Einleitung
Kabale und Liebe ist ein 1784 veröffentlichtes bürgerliches Trauerspiel des Dramatikers Friedrich Schiller. Das Stück feierte im selben Jahr seine Bühnenpremiere in Frankfurt am Main.
Das Stück entwirft eine vehemente Anklage gegen den zu Ende des 18. Jahrhunderts noch in weiten Teilen Europas, insbesondere aber in Schillers Heimat Württemberg, vorherrschenden unaufgeklärten Absolutismus. Die sowohl ästhetische als auch menschliche Vision des Dichters setzt der feudalen Unterdrückung eine bürgerliche Rechtschaffenheit entgegen, die die strikte Hierarchie der feudalen Gesellschaft aufzulösen vermag.
Der von Schiller kritisierte Despotismus der schrankenlos regierenden Fürsten drückt sich laut Metzlers Literatur Chronik insbesondere durch die Perversion der menschlichen Verhältnisse, moralische Verkommenheit, Korruption, und die Zerstörung der natürlichen Ordnung aus, die durch die Familie symbolisiert wird.
In dem bürgerlichen Trauerspiel „Kabale und Liebe“ entwickelt sich vor dem Hintergrund des feudalen Absolutismus eine schicksalhafte Liebestragödie zwischen Ferdinand von Walter, dem adligen Sohn des Präsidenten von Walter, und Luise, der Tochter des stadtbekannten Musikers Millers. Jedoch scheitert die Liebe der beiden an der Weigerung ihrer Väter, eine nicht standesgemäße Verbindung zwischen einem Adligen und einem Mädchen aus dem Bürgertum gelten zu lassen.
Darüber hinaus kommt es aufgrund einer verhängnisvollen Intrige des Präsidenten von Walter zu einer Katastrophe, in deren Folge die beiden Liebenden sterben. Trotz ihres dramatischen Ablebens gelingt es den zwei Liebenden jedoch, das Ideal einer wahrhaften und sittsamen Liebe aufleben zu lassen, dass der Verkommenheit des ungerechten Fürstenhofs entgegensteht. Doch die heroische Aufrichtigkeit der bürgerlichen Figuren scheitert an den gesellschaftlichen Umständen weswegen das Drama als „Bürgerliches Trauerspiel“ überschrieben ist.
Inhaltsangabe
Der Präsident wird von seinem Sekretär Wurm über das „Attachement“ seines Sohns zu der „Bürgerkanaille“ und Musikertochter Luise informiert. Doch entgegen der Gefühle seines Sohns Ferdinands plant der Präsident seine Verheiratung mit der Lieblingsmätresse des Herzogs Lady Milford, um seinen Einfluss am Hof zu wahren.
Um seinem Sohn die von ihm beabsichtige Hochzeit aufzuzwingen, werden Gerüchte über die Hochzeit von Lady Milford und Ferdinand auf Veranlassung des Präsidenten am Hof gestreut. Lady Milford ihrerseits ist selber an einer Bindung mit Ferdinand von Walter interessiert, um ihre Position am Hof zu sichern. Gerade auf Grund der bereits gestreuten Gerüchte ist es ihr nur schwer möglich, auf die bereits verlautbarte Bindung mit dem Präsidentensohn zu verzichten.
In einem Gespräch mit Lady Milford erfährt Ferdinand zu seinem Erstaunen, dass die Favoritin des Fürsten über lange Zeit einen mäßigenden Einfluss auf dessen absolutistische Herrschaft ausgeübt hat. Er versucht, sie von seiner Liebe zur bürgerlichen Luise zu überzeugen, doch erst in einem Gespräch mit der Tochter des Musikers erkennt Lady Milford die edelmütige Bereitschaft Ferdinands, außerhalb seines Standes zu heiraten. Gleichzeitig ist Lady Milford von der moralischen Überlegenheit der bürgerlichen Luise beeindruckt. Sie bewundert ferner die ehrliche Standfestigkeit und christliche Aufrichtigkeit ihrer Gegenspielerin.
