Die Glosse ist eine meinungsbildende und journalistische Textsorte und ähnelt in Aufbau und Art dem Kommentar. Die Glosse gilt, wie auch Leserbrief, Filmkritik, Rezension, Buchbesprechung, Diagnose oder das Gutachten als judizierende Textart. Das bedeutet, dass in ihr bestimmte Themen bewertet und beurteilt werden. Oftmals werden aktuelle Nachrichten satirisch aufs Korn genommen.
Inhaltsverzeichnis
Begriff & Ursprung
Das Wort lässt sich aus dem Altgriechischen ableiten (γλῶσσα ~ glóssa) und in etwa mit Zunge oder Sprache übersetzen. Diese Übersetzung verweist auf die wichtigsten Merkmale der Glosse, die eine Textsorte ist, die sich durch ein hohes Maß an sprachlicher Fertigkeit und eleganten Formulierungen auszeichnet und dabei sarkastisch und außerdem sehr ironisch ist (→ Stilmittel).
Merkmale der Glosse
- Die Glosse ist ein meinungsbildender Text. Sie kritisiert (meist aktuelle) Themen und verpackt diese originell, witzig und komisch. Dabei soll sie allerdings zum Nachdenken anregen
- Die Textsorte ist in der Regel kurz und erscheint in Zeitungen, Zeitschriften oder anderweitigen journalistischen Publikationen, diese können selbstverständlich auch online, aber in jedem Fall in Textform und vom berichtenden Artikel abgegrenzt, vorliegen.
- Sie zeichnet sich durch ihre Kürze aus und nimmt oftmals nur wenige Zeilen oder Abschnitte ein. Der Umfang könnte durchaus als eine Art epigrammatische Kürze bezeichnet werden (Epigramm: kurzes, meist in Distichen abgefasstes Sinn- oder auch Spottgedicht).
- Die Glosse ist mit dem Kommentar verwandt. Sie unterscheidet sich von diesem allerdings insofern, als dass sie zwar thematisch ähnlich ist, sich aber durch ein hohes Maß an Sprachfertigkeit (teils auch Sprachwitz) und Sachkenntnis auszeichnet.
- So wirkt die Glosse zwar wie ein einfacher Text, der leicht zu lesen ist, aber durch zahlreiche Stilmittel bestimmt wird und eine hohe Sachkenntnis des Autors erfordert. Die gängigsten Stilmittel sind dabei Ironie, Sarkasmus, Hyperbel und eine hohe sprachliche Eleganz.
- Die Glosse ist satirisch, bärbeißig, ironisch, lustig, zynisch, klar sowie verständlich, wobei sie idealerweise alle diese Merkmale gleichzeitig vereint. Sie greift in der Regel ein Thema auf, überspitzt es und nimmt es in der Folge journalistisch aufs Korn.
- Sie gilt als eine der schwierigsten journalistischen Textformen, da es sehr kompliziert sein kann, die Gratwanderung zwischen Sarkasmus und Einfachheit zu bewältigen ohne ins Lächerliche abzurutschen. Emil Dovifat, ein Publizistikwissenschaftler, beschrieb die Textsorte deshalb so: „Die Glosse ist die kürzeste und daher die schwerste journalistische Stilform.“
- Hinweis: Die meisten Zeitungen haben einen eigenes Autorenteam, das die Glossen anfertigt. In der Zeitung wird dieser Teil als Lokalspitze bezeichnet. Dort finden auch Kommentare Platz.
Unterschied: Glosse, Nachricht, Kommentar und Kolumne
Es gibt einige journalistische Textsorten, die der Glosse ähneln und schwierig davon abzugrenzen sind. Deshalb möchten wir ähnliche Textarten vorstellen und stichpunktartig die wesentlichen Merkmale hervorheben, um eine eindeutige Abgrenzung möglich zu machen.
- Die Nachricht sollte objektive Sachverhalte darstellen, ist aktuell und enthält Informationen. Nachrichten beantworten die W-Fragen und dürfen in keinem Fall die persönliche Meinung des Autors beinhalten. Sie sind kurz und schnörkellos und sollen klar angeben, worum es geht. Das Wichtigste steht am Anfang.
- Der Kommentar ist eine klar meinungsäußernde Darstellungsform. Nachrichten werden im Kommentar kommentiert, also sprachlich bewertet, wobei eine Stellungnahme stets inbegriffen ist. Der Kommentar erfordert eine eigene Meinung, aber auch ein Fazit, also eine Schlussfolgerung, und ist klar formuliert. Kritiken und Rezensionen sind beispielsweise Sonderformen des Kommentars.
- Die Kolumne ist gewissermaßen eine Sonderform des Kommentars. Kolumnen erscheinen regelmäßig und sind meist vom selben Autor verfasst. Hier erzählt der Autor eine Geschichte, die häufig in der Ich-Form verfasst ist. Die Kolumne ist ein Meinungsbeitrag, muss sich aber nicht auf eine Nachricht beziehen.
