Grimbart

Als Grimbart wird der Dachs in der Fabel oder auch in Märchen und Sagen bezeichnet. Demzufolge verbirgt sich hinter der Bezeichnung ein Fabeltier, wie etwa Isegrim für den Wolf, Meister Lampe für den Hasen oder auch Adebar für den Storch. Grimbart werden dabei in der Fabel menschliche Charaktereigenschaften zugeschrieben: er gilt als nachdenklich und ruhig. Wesentlich ist, dass sich diese Eigenschaften im Laufe einer solchen Erzählung nicht ändern: Grimbart entwickelt sich nicht, weshalb für Leser und Zuhörer vorhersehbar ist, wie er sich grundsätzlich verhalten wird.


Begriff

Der Begriff wird allerdings nicht ausschließlich für das Tier in der Fabel verwendet – wie es bei anderen Fabeltieren durchaus üblich ist – sondern gilt außerdem als volkstümliche Bezeichnung für den Dachs und wird darüber hinaus zuweilen im Fachjargon der Jäger, also der Jägersprache, verwendet. Mitunter findet sich die Bezeichnung Meister Grimbart. Die Bezeichnung geht auf die germanischen Fabeltradition zurück.Grimbart in Noeten aus der Zeitschrift Die Gartenlaube

Meister Grimbart in Nöten, in: Die Gartenlaube (1894)


Das obige Bild ist der Zeitschrift Die Gartenlaube aus dem Jahr 1894 entnommen. Diese Zeitschrift gilt als erstes deutsches Massenblatt und konnte 1876 als erste Zeitschrift eine Auflagenhöhe von rund 382.000 erreichen. Das Bild ist im Original mit der Unterschrift Meister Grimbart in Nöten versehen und stammt von Ludwig Beckmann. In der Literatur finden sich natürlich weitere Beispiele für die Verwendung.

Beispiel aus der Literatur

Ein bekanntes Beispiel findet sich in Reineke Fuchs, einem Epos in zwölf Gesängen des Dichters Johann Wolfgang von Goethe, der für diese Bearbeitung – die im Jahr 1794 erschien – auf den Stoff des äußerst bekannten Versepos Reynke de vos, welches vor allem im Mittelalter populär war (vgl. Literaturepochen), zurückgriff. Nachfolgend der achte Gesang aus Goethes Bearbeitung, wobei der Fuchs auf dem Weg zum König ist und dabei auf seinen Verwandten den Dachs trifft.

