Erregendes Moment

Ein erregendes Moment ist ein Element im klassischen Drama. Es dient dazu, einen dramatischen Konflikt aufzubauen und Spannung zu erregen. Es bezeichnet den Punkt, wenn der Protagonist den Entschluss fasst, der zur folgenden Handlung führt. Außerdem kann es der Entschluss des Antagonisten sein, den Helden durch eine Handlung oder Intrige in Bewegung zu setzen. Das erregende Moment gipfelt im Höhepunkt des Dramas, der sogenannten Peripetie.


Begriff & Funktion

Der Begriff geht auf die Dramentheorie Gustav Freytags zurück. Freytag verzeichnet das erregende Moment zwischen der Exposition und Peripetie des Dramas. Die Exposition führt in die Grundstimmung des Dramas ein; dem Zuschauer werden Ausgangssituation, Konflikte, Zustände, Zeit, Ort und Personen des Stückes präsentiert, um eine Voraussetzung für das Verständnis der Handlung aufbringen zu können.

Die Peripetie meint den Wende- oder Höhepunkt des dramatsichen Werkes. An genau diesem Punkt schlägt die Tragödie oder Komödie um, weshalb an dieser Stelle der Ausgang (schlecht oder gut) der Handlung klar ersichtlich wird. Genau zwischen Exposition und Peripetie liegt das erregende Moment, welches im Helden ein Gefühl des Wollens auslöst und ihn somit überhaupt erst zum Handeln veranlasst.
Das erregende Moment liegt zwischen Exposition und Peripetie im klassischen Drama

Erregendes Moment im klassischen Drama

Im klassischen Drama, also im Fünfakter, lassen sich die einzelnen Elemente jeweils einem Akt des Werkes zuordnen. Das bedeutet, dass im ersten Akt die Exposition, im zweiten das erregende Moment, im dritten die Peripetie, im vierten das retardierende Moment (Retardation) und im letzten die Katastrophe zu verorten ist. Bei einer Komödie endet das Ganze nicht in der Katastrophe, sondern in der Lösung des Konflikts.

Es ist somit ersichtlich, dass das erregende Moment dem retardierenden Moment im Verlauf der Handlung gegenübersteht. Allerdings ist es nicht zwingend erforderlich, dass das erregende Moment in jedem Fall eine ganze Szene bestimmt. Gustav Freytag beschrieb das in der Technik des Dramas (1863) folgendermaßen:


„Es mag eine ausgeführte Szene füllen, es mag in wenigen Worten zusammengefaßt werden. […] Immer aber bildet es den Übergang von der Einleitung zur aufsteigenden Handlung“


Hinweis: Demzufolge gehört das erregende Moment zur Steigerung im Drama. In der Steigerung wird dieses Element insofern eingebracht, als dass durch die Aktionen von Protagonist oder Antagonist ein dramatische Konflikt aufgebaut oder die Intrige gesponnen wird, die den weiteren Verlauf bestimmt.

Beispiel: Erregendes Moment in Maria Stuart

Maria Stuart, ein klassisches Drama von Friedrich Schiller, eignet sich aufgrund seines Aufbaus ideal, um die einzelnen Elemente des dramatischen Textes herauszuarbeiten. Alle Bestandteile treten eindeutig zutage, wobei wir es hierbei außerdem mit einer Tragödie zu tun haben.

Funktion Inhalt
I. Akt Exposition
(erregendes Moment)
Vorgeschichte; Situation Marias (Gefangenschaft); Begründung für das Todesurteil, das ihr alsbald bevorsteht und die Konsequenzen daraus. Mortimers Bekenntnis, dass er Maria für die rechtmäßige Königin hält.
II. Akt Steigerung Verhandlung des Staatsrates über das Todesurteil von Maria Stuart; das scheinbare Eingehen Mortimers auf den Mordauftrag von Elisabeth; Leicesters und Mortimers Auseinandersetzung über die Befreiung von Maria; Leicester bringt Elisabeth dazu, einem Treffen mit Maria einzuwilligen.
III. Akt Peripetie (Höhepunkt) Die beiden Königinnen, Maria und Elisabeth, treffen sich im Garten von Fotheringhay; Mortimers leidenschaftlicher Gefühlausbruch gegenüber Maria.
IV. Akt retardierendes Moment Verrat durch Leicester; Mortimers Befreiungsplan scheitert; Mortimer stirbt; Auseinandersetzung über das Todesurteil, dem Leicester zustimmt.
V. Akt Katastrophe Tod der Maria Stuart; Bestrafung der Elisabeth (Verlassenheit)
Inhaltsangabe des Dramas <em>Maria Stuart</em> <em>(Klappt beim Klicken auf!)</em>

Maria Stuart, Königin von Schottland, wird wegen der Ermordung ihres Mannes aus dem Land gejagt und sucht bei der Königin von England, Elisabeth I., Zuflucht. Da Maria aber selbst Anspruch auf die englische Krone hätte, sperrt Elisabeth die Schutzsuchende ein. Die Handlung setzt 19 Jahre später, drei Tage vor der Hinrichtung Marias, ein.

