Emilia Galotti

Einleitung

Das bürgerliche Trauerspiel Emilia Galotti ist ein Drama der Aufklärung und wurde vom Dichter Gotthold Ephraim Lessing geschrieben. Das Stück wurde am 13. März 1772 im Herzoglichen Opernhaus in Braunschweig uraufgeführt. Lessing wandelt in Emilia Galotti die römische Legende um Verginia um und adaptiert den antiken Stoff für die beginnende Moderne.

Obwohl das Stück eine durch adlige Figuren geprägte Handlung aufweist, thematisiert es eine sich allmählich zersetzende feudale Herrschaftsstruktur. Diese wird durch die Ideen sowie die Ideale des aufstrebenden Bürgertums abgelöst und darüber hinaus durch die Schlagwörter Natürlichkeit, Freiheit und Selbstverwirklichung ausgedrückt, die wesentliche Motive des Werkes sind.

Im Zentrum der Handlung steht der finale Mord an Emilia durch ihren Vater Odoardo Galotti. Odoardo, von seiner Tochter zur Tat aufgefordert, versucht Emilias Reinheit und Ehre durch ihren Tod zu bewahren. Zuvor wurde sie durch eine Intrige des absolutistischen Prinzen von Guastalla, Hettore Gonzaga, auf dessen Schloss gelockt. Der Prinz ist sowohl rücksichtslos als auch liebenswert und versucht alles, um Emilia zu erobern. Diese fürchtet sich, der Leidenschaft des Fürsten nachzugeben und wünscht sich, um ihre moralischen, religiösen Wertvorstellungen zu erhalten, zu sterben.


KURZE INHALTSANGABE


In Gotthold Ephraim Lessings tragischen Bühnenstück gerät die junge Protagonistin Emilia Galotti in die Fänge des verantwortungslosen Fürsten Hettore Gonzaga. Obwohl Emilia kurz davor steht, den toleranten Grafen Appiani zu heiraten, entwirft Hettore Gonzaga, der Prinz von Guastalla ist, einen verhängnisvollen Plan. Dieser sieht vor, Emilia Galotti als Geliebte für sich zu gewinnen.

Nach einer Begegnung mit Emilia war der Prinz von ihrer Schönheit so angetan, dass er das junge Mädchen besitzen möchte. Der Prinz lässt einen Überfall auf eine Kutsche vortäuschen, in der Emilia und Appiani zusammen sitzen. Bei dem Angriff verliert Appiani sein Leben. Emilia hingegen wird zu ihrem eigenen Schutz auf das Lustschloss des Prinzen gebracht. Im Gegensatz zu ihrer Mutter Claudia, die auch auf das Schloss gebracht wurde, gelingt es Emilia nicht, das falsche Spiel zu erkennen.

Durch die Gräfin Orsina, die eine Mätresse – also eine Geliebte – des Prinzen ist, wird Emilias Vater Odoardo dazu ermutigt, den Mord an Appiani zu rächen. Orsina entwirft einen Plan, der vorsieht, dass Odoardo den Prinzen ermorden soll. Stattdessen kommt es aber anders: In einem Gespräch mit seiner verzweifelten Tochter erkennt Odoardo, dass sich diese vor dem Verlust ihrer Ehre fürchtet. Emilia fürchtet sich, dem Prinzen nicht zu widerstehen und bittet ihren Vater inständig, sie umzubringen.

Als sich ihr Vater weigert, versucht Emilia, sich mit dem Dolch ihres Vater zu erstechen, der diesem von der Gräfin Orsina gegeben worden ist. Odoardo erkennt die Aussichtslosigkeit der Situation und bringt seine Tochter um. Die Bewahrung ihrer Ehre ist das höchste Gut, er sagt: „eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert.“ Nach der Tat stellt er sich als Mörder. Während er eine Strafe auf der irdischen Welt erwartet, überantwortet Odoardo Galotti den Verursacher der Katastrophe, also Hettore Gonzaga, einem himmlischen Gericht und der Strafe Gottes.