Reineke Fuchs, Achter Gesang (Goethe)“

Weiter gingen sie nun zusammen über die Heide,
Grimbart und Reineke, grade den Weg zum Schlosse des Königs.
Aber Reineke sprach: »Es falle, wie es auch wolle,
Diesmal ahnet es mir, die Reise führet zum Besten.
Lieber Oheim, höret mich nun! Seitdem ich zum letzten
Euch gebeichtet, verging ich mich wieder in sündigem Wesen;
Höret Großes und Kleines und was ich damals vergessen.Von dem Leibe des Bären und seinem Felle verschafft ich
Mir ein tüchtiges Stück; es ließen der Wolf und die Wölfin
Ihre Schuhe mir ab; so hab ich mein Mütchen gekühlet.
Meine Lüge verschaffte mir das, ich wußte den König
Aufzubringen und hab ihn dabei entsetzlich betrogen:
Denn ich erzählt ihm ein Märchen, und Schätze wußt ich zu dichten.
Ja, ich hatte daran nicht genug, ich tötete Lampen,
Ich bepackte Bellyn mit dem Haupt des Ermordeten; grimmig
Sah der König auf ihn, er mußte die Zeche bezahlen.
Und das Kaninchen, ich drückt es gewaltig hinter die Ohren,
Daß es beinah das Leben verlor, und war mir verdrießlich,
Daß es entkam. Auch muß ich bekennen, die Krähe beklagt sich
Nicht mit Unrecht, ich habe Frau Scharfenebbe, sein Weibchen,
Aufgegessen. Das hab ich begangen, seitdem ich gebeichtet.
Aber damals vergaß ich nur eines, ich will es erzählen,
Eine Schalkheit, die ich beging, Ihr müßt sie erfahren,
Denn ich möchte nicht gern so etwas tragen; ich lud es
Damals dem Wolf auf den Rücken. Wir gingen nämlich zusammen
Zwischen Kackyß und Elverdingen, da sahn wir von weiten
Eine Stute mit ihrem Fohlen, und eins wie das andre
Wie ein Rabe so schwarz. Vier Monat‘ mochte das Fohlen
Alt sein, und Isegrim war vom Hunger gepeinigt, da bat er:
›Fraget mir doch, verkauft uns die Stute nicht etwa das Fohlen?
Und wie teuer?‹ Da ging ich zu ihr und wagte das Stückchen.
›Liebe Frau Mähre‹, sagt ich zu ihr, ›das Fohlen ist Euer,
Wie ich weiß; verkauft Ihr es wohl? Das möcht ich erfahren.‹
Sie versetzte: ›Bezahlt Ihr es gut, so kann ich es missen,
Und die Summe, für die es mir feil ist, Ihr werdet sie lesen,
Hinten steht sie geschrieben an meinem Fuße.‹ Da merkt ich,
Was sie wollte, versetzte darauf: ›Ich muß Euch bekennen,
Lesen und Schreiben gelingt mir nicht eben so, wie ich es wünschte.
Auch begehr ich des Kindes nicht selbst: denn Isegrim möchte
Das Verhältnis eigentlich wissen; er hat mich gesendet.‹

›Laßt ihn kommen‹, versetzte sie drauf, ›er soll es erfahren.‹
Und ich ging, und Isegrim stand und wartete meiner.
›Wollt Ihr Euch sättigen‹, sagt ich zu ihm, ›so geht nur, die Mähre
Gibt Euch das Fohlen, es steht der Preis am hinteren Fuße
Unten geschrieben; ich möchte nur, sagte sie, selber da nachsehn.
Aber zu meinem Verdruß mußt ich schon manches versäumen,
Weil ich nicht lesen und schreiben gelernt. Versucht es, mein Oheim,
Und beschauet die Schrift, Ihr werdet vielleicht sie verstehen.‹

Isegrim sagte: ›Was sollt ich nicht lesen! das wäre mir seltsam!
Deutsch, Latein und Welsch, sogar Französisch versteh ich:
Denn in Erfurt hab ich mich wohl zur Schule gehalten,
Bei den Weisen, Gelahrten, und mit den Meistern des Rechtes
Fragen und Urteil gestellt; ich habe meine Lizenzen
Förmlich genommen, und was für Skripturen man immer auch findet,

Les ich, als wär es mein Name. Drum wird es mir heute nicht fehlen.
Bleibet, ich geh und lese die Schrift, wir wollen doch sehen!‹

Und er ging und fragte die Frau: ›Wie teuer das Fohlen?
Macht es billig!‹ Sie sagte darauf: ›Ihr dürft nur die Summe
Lesen, sie stehet geschrieben an meinem hinteren Fuße.‹
›Laßt mich sehen!‹ versetzte der Wolf. Sie sagte: ›Das tu ich!‹
Und sie hub den Fuß empor aus dem Grase; der war erst
Mit sechs Nägeln beschlagen; sie schlug gar richtig und fehlte
Nicht ein Härchen, sie traf ihm den Kopf, er stürzte zur Erden,
Lag betäubt wie tot. Sie aber eilte von dannen,
Was sie konnte. So lag er verwundet, es dauerte lange.
Eine Stunde verging, da regt‘ er sich wieder und heulte
Wie ein Hund. Ich trat ihm zur Seite und sagte: ›Herr Oheim,
Wo ist die Stute? Wie schmeckte das Fohlen? Ihr habt Euch gesättigt,
Habt mich vergessen: Ihr tatet nicht wohl; ich brachte die Botschaft!
Nach der Mahlzeit schmeckte das Schläfchen. Wie lautete, sagt mir,
Unter dem Fuße die Schrift? Ihr seid ein großer Gelehrter.‹

