Neologismus

Als Neologismus wird eine Wortneuschöpfung bezeichnet. Diese kann durchaus als rhetorisches Stilmittel verstanden werden. Der Neologismus ist ein neugebildeter sprachlicher Ausdruck für neue Begriffe oder Sachen. Neologismen werden durch die Kombination bereits vorhandener Elemente gebildet oder aufgrund einer Bedeutungsübertragung sowie der Entlehnung oder Übersetzung aus einer Fremdsprache. Neologismen gibt es in allen lebendigen Sprachen.


Begriff und Beispiele

Der Begriff lässt sich aus dem Griechischen ableiten (νέος ~ neos, neu; λόγος ~ logos, Wort) und demnach mit Neuwort oder neues Wort übersetzen. Die Endung mus hat allerdings einen lateinischen Ursprung. Die Übersetzung zeigt uns demzufolge, was es grundsätzlich mit der Figur auf sich hat: es geht um ein neues Wort [das in einer lebendigen Sprache geschaffen wurde]. Schauen wir dafür auf ein Beispiel.


Nach dem Brunch geht es endlich in den Kurlaub.


Das obige Beispiel vereint gleich zwei Neologismen: nämlich Brunch und Kurlaub. Das Substantiv Brunch, das eine Mahlzeit zwischen Frühstück und Mittagessen meint, ist eine Zusammensetzung aus Breakfast (engl. Frühstück) und Lunch (engl. Mittagessen). Das umfangreiche Oxford English Dictionary führt als Wortschöpfer den Jäger Guy Beringer an, der es angeblich 1895 erstmalig gebrauchte.

Folglich war das Wort Brunch im auslaufenden 19. Jahrhundert ein neuer Begriff, der die Mahlzeit zwischen Frühstück und Mittagessen bezeichnete und aus Gerichten beider Speisen besteht. Demzufolge erschuf Guy Beringer eine Zwischenmahlzeit, die auch heutzutage sehr beliebt ist, und somit einen Neologismus.

Der Begriff Kurlaub ist eine Wortneuschöpfung, die auf Komposition und Tilgung beruht. Komposition meint, dass der Begriffe aus mehreren Wörtern gebildet wird, also in diesem Fall aus Urlaub und Kur. Tilgung meint, dass ein Bestandteil eines Wortes wegfällt, wobei der Kurlaub auf das ur von Urlaub verzichtet. Solche Tilgungen werden stilistisch auch als Elision oder Apokope bezeichnet.

Kurlaub ist ein Wort, das erst entstehen konnte, als Menschen zur Kur fuhren und diesen Aufenthalt einem Urlaub gleichkam. Dafür musste natürlich ein neues Wort her, der Neologismus Kururlaub ward geboren und wandelte sich im Sprachgebrauch zum Kurlaub, da die Dopplung von ur holprig klingt und so aus sprachökonomischen Gründen entfiel. So wurde übrigens auch aus dem Mägdchen das Mädchen.

Hinweis: Die obigen Beispiele sind heutzutage nicht mehr neuartig, wurden aber zum Zeitpunkt ihres Auftauchens, als neu empfunden. Demzufolge ist ein Neologismus immer im sprachlichen Kontext zu betrachten. Ein neues Wort, das es in den Sprachgebrauch schafft und dann im Wörterbuch geführt wird, verliert diesen Charakter mit der Zeit. Deshalb ist es mitunter schwierig, einen Neologismus zu erkennen. Wichtig ist eben nur, dass das Wort für eine bestimmte Zeit als neu galt.

Wann ist ein Neologismus neu?

Neologismen können oftmals nur zu dem Zeitpunkt, wo sie noch als neuartige Worte verstanden werden, als solche erkannt werden. Schafft es ein Begriff, sich im Sprachgebrauch zu etablieren und in Wörterbücher aufgenommen zu werden, ist er kaum noch als Neologismus zu erkennen.

Beispielsweise ist der Laptop, eine Komposition aus dem englischen Lap (Schoß) und Top (Oberfläche), in jedem Wörterbuch verzeichnet und wurde schon 1991 im Duden berücksichtigt. Heutzutage ist das Wort etabliert und wird von den meisten Menschen verstanden. Dennoch war der Begriff, als er erstmals auftauchte, als Neologismus zu werten, also als eine Wortneuschöpfung, die vorher nicht existierte.

Demzufolge kann ein Neologismus nur im Kontext seiner Entstehung als solcher gelten und funktionalisiert werden. Zwar können wir rückwirkend einen Begriff als solchen bezeichnen, doch macht das nicht in jedem Fall Sinn. Denken wir hierbei an das Analysieren von Texten, wenn wir Neologismen als Stilmittel begreifen.