Szenenübersicht

Szene
(Figuren)
Inhaltsangabe
ERSTER AUFZUG
(in einem Kabinett des Prinzen)
1. Auftritt
Der Prinz, Kammerdiener
Der Prinz Hettore Gonzaga sitzt an seinem Arbeitstisch und liest Briefe und andere Papiere. Der Kammerdiener übergibt ihm einen Brief seiner Geliebten, der Gräfin Orsina. Doch der Prinz sagt, dass er die Gräfin nicht mehr so richtig liebt. Der Kammerdiener kündigt den Maler Conti an.
2. Auftritt
Prinz, Conti
Der Maler berichtet dem Prinzen, dass er ihm zwei Bilder mitgebracht hat. Eines davon zeige die Gräfin Orsina, doch der Prinz scheint sich für dieses Bild nicht zu interessieren. Der Maler sagt, dass er die Bilder aus dem Vorzimmer holt.
3. Auftritt
Prinz
Der Prinz ist alleine und monologisiert über seine verblasste Liebe zu Orsina. Er hofft durch ihr Portrait neue Liebe zu ihr zu entfachen.
4. Auftritt
Prinz, Conti
Der Maler Conti trägt zwei Bilder herein. Eines stellt er verdeckt gegen einen Stuhl. Der Prinz würdigt die Kunstfertigkeit des Malers, sagt aber, dass er der Gräfin Orsina auf ihrem Portrait „ganz unendlich geschmeichelt“ habe. Der Maler sagt, dass er der Gräfin nichts Nachteiliges zuschreiben wollte. Als Conti das zweite Bild umdreht, erkennt der Prinz das Bildnis Emilia Galottis. Auf die Frage Contis, ob er die Dame kenne, antwortet der Prinz: „So halb! – um sie eben wieder zu erkennen. – Es ist einige Wochen her, als ich sie mit ihrer Mutter in einer Vegghia traf.“ Er gibt an, auch ihre Familie zu kennen. Conti und der Prinz diskutieren ihre Schönheit, woraufhin der Prinz dem Maler befiehlt, das Bildnis Emilia Galottis da zulassen und in der Galerie aufzustellen.
5. Auftritt
Prinz
Der Prinz reflektiert sein Angebot an den Maler, für das Bild „so viel er will!“ zu bezahlen. Er schaut das Bild an und hält den teuren Preis für gerechtfertigt. Er preist die Schönheit Emilias („Diese Augen voll Liebreiz und Bescheidenheit! Dieser Mund! Und wenn er sich zum Reden öffnet! wenn er lächelt! Dieser Mund!“) und dreht das Bild wieder mit der Oberfläche gegen eine Wand.
6. Auftritt
Prinz, Marinelli
Der Kammerherr des Prinzen Marinelli tritt hinzu. Er berichtet dem Prinzen, dass seine Geliebte Orsina in der Stadt ist. Doch der Prinz zeigt sich nicht sonderlich begeistert. Er fragt, was sonst noch in der Stadt los ist. Folglich berichtet Marinelli von der anstehenden Vermählung des Grafen Appiani, „ein sehr würdiger junger Mann, ein schöner Mann, ein reicher Mann, ein Mann voller Ehre“ wie der Prinz ihn nennt. Er ist neugierig, wen der Graf heiraten wird. Als Marinelli berichtet, dass er Emilia Galotti heiratet, ist der Prinz aufgebracht. Er gesteht dem Kammerherr, dass er selber ein Auge auf das hübsche Mädchen geworfen hat und gesteht seine Liebe. Der Prinz möchte nicht zulassen, dass die Trauung vollzogen wird. Marinelli zeigt sich bereit, die Hochzeit zu verhindern: „Wollen Sie mir freie Hand lassen, Prinz? Wollen Sie alles genehmigen, was ich tue?“. Der Prinz bejaht.
7. Auftritt
Prinz
Der Prinz ist aufgewühlt und es gelingt ihm nicht, sich erneut auf seine Arbeit zu konzentrieren.
8. Auftritt
Prinz, Camillo Rota (ein Rat des Prinzen)