›Ach!‹ versetzt‘ er, ›spottet Ihr noch? Wie bin ich so übel
Diesmal gefahren! Es sollte fürwahr ein Stein sich erbarmen.
Die langbeinige Mähre! Der Henker mag’s ihr bezahlen!
Denn der Fuß war mit Eisen beschlagen, das waren die Schriften!
Neue Nägel! Ich habe davon sechs Wunden im Kopfe.‹

Kaum behielt er sein Leben. Ich habe nun alles gebeichtet,
Lieber Neffe! vergebet mir nun die sündigen Werkel
Wie es bei Hofe gerät, ist mißlich; aber ich habe
Mein Gewissen befreit und mich von Sünden gereinigt.
Saget nun, wie ich mich beßre, damit ich zu Gnaden gelange.«

Grimbart sprach: »Ich find Euch von neuem mit Sünden beladen.
Doch es werden die Toten nicht wieder lebendig; es wäre
Freilich besser, wenn sie noch lebten. So will ich, mein Oheim,
In Betrachtung der schrecklichen Stunde, der Nähe des Todes,
Der Euch droht, die Sünde vergeben als Diener des Herren:
Denn sie streben Euch nach mit Gewalt, ich fürchte das Schlimmste,
Und man wird Euch vor allem das Haupt des Hasen gedenken!
Große Dreistigkeit war es, gesteht’s, den König zu reizen,
Und es schadet Euch mehr, als Euer Leichtsinn gedacht hat.«
»Nicht ein Haar!« versetzte der Schelm. »Und daß ich Euch sage,
Durch die Welt sich zu helfen ist ganz was Eignes; man kann sich
Nicht so heilig bewahren als wie im Kloster, das wißt Ihr.
Handelt einer mit Honig, er leckt zuweilen die Finger.
Lampe reizte mich sehr; er sprang herüber, hinüber,
Mir vor den Augen herum, sein fettes Wesen gefiel mir,
Und ich setzte die Liebe beiseite. So gönnt ich Bellynen
Wenig Gutes. Sie haben den Schaden; ich habe die Sünde.
Aber sie sind zum Teil auch so plump, in jeglichen Dingen
Grob und stumpf. Ich sollte noch viel Zeremonien machen?
Wenig Lust behielt ich dazu. Ich hatte von Hofe
Mich mit Ängsten gerettet und lehrte sie dieses und jenes,
Aber es wollte nicht fort. Zwar jeder sollte den Nächsten
Lieben, das muß ich gestehn; indessen achtet ich diese
Wenig, und tot ist tot, so sagt Ihr selber. Doch laßt uns
Andre Dinge besprechen; es sind gefährliche Zeiten,
Denn wie geht es von oben herab? Man soll ja nicht reden;
Doch wir andern merken darauf und denken das Unsre.

Raubt der König ja selbst so gut als einer, wir wissen’s;
Was er selber nicht nimmt, das läßt er Bären und Wölfe
Holen, und glaubt, es geschähe mit Recht. Da findet sich keiner
Der sich getraut, ihm die Wahrheit zu sagen, so weit hinein ist es
Böse, kein Beichtiger, kein Kaplan; sie schweigen! Warum das?
Sie genießen es mit, und wär nur ein Rock zu gewinnen.
Komme dann einer und klage! der haschte mit gleichem Gewinne
Nach der Luft, er tötet die Zeit und beschäftigte besser
Sich mit neuem Erwerb. Denn fort ist fort, und was einmal
Dir ein Mächtiger nimmt, das hast du besessen. Der Klage
Gibt man wenig Gehör, und sie ermüdet am Ende.
Unser Herr ist der Löwe, und alles an sich zu reißen,
Hält er seiner Würde gemäß. Er nennt uns gewöhnlich
Seine Leute. Fürwahr, das Unsre, scheint es, gehört ihm!

