- Es lebte Herr Kunz von Karfunkel
- Mit seiner verrunzelten Kunkel
- Auf seinem Schlosse Punkpunkel
- In Stille und Sturm.
- Seine Lebensgeschichte war dunkel,
- Es murmelte manch Gemunkel
- Um seinen Turm.
- Täglich ließ er sich sehen
- Beim Auf- und Niedergehen
- In den herrlichen Ulmenalleen
- Seines adlichen Guts.
- Zuweilen blieb er stehen
- Und ließ die Federn wehen
- Seines Freiherrnhuts.
- Er war just hundert Jahre,
- Hatte schneeschlohweiße Haare,
- Und kam mit sich ins klare:
- Ich sterbe nicht.
- Weg mit der verfluchten Bahre
- Und ähnlicher Leichenware,
- Hol sie die Gicht!
- Werd ich, neugiertrunken
- Ins Gartengras hingesunken,
- Entdeckt von dem alten Hallunken,
- Dann grunzt er plump:
- Töw, Sumpfhuhn, ick will di glieks tunken
- In den Uhlenpfuhl zu den Unken,
- Du schrumpliger Lump.
- Einst lag ich im Verstecke
- Im Park an der Rosenhecke,
- Da kam aus der Ulmenstrecke
- Etwas angemufft.
- Ich bebe, ich erschrecke:
- Ohne Sense kommt mit Geblecke
- Der Tod, der Schuft.
- Und von der andern Seite,
- Mit dem Krückstock als Geleite,
- In knurrigem Geschreite,
- Kommt auch einer her.
- Der sieht nicht in die Weite,
- Der sieht nicht in die Breite,
- Geht gedankenschwer.
- Hallo, du kleine Mücke,
- Meckert der Tod voll Tücke,
- Hier ist eine Gräberlücke,
- Hinunter ins Loch!
- Erlaube, daß ich dich pflücke,
- Sonst hau ich dir auf die Perücke,
- Oller Knasterknoch.
- Der alte Herr, mit Grimassen,
- Tut seinen Krückstock festfassen:
- Was hast du hier aufzupassen,
- Du Uhu du!
- Weg da aus meinen Gassen,
- Sonst will ich dich abschrammen lassen
- Zur Uriansruh!
- Sein Krückstock saust behende
- Auf die dürren, gierigen Hände,
- Die Knöchel und Knochenverbände:
- Knicksknucksknacks.
- Freund Hein schreit: Au, mach ein Ende,
- Au, au, ich lauf ins Gelände
- Nach Haus schnurstracks.
- Noch heut lebt Herr Kunz von Karfunkel
- Mit seiner verrunzelten Kunkel
- Auf seinem Schloß Punkpunkel
- In Stille und Sturm.
- Seine Lebensgeschichte ist dunkel,
- Es murmelt und raunt manch Gemunkel
- Um seinen Turm.
Erläuterungen
Hintergrund
Die Ballade Ballade in U-Dur von Detlev von Liliencron erzählt vom Herrn Kunz von Karfunkel, der beschlossen hat, nicht zu sterben und den Tod, als dieser ihn holen möchte, mit dem Krückstock vertreibt.
Die Ballade ist eines der unbekannten Werke Liliencrons und kommt vor allem recht ulkig daher. Sie steckt voller Verse, die sich vor allem durch lautmalerische Wortschöpfungen auszeichnen.
Und das ist es auch, was die Ballade tut: sie zeigt uns Wörter, Töne und Stimmungen. Allein ihr Titel verweist darauf, was Liliencron uns zeigen will. Das U-Dur ist kein echtes Wort, es verweist lediglich auf den satten Klang des Vokals, der uns allein in der ersten Strophen andauernd über den Weg läuft.
Und dies zieht sich durch den weiteren Text – es uht gewissermaßen aus allen Ecken, wobei ein Widerspruch entsteht – ein Widerspruch zwischen getragenem Hörbaren und witzigem Inhalt.
Der tiefe, schaurige Vokal, der Witziges erzählt, ist auf einer formalen Ebene ebenso ulkig wie der Tod, der versucht, den alten Freiherrn ins Grab zu holen, aber scheitert, weil sich dieser in den Kopf gesetzt hat, nicht abzutreten und sogar noch heute lebt.