Camillo Rota wundert sich über das aufgewühlte Benehmen des Prinzen. Rota bittet den Prinzen um eine Unterschrift für ein Todesurteil, doch der Prinz interessiert sich nicht wirklich für die Angelegenheit. Doch Rota hat das Todesurteil vergessen und geht ab. Er ist über die Kaltblütigkeit des Regenten erschreckt: „Es geht mir durch die Seele dieses grässliche Recht gern!“ (Der Prinz hatte auf die Bitte, das Urteil zu unterschreiben „Recht gern. – Nur her! geschwind“ geantwortet).
ZWEITER AUFZUG
(ein Saal in dem Hause der Galotti)
1. Auftritt
Claudia Galotti, Pirro
Der Bedienstete Pirro berichtet Claudia Galotti (der Mutter von Emilia) von der Ankunft ihres Mannes Odoardo.
2. Auftritt
Die Vorigen, Odoardo Galotti
Die Eltern sind glücklich über die bevorstehende Hochzeit ihrer Tochter Emilia. Claudia berichtet, dass ihre Tochter in der Kirche ist, um „Gnade von oben zu erflehen.“ Odoardo sorgt sich, dass Emilia alleine in die Kirche aufgebrochen ist.
3. Auftritt
Pirro, Angelo
Angelo tritt zu Pirro, der von den Eltern Galotti den Auftrag erhalten hat, das Haus zu bewachen. Es wird deutlich, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit als Diebe haben. Angelo fragt Pirro nach mehreren Einzelheiten über die Kutsche der Hochzeitgesellschaft aus. Er erfährt von Pirro, dass nur der Graf Appiani, Emilia und ihre Mutter in der Kutsche sein werden. Pirro ahnt, dass etwas Schreckliches geschehen wird.
4. Auftritt
Odoardo, Claudia, Pirro
Noch immer sorgt sich Odoardo um das Ausbleiben der Tochter. Er freut sich, den Grafen Appiani bald seinen Sohn nennen zu dürfen. Odoardo kritisiert die Erziehung Emilias in der Stadt, doch Claudia verteidigt ihren Wohnort. Sie ist der Meinung, dass nur hier Emilia ihren treuen Verlobten habe finden können. Odoardo sieht die Residenzstadt kritisch. Er äußert sich verächtlich gegenüber Marinelli und wünscht sich, dass Appiani mit seiner Tochter die Stadt verlassen hat. Odoardo mag den Prinzen nicht. Claudia erzählt ihm, dass der Prinz Emilia bei der letzten Vegghia im Haus des Kanzlers Grimaldi gesehen habe. Er habe sich sehr „gnädig“ gegen sie gezeigt. Odoardo ist besorgt. Er findet es nicht gut, dass der Prinz die Schönheit seiner Tochter mit vielen „Lobeserhebungen“ gepriesen hat. Er nennt den Prinzen einen „Wollüstling, der bewundert, begehrt.“ Er möchte sich aber nicht mit seiner Frau streiten und reitet alleine zum Ort der Hochzeit.
5. Auftritt
Claudia
Claudia reflektiert die Aussagen ihres Mannes. Sie fragt sich, wo Emilia bleibt und ob der Prinz ein Auge auf ihre Tochter geworfen hat, um ihrem Mann zu schaden.
6. Auftritt
Emilia Galotti, Claudia
Unruhig und hastig stürmt Emilia herein. Sie ist verängstigt und berichtet ihrer Mutter, dass sich beim Gebet in der Kirche eine Person hinter sie gesetzt hätte. Bei der Person hat es sich um den Prinzen gehandelt, der Emilia ihren Namen ins Ohr flüsterte. Er sagte ihr auch, dass ihr Glück – das heißt ihre Hochzeit – sein Unglück bedeuten würde. Als Emilia sich umdrehte, um die Person anzuschauen, konnte sie keinen Mut fassen, dem Prinzen zurecht zu weisen. Stattdessen ergriff sie nach der Andacht die Flucht, doch der Prinz folgte ihr und ergriff ihre Hand. Emilia würde ihrem zukünftigen Mann gerne von der Begegnung erzählen, doch ihre Mutter versucht ihr verständlich zu machen, dass sie sich nichts zu schulden hat kommen lassen. Claudia ist froh, dass ihr Mann nicht mehr anwesend ist. Er würde außer sich vor Wut auf den Prinzen sein.
7. Auftritt
Die Vorigen, Graf Appiani