Darf ich reden, mein Oheim? Der edle König, er liebt sich
Ganz besonders Leute, die bringen und die nach der Weise,
Die er singt, zu tanzen verstehn. Man sieht es zu deutlich.
Daß der Wolf und der Bär zum Rate wieder gelangen,
Schadet noch manchem. Sie stehlen und rauben; es liebt sie der König;
Jeglicher sieht es und schweigt: er denkt an die Reihe zu kommen.
Mehr als vier befinden sich so zur Seite des Herren,
Ausgezeichnet vor allen, sie sind die Größten am Hofe.
Nimmt ein armer Teufel, wie Reineke, irgendein Hühnchen,
Wollen sie alle gleich über ihn her, ihn suchen und fangen,
Und verdammen ihn laut mit einer Stimme zum Tode.
Kleine Diebe hängt man so weg, es haben die großen
Starken Vorsprung, mögen das Land und die Schlösser verwalten.
Sehet, Oheim, bemerk ich nun das und sinne darüber,
Nun, so spiel ich halt auch mein Spiel und denke daneben
Öfters bei mir: es muß ja wohl recht sein; tun’s doch so viele!
Freilich regt sich dann auch das Gewissen und zeigt mir von ferne
Gottes Zorn und Gericht und läßt mich das Ende bedenken.
Ungerecht Gut, so klein es auch sei, man muß es erstatten.
Und da fühl ich denn Reu im Herzen; doch währt es nicht lange.
Ja, was hilft dich’s, der Beste zu sein, es bleiben die Besten
Doch nicht unberedet in diesen Zeiten vom Volke.
Denn es weiß die Menge genau nach allem zu forschen,
Niemand vergessen sie leicht, erfinden dieses und jenes;
Wenig Gutes ist in der Gemeine, und wirklich verdienen
Wenige drunter auch gute, gerechte Herren zu haben.
Denn sie singen und sagen vom Bösen immer und immer;
Auch das Gute wissen sie zwar von großen und kleinen
Herren, doch schweigt man davon, und selten kommt es zur Sprache.
Doch das Schlimmste find ich den Dünkel des irrigen Wahnes,
Der die Menschen ergreift: es könne jeder im Taumel
Seines heftigen Wollens die Welt beherrschen und richten.
Hielte doch jeder sein Weib und seine Kinder in Ordnung,
Wüßte sein trotzig Gesinde zu bändigen, könnte sich stille,
Wenn die Toren verschwenden, in mäßigem Leben erfreuen.
Aber wie sollte die Welt sich verbessern? Es läßt sich ein jeder
Alles zu und will mit Gewalt die andern bezwingen.
Und so sinken wir tiefer und immer tiefer ins Arge.
Afterreden, Lug und Verrat und Diebstahl und falscher
Eidschwur, Rauben und Morden, man hört nichts anders erzählen.
Falsche Propheten und Heuchler betriegen schändlich die Menschen.

Jeder lebt nur so hin! und will man sie treulich ermahnen,
Nehmen sie’s leicht und sagen auch wohl: Ei, wäre die Sünde
Groß und schwer, wie hier und dort uns manche Gelehrte
Predigen, würde der Pfaffe die Sünde selber vermeiden.
Sie entschuldigen sich mit bösem Exempel und gleichen
Gänzlich dem Affengeschlecht, das, nachzuahmen geboren,
Weil es nicht denket und wählt, empfindlichen Schaden erduldet.

Freilich sollten die geistlichen Herren sich besser betragen!
Manches könnten sie tun, wofern sie es heimlich vollbrächten:
Aber sie schonen uns nicht, uns andre Laien, und treiben
Alles, was ihnen beliebt, vor unsern Augen, als wären
Wir mit Blindheit geschlagen; allein wir sehen zu deutlich,
Ihre Gelübde gefallen den guten Herren so wenig,
Als sie dem sündigen Freunde der weltlichen Werke behagen.