Hinweis: Würden wir beispielsweise in einem Gedicht aus dem Jahr 1895 das Wort Brunch entdecken, könnten wir es als Neologismus bezeichnen und daraus eine Wirkung sowie Besonderheit ableiten. In einem Werk aus dem Jahr 2014 wäre das aber unnötig und auch nicht zielführend, da der Dichter ein gebräuchliches Wort nutzt und das Neuartige nicht gezielt einsetzt. Dann ist es auch kein Stilmittel.

Okkasionalismus und Neologismus

Die Sprecher einer Sprache schaffen tagtäglich neue Wörter. In der Regel geschieht dies durch Komposita, also Zusammensetzungen, um eine sprachliche Lücke zu schließen. Allerdings sind diese Neubildungen meist als Okkasionalismen zu werten und nicht als Neologismen.

Okkasionalismen, auch Gelegenheitswörter, sind Begriffe, die einmalig beim Sprechen geschaffen werden, um in der jeweiligen Situation etwas zu bezeichnen. Der Begriff, der hierbei entsteht, gehört nicht dem Wortschatz der Sprache an und wird nur dieses eine Mal gebraucht. Schauen wir auf ein Beispiel.


Ach, der Thomas ist doch eh ein Nureinbiertrinker.

Im obigen Beispielsatz haben wir es mit einer sprachlichen Äußerung zu tun, die die Person Thomas mit einem neuen Begriff tituliert. Der Begriff wurde dabei wohl spontan und demnach aus der Situation heraus geschaffen. Demzufolge ist Nureinbiertrinker eindeutig eine Wortneuschöpfung.

Der Unterschied zum Neologismus ist demnach, dass der Okkasionalismus nur in einer einmaligen Situation durch den Sprechenden gebraucht wird, um eine Lücke im Wortschatz zu schließen. Es wird deutlich, dass der Sprechende zum Ausdruck bringen möchte, dass Thomas nach nur einem Bier den Heimweg antritt. Dennoch wird sich der Begriff Nureinbiertrinker nicht im Sprachgebrauch als neues Wort etablieren.

Hinweise: Das bedeutet, dass Neologismen immer ihren Weg in den Sprachgebrauch finden und von mehreren Menschen genutzt werden. Eine spontane Wortschöpfung, die nur einmalig genutzt wird, ist kein Neologismus, sondern ein Okkasionalismus. Im Deutschunterricht wird diese Grenze meist nicht gezogen. Dennoch ist es falsch, einen neuartigen Fantasiebegriff als Neologismus zu bezeichnen.

Arten von Neologismen

Eingangs wurden die Beispiele Kurlaub und Brunch angeführt. Beide sind Neologismen, wurden allerdings unterschiedlich gebildet. Brunch ist ein Kofferwort aus Lunch und Breakfast, Kurlaub eine Komposition und Tilgung. Allerdings gibt es weitere Typen von Neologismen.

  • Neuwörter: Wörter, die gänzlich neu sind und dieser Form vorher nicht existiert haben. Das Wort Brunch kann als solches gelten. Neuerdings kann das Verb simsen (eine SMS schreiben) angeführt werden.
  • Neubedeutungen: Ein Begriff, der bereits existiert, erhält eine zusätzliche Bedeutung. Denken wir an die Maus, ist diese einerseits ein Nagetier und seit dem Computerzeitalter eben auch ein Eingabegerät.
  • Neue Kombination: Hierbei werden existente Wörter neuartig miteinander verbunden und werden so zum Neologismus. Ein Café, das seinen Besuchern gegen Bezahlung den Zugang ins Internet ermöglicht, ist beispielsweise ein Internetcafé. Weitere Beispiele sind Literaturpapst oder Laptoptasche.

Bildung von Neologismen

Neologismen können ganz unterschiedlich gebildet werden. Im Beitrag haben wir Ihnen schon einige Möglichkeiten der Wortbildung gezeigt. Allerdings gibt es noch weitere Varianten, einen solchen Neologismus zu schaffen. Schauen wir dafür auf eine klärende Übersicht.

  • Übersicht: Herkunft von Neologismen
    • Komposition: Neue Begriffe werden aus bestehenden Wörtern zusammengesetzt (Bsp.:Computermaus, Genmais, Literaturpapst, Brunch).
    • Tilgung und Zusammenziehung: Wörter werden aus dem ersten Teil eines Wortes und dem zweiten eines anderen gebildet. Dabei kommt es zur Tilgung, also dem Auslassen einzelner Wortteile. (Bsp.: Bionik, Bollywood, Modem, Teuro)
    • Abkürzungen: Können in der Sprache gebildet werden, was sehr häufig aus sprachökonomischen Gründen geschieht. Solche Abkürzungen, wenn sie sich in der Sprache etablieren, können als eigenständige Wörter und Neologismen gelten (Bsp.: SMS, Azubi, Hiwi → Akronym).
    • Derivation: Durch Affixe werden neue Wortformen gebildet. Ein Affix ist ein gebundenes Morphem, das nur eine grammatische Funktion hat. Als Beispiel kann das Affix Cyber- gelten, das durch zahlreiche Verkettungen unterschiedliche Neologismen schuf: Cyberpunk, Cyberkriminalität, Cyberkrieg.
    • Sprachwitz: Eigentlich eine Form der Verballhornung eines Wortes. Kann jedoch in den Wortschatz der Sprache gelangen, als berühmtes Beispiel gilt nichtsdestotrotz, das einst als Scherzwort für die Verbindung aus nichtsdestoweniger und trotzdem von Studenten gebraucht wurde.