Tiefsinnig und mit „geschlagenen Augen“ betritt Graf Appiani das Haus. Er ist überrascht, Emilia und ihre Mutter anzutreffen. Emilia findet, dass er sich „feierlich“ und „ernsthaft“ verhält. Der Graf sagt, dass ihm dieser (Hochzeits-)Tag zu viel bedeutet. Sie sprechen über Emilias Kleidung, doch diese möchte keinen teuren Schmuck tragen. Stattdessen zieht sie ein schlichtes Kleid an, so wie Appiani sie das erste Mal gesehen hat. Dazu möchte sie sich eine Rose ins Haar stecken.
8. Auftritt
Appiani, Claudia
Appiani erzählt Emilias Mutter Claudia den Grund für seine Ernsthaftigkeit. Seine Freunde haben ihm nämlich empfohlen, den Prinzen über seine Hochzeit mit Emilia in Kenntnis zu setzen. Da er dieses zu tun seinen Freunden versprochen hat, ist er im Begriff zum Prinzen zu fahren (den er selbstredend nicht sonderlich leiden kann).
9. Auftritt
Pirro, Marinelli, Appiani, Claudia
Pirro verkündet die Ankunft des Marchese Marinelli. Marinelli bittet Appiani um eine Unterhaltung, da der Prinz ein „dringendes Geschäft“ für ihn habe. Marinelli bittet Emilias Mutter Claudia, ihn mit dem Grafen Appiani für einige Minuten alleine zu lassen.
10. Auftritt
Marinelli, Appiani
Der Kammerherr des Prinzen Marinelli versucht, den Grafen Appiani von der Bedeutung einer Mission zu überzeugen, um die Hochzeit zwischen Appiani und Emilia Galotti zu verhindern. Marinelli erzählt dem Grafen, dass er sofort zum Schloss des Prinzen aufbrechen soll. Doch Appiani gesteht, dass der Tage heute ein besonderer für ihn sei, da er zu heiraten gedenkt. Deswegen sieht er sich nicht im Stande, der Bitte des Prinzen nachzukommen. Während Marinelli zu Beginn des Gesprächs eine fadenscheinige Freundschaft zu Appiani vorgetäuscht hat, bricht seine friedfertige Fassade im Verlauf des Dialogs auf. Offensichtliche Differenzen brechen auf und Marinelli beginnt, Appiani deutlich zu drohen. Unterdessen bezeichnet Appiani Marinelli als „Affen“.
11. Auftritt
Appiani, Claudia
Claudia ist besorgt, da sie einen heftigen Wortwechsel gehört hat. Das Gesicht des Grafen Appiani glüht ebenso. Nach dem Gespräch mit Marinelli ist Appiani von der Hinterhältigkeit des Prinzen überzeugt. Er denkt nicht mehr daran, dem Prinzen einen Besuch abzustatten und beschließt zum Ort der Hochzeit aufzubrechen.
DRITTER AUFZUG
(ein Vorsaal auf dem Lustschloss des Prinzen)
1. Auftritt
Prinz, Marinelli
Martinelli und der Prinz unterhalten sich über das Treffen zwischen Marinelli und Appiani. Der Prinz ist nicht erfreut, dass er der Hochzeit zwischen seiner Angebeteten und Appiani nichts mehr entgegensetzen kann. Marinelli gelingt es aber, den Prinzen vom Gegenteil zu überzeugen. Er erzählt dem Prinzen, dass er sich einen geheimen Plan ausgedacht hat, der just in diesem Moment in die Tat umgesetzt wird. Dieser sieht vor, Emilia Galotti auf das Lustschloss des Prinzen zu entführen. Bei der Entführung gehe es aber gerade darum, diese nicht wie eine gewaltsame Entführung, sondern vielmehr wie eine Rettung aussehen zu lassen. Zu diesem Zweck soll die Kutsche der kleinen Brautgesellschaft überfallen werden. Während Appiani umgebracht werden soll, werden Emilia und ihre Mutter von zur Hilfe eilenden Schergen Marinellis auf das nahe Schloss des Prinzen gebracht. Der Prinz ist von der Tätigkeit seines Untergebenen überrascht und verhält sich ein wenig stutzig.
2. Auftritt
Marinelli, Angelo