Denn so haben über den Alpen die Pfaffen gewöhnlich
Eigens ein Liebchen; nicht weniger sind in diesen Provinzen,
Die sich sündlich vergehn. Man will mir sagen, sie haben
Kinder wie andre verehlichte Leute; und sie zu versorgen,
Sind sie eifrig bemüht und bringen sie hoch in die Höhe.
Diese denken hernach nicht weiter, woher sie gekommen,
Lassen niemand den Rang und gehen stolz und gerade,
Eben als wären sie edlen Geschlechts, und bleiben der Meinung,
Ihre Sache sei richtig. So pflegte man aber vor diesem
Pfaffenkinder so hoch nicht zu halten; nun heißen sie alle
Herren und Frauen. Das Geld ist freilich alles vermögend.
Selten findet man fürstliche Lande, worin nicht die Pfaffen
Zölle und Zinsen erhüben und Dörfer und Mühlen benutzten.
Diese verkehren die Welt, es lernt die Gemeine das Böse:
Denn man sieht, so hält es der Pfaffe, da sündiget jeder,
Und vom Guten leitet hinweg ein Blinder den andern.
Ja, wer merkte denn wohl die guten Werke der frommen
Priester und wie sie die heilige Kirche mit gutem Exempel
Auferbauen? Wer lebt nun darnach? Man stärkt sich im Bösen.
So geschieht es im Volke, wie sollte die Welt sich verbessern?

Aber höret mich weiter. Ist einer unecht geboren,
Sei er ruhig darüber, was kann er weiter zur Sache?
Denn ich meine nur so, versteht mich. Wird sich ein solcher
Nur mit Demut betragen und nicht durch eitles Benehmen
Andre reizen, so fällt es nicht auf, und hätte man unrecht,
Über dergleichen Leute zu reden. Es macht die Geburt uns
Weder edel noch gut, noch kann sie zur Schande gereichen.
Aber Tugend und Laster, sie unterscheiden die Menschen.
Gute, gelehrte geistliche Männer, man hält sie, wie billig,
Hoch in Ehren, doch geben die bösen ein böses Exempel.
Predigt so einer das Beste, so sagen doch endlich die Laien:
Spricht er das Gute und tut er das Böse, was soll man erwählen?
Auch der Kirche tut er nichts Gutes, er prediget jedem:
Leget nur aus und bauet die Kirche; das rat ich, ihr Lieben,
Wollt ihr Gnade verdienen und Ablaß! so schließt er die Rede,
Und er legt wohl wenig dazu, ja gar nichts, und fiele
Seinetwegen die Kirche zusammen. So hält er denn weiter
Für die beste Weise zu leben, sich köstlich zu kleiden,
Lecker zu essen. Und hat sich so einer um weltliche Sachen
Übermäßig bekümmert, wie will er beten und singen?
Gute Priester sind täglich und stündlich im Dienste des Herren
Fleißig begriffen und üben das Gute; der heiligen Kirche
Sind sie nütze; sie wissen die Laien durch gutes Exempel
Auf dem Wege des Heils zur rechten Pforte zu leiten.

Aber ich kenne denn auch die Bekappten; sie plärren und plappern
Immer zum Scheine so fort und suchen immer die Reichen;
Wissen den Leuten zu schmeicheln und gehn am liebsten zu Gaste.
Bittet man einen, so kommt auch der zweite; da finden sich weiter
Noch zu diesen zwei oder drei. Und wer in dem Kloster
Gut zu schwatzen versteht, der wird im Orden erhoben,
Wird zum Lesemeister, zum Kustos oder zum Prior.
Andere stehen beiseite. Die Schüsseln werden gar ungleich
Aufgetragen. Denn einige müssen des Nachts in dem Chore
Singen, lesen, die Gräber umgehn; die anderen haben
Guten Vorteil und Ruh und essen die köstlichen Bissen.