- Die Glosse unterscheidet sich im Wesentlich insofern, als dass die enerseits das aktuelle Geschehen zum Gegenstand hat, dabei ironisch und sarkastisch ist und in jedem Fall eine Meinung transportieren kann. Sie ist andererseits stilistisch hochwertig und zeichnet sich weiterhin durch ein hohe Fachwissen in Bezug auf den glossierten Gegenstand aus.
Glosse als Erklärung eines Wortes
Im Altertum, vor allem im griechischen, war Glosse ein Begriff für ein Fremdwort. Dafür standen auch die Begriffe glossa, glossema bzw. glossematum. Quintilian, ein römischer Rhetoriker, erklärte dies folgendermaßen: „Glossemata, das heißt wenig gebräuchliche Wörter“. Das Wort meint also ein schwieriges Wort und ist später ein Begriff für die Worterklärung selbst.
Solche Glossen waren oft an den Rand eines Textes skizziert und erklärten dabei schwierige Wörter. Mitunter wurden lateinische Begriffe am Rande übersetzt. Dies grenzt die altertümliche Glosse von der Scholie ab, welche eine Erläuterung zu einer sprachlich oder inhaltlich schwierigen Textstelle bezeichnet. Daraus entstanden später die sogenannten Glossare, also Sammlungen komplizierter Wörter.
Diese Tradition setzt sich dann im Latein- oder auch Griechischunterricht fort. Hierbei wurden einzelne Wörter, deren Bedeutung schwierig war, an den Rand des Textes geschrieben. Entweder nach einer alphabetischen Ordnung oder wie sie im Text auftraten. Solche Hinweise gibt es auch heute im Fremdsprachenunterricht.
Glosse als Gedichtform
Weiterhin sind Glossen eine Bezeichnung für eine spanische Gedichtform des 15. – 17. Jahrhunderts. Diese glosa ist oftmals von philosophischem oder erotischem Inhalt. Ihre Strophenform heißt Dezime. Die Glosse hat vier Strophen zu je zehn Versen, die dem Reimschema der Dezime folgen.
Das Besondere ist, dass der Glosse ein Motto vorangestellt ist, also ein kurzer, knapper Leitgedanke, der in den nachfolgenden Strophen zeilenweise aufgegriffen wird. Das bedeutet, dass die Schlusszeilen der Abschnitte das Motto selbst ergeben. Das Gedicht ist eine Paraphrase (Umschreibung) des Mottos.
Süße Liebe denkt in Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern,
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.
Schönste! Du hast mir befohlen
Dieses Thema zu glossieren;
Doch ich sag es unverhohlen:
Dieses heißt die Zeit verlieren,
Und ich sitze wie auf Kohlen.
Liebtet ihr nicht, stolze Schönen!
Selbst die Logik zu verhöhnen,
Würd ich zu beweisen wagen,
Daß es Unsinn ist zu sagen:
Süße Liebe denkt in Tönen
Zwar versteh ich wohl das Schema
Dieser abgeschmackten Glossen,
Aber solch verzwicktes Thema,
Solche rätselhaften Possen
Sind ein gordisches Problema.
Dennoch macht‘ ich mir, mein Stern!
Diese Freude gar zu gern.
Hoffnungslos reib ich die Hände,
Nimmer bring ich es zu Ende,
Denn Gedanken stehn zu fern.
Laß, mein Kind, die span’sche Mode!
Laß die fremden Triolette!
Laß die welsche Klangmethode
Der Kanzonen und Sonette!
Bleib bei deiner sapph’schen Ode!
Bleib der Aftermuse fern
Der romatisch süßen Herrn!
Duftig schwebeln, luftig tänzeln
Nur in Reimchen, Assonänzeln,
Nur in Tönen mag sie gern.
Nicht in Tönen solcher Glossen
Kann die Poesie sich zeigen;
In antiken Verskolossen
Stampft sie besser ihren Reigen
Mit Spondeen und Molossen.
Nur im Hammerschlag und Dröhnen
Deutschhellenischer Kamönen
Kann sie selbst die alten, kranken,
Allerhäßlichsten Gedanken,
Alles, was sie will, verschönen.
- Der Begriff Glosse hat grundsätzlich drei verschiedene Bedeutungen. Er bezeichnet eine journalistische Textsorte, eine erklärende Randnotiz (Randglosse) und eine Gedichtform.
- Im Sprachgebrauch ist allerdings zumeist die journalistische Textsorte gemeint. Diese ist kurz, bezieht sich auf ein aktuelles Geschehen, ist meinungsäußernd und zeichnet sich durch sprachliche Eleganz aus, wobei vor allem Ironie und Hyperbel charakteristisch sind.
- Beispiele finden sich in den meisten Zeitungen. Glossen finden dabei meist in der Lokalspitze Platz und sind von anderen Artikeln klar abgegrenzt. Im Internet finden sich Beispiele auf Spiegel-Online oder der Wiener-Zeitung, offline im Streiflicht der Süddeutschen Zeitung.