Marinelli betrachtet aus einem Fenster, wie der Kampf um die Kutsche von statten geht. Er kommentiert das Geschehen mit seinen Worten und spricht kurz darauf mit Angelo, der zu ihm tritt und eine Maske abnimmt. Angelo berichtet, dass er den Grafen Appiani umgebracht hat. Zuvor gelang es diesem aber sich gegen die Angreifer zu verteidigen und den Banditen Nicolo umzubringen. Nachdem Angelo seine Bezahlung erhalten und sich verabschiedet hat, äußert sich Marinelli abfällig über die brutalen Sitten des Halunken.
3. Auftritt
Prinz, Marinelli
Eilig bereden der Prinz und Marinelli das weitere Vorgehen. Der Prinz bittet seinen Kammerherrn, die „gerettete“ Emilia Galotti zu empfangen, da er noch so aufgewühlt ist, dass er gar nicht weiß, was er sagen soll. Stattdessen versteckt er sich in der Nähe.
4. Auftritt
Marinelli, der Diener Battista, Emilia
Die verwirrte Emilia wird von Battista in den Saal geführt. Sie erkundigt sich nach dem Befinden ihrer Mutter und ihres Verlobten Appiani. Doch Marinelli gibt vor, ihr keine Auskunft über ihren Verbleib geben zu können. Er sagt nur, dass sie sich auf dem Weg zu ihr befinden und Emilia folglich also ganz ruhig sein könnte. Emilia denkt, dass sie von Battista gerettet wurde. Sie ist voller Angst, weil sie hinter sich Schüsse gehört hat. Als sie erfährt, dass sie sich auf den Lustschloss des Prinzen befindet, fragt sie unentwegt nach ihrer Mutter. Sie fühlt sich sehr unwohl und ohne Schutz. Marinelli kündigt den Prinzen an.
5. Auftritt
Prinz, Emilia, Marinelli
Emilia bangt um ihre Mutter und den Grafen Appiani, doch der Prinz versichert ihr, dass ihre Mutter ganz in der Nähe sei. Er bittet Emilia, ihm ihre Hand zu reichen. Doch der Charme des Prinzen überfordert Emilia, die zunächst unentschlossen nicht weiß, was sie tun soll. Schließlich sinkt sie vor dem herrschenden Regenten auf den Boden, wird aber von diesem aufgehoben. Der Prinz hält einen langen Monolog, in der er sich für sein stürmisches Verhalten am Morgen in der Kirche entschuldigt und Emilia von seiner Ehre zu überzeugen versucht.
6. Auftritt
Battista, Marinelli
Battista informiert den Kammerherrn Marinelli über die nahe Ankunft von Emilias Mutter Claudia. Sie schreie sehr laut und habe viele Menschen um sich versammelt. Marinelli überlegt erst, dass es nicht klug wäre, die Mutter einzulassen. Doch scheint es ihm nicht möglich, die aufgebrachte Frau aufzuhalten. Er hofft vielmehr darauf, dass die Mutter durch die Zuneigung des Prinzen zu ihrer Tochter geschmeichelt werden könnte.
7. Auftritt
Claudia Galotti, Marinelli, Battista
Claudia Galotti beschimpft Battista zunächst, ihre Tochter entführt zu haben. Doch dieser versichert ihr, für die Rettung ihrer Tochter verantwortlich zu sein. Als Battista Claudia zu ihrer Tochter führt, hält er das übrige Volk davon ab, der Mutter zu folgen.
8. Auftritt
Claudia Galotti, Marinelli
Als Claudia Galotti Marinelli sieht, erinnert sie sich sofort an den Streit des Vormittags zwischen Appiani und seinem Widersacher. Darüber hinaus ist sie von großer Wut getrieben, denn der sterbende Appiani nannte den Namen Marinellis bevor er starb. Den Namen Marinellis sagte er dazu in einem solchen Ton, dass es Emilias Mutter nun unmöglich ist, Marinellis Intrige nicht zu durchschauen. Sie ist entsetzt, dass der Prinz anwesend ist und alleine mit ihrer Tochter spricht. Sie fürchtet den Verlust der Ehre ihrer Tochter und ihrer gesamten Familie. Sie ist außer sich und beschimpft Marinelli: „Ha Mörder! feiger, elender Mörder! Nicht tapfer genug, mit eigner Hand zu morden: aber nichtswürdig genug, zu Befriedigung eines fremden Kitzels zu morden! – morden zu lassen! – Abschaum aller Mörder!“