Wirkung und Funktion von Neologismen

Es ist schwierig, einem rhetorischen Stilmittel eine feste Funktion oder Wirkung zuzuschreiben. Dann laufen wir schnell Gefahr, es stets auf genau diese Wirkung zu reduzieren und nicht mehr zu prüfen, ob es sich wirklich so verhält. Dennoch möchten wir einige Vorschläge machen.

Übersicht: Wirkung, Funktion und Merkmale des Neologismus‘

  • Als Neologismus wird eine Wortneuschöpfung bezeichnet, die sich in der Folge im Wortschatz der Sprache etabliert. Einmalige Wortkreationen werden als Okkasionalismus bezeichnet und sind als spontane Wortbildung zu werten.
  • Wichtig ist, dass ein Neologismus für uns nicht mehr neuartig sein muss und dennoch ein solcher ist. Entscheidend ist, dass das Wort geschaffen wurde, um eine Sache zu bezeichnen und vorher im Wortschatz einer Sprache noch nicht existierte und sich in der Folge etablierte.
  • Der Neologismus kann unterschiedlich gebildet werden. Eine häufige Form im Deutschen ist das Zusammensetzen bekannter Wörter. Doch können auch Verballhornung, Derivation oder Zusammenziehungen sowie Abkürzungen ursächlich für den Neologismus sein.
  • Oftmals entstehen Neologismen, weil Begriffe planmäßig durch ein anderes Wort ersetzt werden. Dies ist oft der Fall, um einem Begriff eine positive Wertung zu geben. In diesem Fall ist der Neologismus mit dem Euphemismus verwandt. (Beispiel: Zubegleiter anstatt Schaffner.)
  • Allerdings kann das Prinzip auch verkehrt und durch den Neologismus eine negative Wertung geschaffen werden, die dem ursprünglichen Wort nicht zu Eigen ist. Demzufolge werden Neologismen nicht nur gebraucht, um neue Dinge zu benennen, sondern können auch bestehende Wörter umdeuten, um ihnen eine andere Bedeutung zu geben.
  • Deshalb finden sich Neologismen auch häufig in propagandistischen Schriften, also schriftlichen Erzeugnissen, die das Ziel haben, dem Empfänger eine bestimmte Denkart aufzuzwingen und demzufolge zu manipulieren. (Beispiel: internationales Finanzjudentum.)
  • Das Phänomen des Neologismus‘ gibt es in allen lebendigen Sprachen. Also in allen sprachlichen Gemeinschaften, die sich entwickeln und gesprochen werden. Das liegt darin begründet, dass Sprache immer neue Anforderungen erfüllen muss und stets neue Dinge benannt werden.
  • Das stilistische Gegenstück bildet der Archaismus. Als Archaismus werden Wörter bezeichnet, die aussterben und von den meisten als altmodisch empfunden werden. Werden solche alten Begriffe absichtlich im Text platziert, können Archaismen auch als Stilmittel gelten.
  • Hinweis: Neologismen werden in der Öffentlichkeit mitunter kritisch beäugt. Einerseits werden sie oftmals angeführt, um den Verfall der Sprache zu belegen (Anglizismen etc.), andererseits sind sie das beste Beispiel dafür, dass die Sprache wandlungsfähig und den Anforderungen, die sie erfüllen muss, gewachsen ist und sprachliche Lücken unmittelbar geschlossen werden.
Hinweis für Schüler: Im Deutschunterricht, beim Schreiben einer Gedichtanalyse und in einer Prüfung ist es vollkommen in Ordnung, sämtliche Wortneuschöpfungen, beispielsweise im Zusammenhang mit Onomatopoesie (Lautmalerei), als Neologismus zu benennen. Einerseits vereinfacht es das Arbeiten, andererseits kann schwerlich überprüft werden, ob das Wort nun im Moment des Schreibens für den Autoren neu war oder in der Sprachgemeinschaft etabliert ist. Es ist hierbei auch nicht zielführend zwischen Okkasionalismus und Neologismus zu trennen, da die Wirkung im Text meist gleich ist.