Und die Legaten des Papsts, die Äbte, Pröpste, Prälaten,
Die Beginen und Nonnen, da wäre vieles zu sagen!
Überall heißt es: Gebt mir das Eure, und laßt mir das Meine.
Wenige finden sich wahrlich, nicht sieben, welche der Vorschrift
Ihres Ordens gemäß ein heiliges Leben beweisen.
Und so ist der geistliche Stand gar schwach und gebrechlich.«

»Oheim!« sagte der Dachs, »ich find es besonders, Ihr beichtet
Fremde Sünden. Was will es Euch helfen? Mich dünket, es wären
Eurer eignen genug. Und sagt mir, Oheim, was habt Ihr
Um die Geistlichkeit Euch zu bekümmern und dieses und jenes?
Seine Bürde mag jeglicher tragen, und jeglicher gebe
Red und Antwort, wie er in seinem Stande die Pflichten
Zu erfüllen strebt; dem soll sich niemand entziehen,
Weder Alte noch Junge, hier außen oder im Kloster.
Doch Ihr redet zuviel von allerlei Dingen und könntet
Mich zuletzt zum Irrtum verleiten. Ihr kennet vortrefflich,
Wie die Welt nun besteht und alle Dinge sich fügen;
Niemand schickte sich besser zum Pfaffen. Ich käme mit andern
Schafen, zu beichten bei Euch und Eurer Lehre zu horchen,
Eure Weisheit zu lernen; denn freilich muß ich gestehen:
Stumpf und grob sind die meisten von uns und hätten’s vonnöten.«

Also hatten sie sich dem Hofe des Königs genähert.
Reineke sagte: »So ist es gewagt!« und nahm sich zusammen.
Und sie begegneten Martin, dem Affen, der hatte sich eben
Aufgemacht und wollte nach Rom; er grüßte die beiden.
»Lieber Oheim, fasset ein Herz!« so sprach er zum Fuchse,
Fragt‘ ihn dieses und jenes, obschon ihm die Sache bekannt war.
»Ach, wie ist mir das Glück in diesen Tagen entgegen!«
Sagte Reineke drauf. »Da haben mich etliche Diebe
Wieder beschuldigt, wer sie auch sind, besonders die Krähe
Mit dem Kaninchen; sein Weib verlor das eine, dem andern
Fehlt ein Ohr. Was kümmert mich das? Und könnt ich nur selber
Mit dem Könige reden, sie beide sollten’s empfinden.
Aber mich hindert am meisten, daß ich im Banne des Papstes
Leider noch bin. Nun hat in der Sache der Dompropst die Vollmacht,
Der beim Könige gilt. Und in dem Banne befind ich
Mich um Isegrims willen, der einst ein Klausner geworden,
Aber dem Kloster entlief, von Elkmar, wo er gewohnet.
Und er schwur, so könnt er nicht leben, man halt ihn zu strenge,
Lange könn er nicht fasten und könne nicht immer so lesen.
Damals half ich ihm fort. Es reut mich; denn er verleumdet
Mich beim Könige nun und sucht mir immer zu schaden.
Soll ich nach Rom? Wie werden indes zu Hause die Meinen
In Verlegenheit sein! Denn Isegrim kann es nicht lassen,
Wo er sie findet, beschädigt er sie. Auch sind noch so viele,
Die mir Übels gedenken und sich an die Meinigen halten.
Wär ich aus dem Banne gelöst, so hätt ich es besser,
Könnte gemächlich mein Glück bei Hofe wieder versuchen.«