VIERTER AUFZUG
(gleiche Szene wie im 3. Aufzug)
1. Auftritt
Marinelli, Prinz
Der Prinz äußert sich besorgt über den Tod Appianis. Seiner Meinung nach, könnte der Tod zu sehr mit ihm in Verbindung gebracht werden. Alles sehe nach einem Auftragsmord aus. Doch Marinelli versichert dem Prinzen, dass es sich bei der Tat um einen Zufall gehandelt hat. Da sich der Prinz zu verteidigen begann und den Angreifer Nicolo niederschoss, sah sich Angelo zur Verteidigung gezwungen. Marinelli versucht, den Prinzen von seinem Glück zu überzeugen und ermutigt ihn, weiter um Emilia zu werben.
2. Auftritt
Battista, Prinz, Marinelli
Battista meldet dem Regenten die Ankunft seiner (ehemaligen) Geliebten Orsina. Der Prinz ist entsetzt und möchte die Gräfin nicht sehen.
3. Auftritt
Die Gräfin Orsina, Marinelli
Die Gräfin Orsina betritt den Saal und wundert sich, dass ihr niemand zur Begrüßung entgegenkommt. Als sie Marinelli erblickt, erkundigt sie sich nach dem Briefen. Sie sagt, dass sie dem Prinzen am Morgen einen Brief geschrieben habe, in dem sie um ein Treffen mit dem Prinzen auf dem Lustschloss bat. Obwohl sie keine Antwort erhalten hat, vermutete sie den Prinzen auf dem Schloss anzutreffen, nach dem sie erfahren hat, dass der Prinz aus der Stadt aufgebrochen ist. Doch Marinelli gesteht der Gräfin, dass der Prinz ihren Brief gar nicht gelesen hat. Darüber hinaus sagt er ihr, dass der Prinz sie auf Grund ihres zur Philosophie neigenden Charakters nicht mehr als seine Geliebte in Betracht ziehe. Die Gräfin reagiert verbittert und amüsiert sich über den Zufall, dass der Prinz ihren Brief nicht gelesen hat, aber dennoch auf sein Lustschloss gefahren ist. Sie ist neugierig und fragt nach den weiblichen Klagelauten, die sie vernommen hat.
4. Auftritt
Prinz, Orsina, Marinelli
Der Prinz eilt Marinelli zur Hilfe und versucht ihr einzureden, dass er beschäftigt sei und keine Zeit für sie habe.
5. Auftritt
Orsina, Marinelli
Gräfin Orsina ist über das Verhalten des Prinzen verärgert. Sie besticht Marinelli, damit dieser ihr sagt, womit beziehungsweise vor allem mit wem der Prinz beschäftigt ist. Marinelli erzählt ihr also von der Anwesenheit Emilia Galottis und ihrer Mutter. Orsina erkennt sofort, dass es sich bei dem Mord an Appiani um einen Auftragsmord des Prinzen gehandelt haben muss. Als Bestätigung ihrer Vermutung gibt sie an, von der Begegnung des Prinzen mit Emilia Galotti am Morgen in der Kirche zu wissen. Sie amüsiert sich über die Ruchlosigkeit des Prinzen und sagt, dass sie ihr Wissen am nächsten Tag auf dem Markt herausschreien wird.
6. Auftritt
Odoardo Galotti, Gräfin Orsina, Marinelli
Gerade als die Gräfin gehen möchte, stößt sie auf Emilias Vater Odoardo. Dieser hatte von dem Schicksal seiner Frau und seiner Tochter gehört und verlangt sie zu sehen. Doch Marinelli hält ihn mit der Ausrede zurück, dass er und der Prinz nicht die besten Freunde seien und der Prinz deswegen erst auf die Ankunft Odoardos vorbereitet werden müsste. Marinelli versucht noch, die Gräfin Orsina aus dem Schloss zu begleiten. Als ihm dieses nicht gelingt, warnt er Odoardo vor der eingeschränkten Geisteskraft der Gräfin.
7. Auftritt