In der Vergangenheit hatten viele Männer versucht, die schöne Maria zu befreien. Auch Mortimer möchte sie retten und nimmt deshalb einen Auftrag der Königin Elisabeth an, um sich Maria zu näheren und seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Darüber setzt er den Grafen von Leicester in Kenntnis, der Maria liebt, aber der Liebhaber Elisabeths ist. Um Maria zu helfen, arrangiert dieser ein Treffen der beiden Königinnen, so dass Maria die Möglichkeit hat, das Herz der Rivalin zu berühren und dem Urteil zu entgehen.

Als das Treffen zustande kommt, eskaliert die Situation. Maria, die vom Zeitpunkt des Treffens nicht wusste, ist unvorbereitet und verhält sich nicht unterwürfig genug, sondern auf die Ebenbürtigkeit der beiden Frauen verweist. Das hat zur Folge, dass Elisabeth sie noch stärker demütigt und ihr vorwirft, all ihre Männer ins Jenseits zu befördern, woraufhin Maria kontert und Elisabeth vorwirft, dass ihre niedere Herkunft nicht zu verleugnen sei, auch wenn sie sich als jungfräuliche Königin bezeichne.

Die Zusammenkunft der beiden Frauen brachte folglich nicht das gewünschte Ergebnis. Eher ist es so, dass das Verhältnis noch unversöhnlicher ist und die beiden nun gänzlich entzweit sind. Mortimer unterbreitet Maria nun einen Plan, wie sie entkommen könnte, doch da zahlreiche Menschen gefährdet wären, lehnt Maria das Angebot ab.

Einer der Gefolgsleute Mortimers versucht daraufhin einen Mordanschlag auf Elisabeth, der scheitert, woraufhin sich Mortimer ersticht, ohne Maria retten zu können. Um ihren Machtanspruch zu sichern, unterzeichnet Elisabeth das Todesurteil Marias. Da sie dieses aber nicht selbst vollstrecken will, schiebt sie es dem Staatssekretär Davison, der es dann ausführen lässt.


Hinweis: Die Zusammenfassung ist knapp gehalten. Hierbei geht es vornehmlich um den Aufbau des Dramas, um das erregende Moment zu verdeutlichen. Die Inhaltsangabe eignet sich aber nicht für eine fundierte Analyse des Stücks oder eine tiefgreifende Betrachtung (dazu siehe: Maria Stuart).

Das Drama besteht auf fünf Akten, wobei alle Akte eine besondere Funktion erfüllen. Entscheidend ist für uns der sechste Aufzug im ersten Akt. In diesem bekennt sich Mortimer zu Maria und will sie aus dem Kerker befreien. Anstatt auf seine Fluchtpläne einzugehen, bitte sie ihn, Leicester einen Brief zu überbringen.

Es geht also darum, dass Maria Stuart, als Protagonistin des Werkes, beginnt zu handeln und durch den Brief an den Grafen Leicester die nachfolgenden Verkettungen und Handlungen des dramatischen Textes maßgeblich beeinflusst. Sie fasst den Entschluss zu handeln und das beeinflusst das Folgende.

Hinweis: Demzufolge ist das erregende Moment in diesem Fall der Übergang zwischen der Einleitung des Werkes und der ansteigenden Handlung des zweiten Aktes, die letzten Endes im dritten Akt im Höhepunkt, dem Zusammentreffen der beiden Königinnen gipfelt, was die Katastrophe einleitet.

Weitere Beispiele

  • Weitere Beispiele für das erregende Moment (nach Gustav Freytag)
    • Julius Cäsar (I, 2): Gespräch von Cassius und Brutus, in dem Brutus überzeugt wird, Cäsar zu töten.
    • Othello (I, 10): Der Plan zwischen Jago und Rodrigo, Othello und Desdemona zu entzweien.
    • Richard III. (I, 1): Richards Plan, der von Anfang an offenbart wird.
    • Romeo und Julia (I, 2): Die Einladung zum Maskenfest und Romeos Absicht, dieses zu besuchen.
    • Emilia Galotti (I, 6): Die Nachricht von der bevorstehenden Vermählung Emilia Galottis.
    • Maria Stuart (I. 6): Mortimers Bekenntnis gegenüber Maria.
    • Faust: Mephistos Eintritt in Fausts Studierzimmer.

Zusammenfassung

Übersicht: Bedeutung, Funktion und Merkmale des errengenden Moments


  • Als erregendes Moment wird eine Handlung im Drama bezeichnet, die den dramatischen Konflikt gewissermaßen einleitet. Hier entschließt sich der Protagonist des Werkes, zu handeln. Mitunter initiiert der Antagonist eine Intrige, um den Helden zum Handeln zu bewegen.
  • Ein erregendes Moment liegt demzufolge meist zwischen der Exposition und dem Höhepunkt eines Werkes und leitet maßgeblich die Steigerung ein, die die dramatische Handlung in Gang setzt. Hier tritt also das erste handlungsverändernde Geschehen ein, auf dem alle weitere Entwicklung beruht und das die Spannung der Zuschauer erregen soll.
  • Im klassischen Regeldrama ist das erregende Moment dem retardierenden Moment spiegelbildlich gegenüber gestellt. Im erregenenden Moment steigt die Spannung maßgeblich, gipfelt dann im Höhepunkt und mündet schließlich, bevor sie in der Retardation abflaut, in der Katastrophe (Tragödie) oder eben Lösung (Komödie).