Martin versetzte: »Da kann ich Euch helfen, es trifft sich! Soeben
Geh ich nach Rom und nütz Euch daselbst mit künstlichen Stücken.
Unterdrücken laß ich Euch nicht! Als Schreiber des Bischofs,
Dünkt mich, versteh ich das Werk. Ich schaffe, daß man den Dompropst
Grade nach Rom zitiert, da will ich gegen ihn fechten.
Seht nur, Oheim, ich treibe die Sache und weiß sie zu leiten;
Exequieren laß ich das Urteil, Ihr werdet mir sicher
Absolviert, ich bring es Euch mit; es sollen die Feinde
Übel sich freun und ihr Geld zusamt der Mühe verlieren:
Denn ich kenne den Gang der Dinge zu Rom und verstehe,
Was zu tun und zu lassen. Da ist Herr Simon, mein Oheim,
Angesehn und mächtig; er hilft den guten Bezahlern.
Schalkefund, das ist ein Herr! und Doktor Greifzu und andre,
Wendemantel und Losefund hab ich alle zu Freunden.
Meine Gelder schickt ich voraus; denn, seht nur, so wird man
Dort am besten bekannt. Sie reden wohl von Zitieren:
Aber das Geld begehren sie nur. Und wäre die Sache
Noch so krumm, ich mache sie grad mit guter Bezahlung.
Bringst du Geld, so findest du Gnade; sobald es dir mangelt,
Schließen die Türen sich zu. Ihr bleibet ruhig im Lande;
Eurer Sache nehm ich mich an, ich löse den Knoten.
Geht nur nach Hofe, Ihr werdet daselbst Frau Rückenau finden,
Meine Gattin; es liebt sie der König, unser Gebieter,
Und die Königin auch, sie ist behenden Verstandes.
Sprecht sie an, sie ist klug, verwendet sich gerne für Freunde.
Viele Verwandte findet Ihr da. Es hilft nicht immer,
Recht zu haben. Ihr findet bei ihr zwei Schwestern, und meiner
Kinder sind drei, daneben noch manche von Eurem Geschlechte,
Euch zu dienen bereit, wie Ihr es immer begehret.
Und versagte man Euch das Recht, so sollt Ihr erfahren,
Was ich vermag. Und wenn man Euch druckt, berichtet mir’s eilig!
Und ich lasse das Land in Bann tun, den König und alle
Weiber und Männer und Kinder. Ein Interdikt will ich senden,
Singen soll man nicht mehr noch Messe lesen, noch taufen,
Noch begraben, was es auch sei. Des tröstet Euch, Neffe!

Denn der Papst ist alt und krank und nimmt sich der Dinge
Weiter nicht an, man achtet ihn wenig. Auch hat nun am Hofe
Kardinal Ohnegenüge die ganze Gewalt, der ein junger
Rüstiger Mann ist, ein feuriger Mann von schnellem Entschlusse.
Dieser liebt ein Weib, das ich kenne; sie soll ihm ein Schreiben
Bringen, und was sie begehrt, das weiß sie trefflich zu machen.
Und sein Schreiber Johannes Partei, der kennt aufs genauste
Alte und neue Münze; dann Horchegenau, sein Geselle,
Ist ein Hofmann; Schleifen-und-Wenden ist Notarius,
Bakkalaureus beider Rechte, und bleibt er nur etwa
Noch ein Jahr, so ist er vollkommen in praktischen Schriften.
Dann sind noch zwei Richter daselbst, die heißen Moneta
Und Donarius; sprechen sie ab, so bleibt es gesprochen.
So verübt man in Rom gar manche Listen und Tücken,
Die der Papst nicht erfährt. Man muß sich Freunde verschaffen!
Denn durch sie vergibt man die Sünden und löset die Völker
Aus dem Banne. Verlaßt Euch darauf, mein wertester Oheim!
Denn es weiß der König schon lang, ich laß Euch nicht fallen;
Eure Sache führ ich hinaus und bin es vermögend.
Ferner mag er bedenken, es sind gar viele den Affen
Und den Füchsen verwandt, die ihn am besten beraten,
Und das hilft Euch gewiß, es gehe, wie es auch wolle.«

Reineke sprach: »Das tröstet mich sehr; ich denk es Euch wieder,
Komm ich diesmal nur los.« Und einer empfahl sich dem andern.
Ohne Geleit ging Reineke nun mit Grimbart, dem Dachse,
Nach dem Hofe des Königs, wo man ihm übel gesinnt war.