Odoardo, Orsina
Nach einem kurzen Gespräch merkt Odoardo, dass die Gräfin in keinster Weise verrückt ist. Sie berichtet ihm, dass der Graf Appiani nicht nur verwundet, sondern tot sei. Weiterhin vergrößert sie das Unheil des Vaters, als sie ihm von der Unterredung zwischen Emilia und dem Prinzen am Morgen in der Kirche erzählt. Odoardo glaubt ihr es nicht, da er seine Tochter für eine ehrenhafte Frau hält. Doch Orsina treibt ein hinterhältiges Spiel und sinnt darauf, am Prinzen Rache zu nehmen. Sie reicht Odoardo einen Dolch und appelliert an seinen Mannesstolz, um von der Waffe Gebrauch zu machen, um jede Ehre und alle Beleidigung zu retten.
8. Auftritt
Die Vorigen, Claudia Galotti
Claudia Galotti trifft auf ihren Mann und versucht ihn von der Unschuld ihrer Tochter zu überzeugen. Sie erzählt, wie verstört Emilia am Morgen nach der Kirche nach Hause gekommen ist. Doch der Vater zweifelt an ihrer Unschuld. Schließlich bittet er die Gräfin Orsina, seine Frau mit ihrer Kutsche in die Stadt zu fahren. Sie werde Emilia aus Guastalla wegbringen. Claudia möchte zunächst nicht, da sie gerne bei ihrer Tochter bleiben würde. Doch Odoardo versichert ihr, dass die Tochter in der Nähe ihres Vaters nichts zu befürchten habe.
FÜNFTER AUFZUG
(Die Szene spielt immer noch in einem Vorsaal des Lustschloss des Prinzen)
1. Auftritt
Marinelli, der Prinz
Marinelli schaut aus dem Fenster. Er sieht Odoardo näher kommen. Er ist der Meinung, dass dieser dem Prinzen für den Schutz danken wird, der er seiner Frau und Tochter zukommen lassen hat. Doch der Prinz vermutet, dass Odoardo sein Spiel durchschaut hat.
2. Auftritt
Odoardo
Odoardo betritt das Schloss. Er ist allein und hält einen kurzen Monolog in dem er seine Motivation Rache für den Mord an dem Grafen Appiani zu üben bekundet. („Genug für mich, wenn dein Mörder die Frucht seines Verbrechens nicht genießt.“)
3. Auftritt
Odoardo, Marinelli
Odardo und Marinelli diskutieren den Verbleib von Emilia. Marinelli möchte, dass Emilia nach Guastalla kommt. Er strebt eine Verbindung Emilias mit dem Prinzen an. Odoardo widersetzt sich dieser Vorstellung und verlangt, dass seine Tochter mit ihm komme und bei ihm bleibe. Marinelli geht ab, um den Prinzen zu holen, der in der Sache entscheiden soll.
4. Auftritt
Odoardo
Odoardo ist von der Vorstellung entsetzt, dass er nicht über den Verbleib seiner Tochter entscheiden kann. Er fokussiert sich auf seine ehrbare Standhaftigkeit und erwartet die Ankunft des Prinzen („Gut, gut, so soll er sehen, wieviel auch ich darf, ob ich es schon nicht dürfte! Kurzsichtiger Wüterich! Mit dir will ich es wohl aufnehmen. Wer kein Gesetz achtet, ist ebenso mächtig, als wer kein Gesetz hat.“).
5. Auftritt
Prinz, Odoardo, Marinelli
Beim Aufeinandertreffen zwischen Odoardo Galotti und dem Prinzen verkündet Emilias Vater seinen Beschluss, dass Emilia in ein Kloster gebracht werden soll. Der Prinz wehrt sich gegen den Vorschlag („So viel Schönheit soll in einem Kloster verblühen?“). Um Vater und Tochter auseinander zu treiben, entwirft Marinelli eine Lügengeschichte, in der er ein guter Freund des verstorbenen Grafen Appiani war. Er berichtet Emilias Vater Odoardo, dass Appiani nicht von Räubern, sondern von einem begünstigten Nebenbuhler seiner Tochter umgebracht wurde. Odoardo ist über die Tatsache, dass seine Tochter ihre vermeintliche Ehre verloren haben könnte so entsetzt, dass er seine ursprüngliche Sicherheit verliert. Nachdem Odoardo zunächst die Verhaftung seiner Tochter gefordert hat, stimmt er einem Aufenthalt Emilias in den Räumlichkeiten des Kanzlers Grimaldi in Guastalla zu. Zuvor bittet er den Prinzen aber noch um eine Unterredung mit seiner Tochter. Er möchte ihr von dem Tod Appianis erzählen.
6. Auftritt
Odoardo
In einem aufgebrachten Monolog schildert Odoardo seinen Zweifel an der Rechtschaffenheit seiner Tochter. Allerdings ist er hin und her gerissen, was er tun soll. Er möchte gerade gehen, da sieht er Emilia kommen.
7. Auftritt
Emilia, Odoardo
In der zentralen Szene des Stücks kommt es zum finalen Dialog zwischen Emilia Galotti und ihrem Vater Odoardo. Es gelingt Emilia, ihren Vater von ihrer Unschuld zu überzeugen. Sie klagt von dem Prinzen in der Ausführung ihrer eigenen Lebenspläne gehindert worden zu sein. Unter keinen Umständen möchte sie in die Kanzlei von Garibaldi gebracht werden, die sie als „Haus der Freude“ bezeichnet. Viel eher möchte sie sterben und ihre Unschuld bewahren. Sie erkennt sehr wohl, dass sie für die Verführungen des Prinzen anfällig ist und möchte sich gegen ihre eigene Wankelmütigkeit zur Wehr setzen. Als ihr Vater den Dolch hervorzieht, den er zuvor von der Gräfin Orsina erhalten hat, bittet Emilia ihren Vater, ihr den Dolch auszuhändigen. Er gibt ihn ihr und ist von der Aufrichtigkeit seiner Tochter erstaunt, die sich umbringen möchte. Letztlich bittet sie jedoch ihren Vater, sie umzubringen. Doch Odoardo zögert. Erst als Emilia seine Schwäche rügt, stößt er ihr den Dolch ins Herz. Die letzten Worte von Emilia lauten: „Eine Rose gebrochen, ehe der Sturm sie entblättert. – Lassen Sie mich sie küssen, diese väterliche Hand.“
8. Auftritt
Die Vorigen, Prinz, Marinelli
Der Prinz und Marinelli treten hinzu. Sie sind von der Szene schockiert. Emilia ist im Sterben begriffen. Als sie nicht mehr lebt, äußert sich Odoardo. Er ist dazu bereit, sich der Justiz zu stellen und klagt die Ungerechtigkeit des Prinzen an, der sich für seine Taten vor Gott verantworten muss („Ich gehe und erwarte Sie als Richter – Und dann dort – erwarte ich Sie vor dem Richter unser aller!“). Als letzte Handlung des Stücks verbannt der Prinz seinen Kammerherrn Marinelli und bezeichnet ihn als Teufel.