Unterdessen droht Ferdinands Vater seinem Sohn mit der Verhaftung der gesamten Musikerfamilie, sollte sein Sohn nicht seinen Anweisungen folgen. Doch Ferdinand kontert die Attacke seines Vaters unter Berufung auf dessen Vergangenheit: „Ihr führt sie zum Pranger fort, unterdessen […] erzähl ich der Residenz eine Geschichte, wie man Präsident wird.“
Um die Aufdeckung dieser diskreditierenden Geschichte zu verhindern, die seine ganze Position am Hofe zerstören könnte, lässt sich der Präsident auf eine von seinem Sekretär vorgeschlagene „Kabale“ (das heißt eine Intrige) ein. Dabei stellt sich heraus, dass der ebenfalls aus dem Bürgertum stammende Wurm selber an einer Bindung mit Luise Miller interessiert.
Die hinterhältige Intrige sieht vor, Luises Eltern grundlos zu verhaften um Druck auf Luise auszuüben. Dieses ist möglich, da sich die gesamte Staatsgewalt in den Händen weniger Privilegierter befindet, die sich vor keiner unparteiischen Kontrolle rechtfertigen müssen. Unter Zwang wird Luise von dem Sekretär des Präsidenten Wurm gezwungen, einen falschen Liebesbrief zu schreiben. Der Liebesbrief wird an den Hofmarschall von Kalb adressiert und bezweckt das Vertrauen von Ferdinand in seine bürgerliche Geliebte zu erschüttern.
Der verhängnisvolle Brief wird von den Intriganten dazu benutzt, Ferdinand zu verdeutlichen, dass sich seine Geliebte von ihm abgewendet hat. Ohne einem Dementi des Hofmarschalls zu glauben, der die Beziehung zu Luise abstreitet, ist Ferdinand von dem Betrug Luises überzeugt. In der Zwischenzeit hat Lady Milford Luise zu sich bestellt und beschließt, sich an der „stolzen Unglücklichen“ ein Vorbild zu nehmen. Sie verlässt den Hof um fortan als Tagelöhnerin im Ausland ein ehrliches Leben zu führen.
Schließlich kommt es in der Wohnung des Musikers zur Katastrophe, die den dramatischen Höhepunkt der Tragödie bildet. Luise beschließt, sich umzubringen, um kurz vor ihrem Tod die Möglichkeit zu erhalten, Ferdinand von der Intrige Wurms erzählen zu können. Bis jetzt ist sie an einen Schwur gebunden, den sie aus Liebe und Sorge vor ihren Eltern einhält. Sie befindet sich in einer verzweifelten Lage, in der ihr Vater beschützend interveniert. Er verbietet ihr den Selbstmord, da dieser unchristlich sei.
Als Ferdinand sie in einem dramatischen Gespräch verbittert anzuklagen beginnt, kann sie nur Schweigen oder die von Wurm aufgezwungenen Lügen erwidern. Vollkommen verzweifelt mischt Ferdinand Gift in ein Getränk, aus der er und Luise trinken. Er ist zu allem bereit und vergiftet sich und die Person, die er liebt. Als Luise das Gift zu spüren beginnt, fühlt sie sich von dem geleisteten Eid entbunden und berichtet ihrem Geliebten umgehend von der Intrige. Ferdinand begreift, was vor sich gegangen ist.
Doch anstelle einen wütenden Groll gegen seinen Vater zu hegen, bietet er dem Auslöser aller Konflikte im Sterben seine Hand zur Versöhnung. In Erinnerung an Jesus Christus sind seine letzten Worte: „Sterbend vergab mein Erlöser – Heil über dich und ihn.“ Beeindruckt und geläutert von der aufrichtigen Größe seines Sohnes stellt sich Präsident von Walter der Justiz, nicht ohne vorher von seinem Sekretär Wurm verraten zu werden.
