsatz oder weil ein Reimschema eingehalten werden soll. Darüber hinaus kann die Figur das Augenmerk auf einen bestimmten Satzteil lenken und somit die Aussage verstärken oder die Wichtigkeit eines Satzteils unterstreichen.
- Hinweis: Das Hyperbaton beschreibt einen Satzumbau, bei dem zwei Wörter, die syntaktisch zusammenhängen, künstlich durch einen Einschub getrennt werden. Im weiteren Sinne werden unter dem Begriff aber sämtliche Figuren, die den Satz aus emphatischen oder poetischen Gründen umbauen, gefasst. Dazu zählen dann Anakoluth, Anastrophe, Inversion, Hysteron-Proteron und Parenthese.