 

Sonstiges

Sowohl thematisch als auch historisch ist das Drama Emilia Galotti von 1772 im unmittelbaren Vorfeld der Französischen Revolution anzusiedeln. Das Stück zeigt die moralische Dekadenz des hohen Adels und einen durch das absolutistische Herrschaftssystem begünstigten Verfall der politischen Ordnung.

Diese wird durch das Aufkommen des Bürgertums kontrastiert, das sich in einer starken Betonung seiner eigenen Gefühle von dem herrschenden Gesellschaftsapparat emanzipiert. Aus diesem Grund ist Emilia Galotti nicht nur ein Werk der Aufklärung, sondern kann auch als Drama der Empfindsamkeit gelten, da das aufstrebende Bürgertum im Stück zu sich selbst findet.

Gotthold Ephraim Lessing

Der Dichter Gotthold Ephraim Lessing wurde 1729 als Sohn eines strenggläubigen Pastors geboren. Lessing wurde von seinem Vater unterrichtet und konnte bereits mit fünf Jahren auf hohem Niveau in der Bibel lesen. Auf Grund eines Stipendiums konnte Lessing seine schulische Laufbahn an einer Fürstenschule in Meißen mit großem Erfolg fortsetzen. Er wurde vorzeitig von der Schule entlassen und begann, Theologie in Leipzig und kurze Zeit später Medizin in Wittenberg zu studieren.

Lessing beschäftigte sich aber schon sehr früh mit Literatur und dem Theater. In Berlin lernte er den jüdischen Aufklärer Moses Mendelsohn kennen. Lessing war mit zahlreichen Figuren des kulturellen Lebens befreundet, darunter Goethe und Carl Philipp Emmanuel Bach. Ab 1770 war er Bibliothekar in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.

Durch die Nähe zu den Fürsten von Wolfenbüttel war es Lessing möglich, ausgedehnte Reisen zu unternehmen, unter anderem nach Italien. Lessing lebte in einer Zeit, in der das Gedankengut der Aufklärung allgegenwärtig war. Gleichzeitig wurde seine Zeit von der absolutistischen Herrschaft der Monarchen geprägt. Lessing ist einer der bedeutendsten Dramatiker Deutschlands und ein wichtiger Vertreter der Aufklärung, dessen Werke das literarische Feld jener Zeit ungemein prägten.

Zu den bekanntesten Werken gehört – neben Emilia Galotti – in jedem Fall Minna von Barnhelm und Nathan der Weise, wobei hier vor allem die sogenannte Ringparabel des Dramas ein fester Bestandteil der Lektüre im Deutschunterricht geworden ist und als wichtige Parabeln zur religiösen Toleranz gilt.


Stichwortverzeichnis