Figuren
Name | Anmerkungen |
---|---|
Figuren des Hofes | |
Präsident von Walter | |
Wurm | Sekretär des Präsidenten |
Kammerdiener | |
Hofmarschall von Kalb | |
Sophie | Kammerzofe von Lady Milford |
Figuren des Bürgertums | |
Miller | Stadtmusikant |
Millerin | Frau des Stadtmusikers |
Luise Miller | Tochter des Musikers |
Figuren zwischen beiden Lagern | |
Ferdinand von Walter | Sohn des Präsidenten |
Lady Milford | Favoritin des Herzogs |
Sonstiges
Im 19. Jahrhundert war Schiller der populärste Dichter der Deutschen. Bereits 1847 wurde in Schillers ehemaligen Wohnhaus ein Dichtermuseum eingerichtet. Es war das erster seiner Art in ganz Deutschland. Schiller gilt als Dichter der Freiheit, mit Goethe zusammen bildet er das weltberühmte Doppelgespann der Weimarer Klassik. Bis heute werden seine Texte in der Schule gelesen und der Text von Schillers Ode an die Freude ist der Text der Europahymne (vgl. Hymne).
Der Dichter Johann Christoph Friedrich Schiller wurde am 10. November 1759 in Marbach am Neckar geboren. Er war der einzige Sohn seiner Eltern und hatte fünf Schwestern. Sein eigentlicher Wunsch war es, Theologie zu studieren, doch wurde er ab 1773 gegen seinen Willen gezwungen auf die Militärakademie „Karlsschule“ zu gehen.
Auf dieser Schule wurden besonders begabte Schüler zu vorbildlichen Untertanen des württembergischen Fürsten herangezogen. Die Aufführung des Stücks „Die Räuber“ verursachte einen Konflikt zwischen Schiller und seinem Fürsten Karl Eugen, sodass Schiller aus Süddeutschland nach Thüringen floh. Hier unterrichtete er zunächst an der Universität in Jena und machte 1788 die Bekanntschaft Goethes. Zwischen den beiden Dichtern entwickelte sich eine fruchtbare Freundschaft.
Schiller wurde jedoch in seinem Leben nie so berühmt wie sein Freund Goethe. Er lebte auch nie in finanzieller Sicherheit. Darüber hinaus war Schiller sehr krank, weswegen er bereits im Alter von 45 Jahren im Mai 1805 starb.
Friedrich Schiller
Obwohl Schiller in „Kabale und Liebe“ fünf Jahre vor der Französischen Revolution 1789 in eindrücklicher Deutlichkeit die absolutistische Misswirtschaft und exemplarische Verbrechen an einem deutschen Fürstenhof darstellt, wäre es nicht opportun, dem Stück eine vorschnelle Revolutions-Moral zu unterstellen.
Trotz der zum Teil aggressiven Anklagen gegen die ungerechte Regierungsform, Mätressenwirtschaft und Fürstenwillkür betont das Stück ins Besondere die moralische Integrität der kleinbürgerlichen und vorbildlich christlichen Familie Miller. Gerade durch das ehrenhafte Verhalten Luises wird eine dem Adel überlegende Haltung vorgestellt, die im Gegensatz zum moralischen Ruin am Hof Vorbildfunktion besitzt.
Laut Ulrich Karthaus kann dieser Umstand insbesondere mit Verweis auf die Figur der Lady Milford eingehender beleuchtet werden: Die Beseitigung der sowohl sozialen als auch moralischen Missstände wird nicht durch ein Aufbegehren des Bürgerturms oder gar durch eine Revolution vorgestellt, sondern durch eine im einzelnen Individuum möglichen moralischen Konversion in der sich der „bürgerliche“ Charakterzug des Trauerspiels verdeutlicht.
Insofern hat das bürgerliche Trauerspiel „Kabale und Liebe“ eine erzieherische und keine aufrührerische Funktion. Es präsentiert den möglichen Horizont einer sittsamen Menschlichkeit, deren idealtypische Konzeption den Hintergrund der Weimarer Klassik bildet.