Memento mori

Memento mori ist ein lateinischer Ausspruch, der sich mit Denke daran, dass du stirbst! oder ganz allgemein mit Gedenke des Todes! übersetzen lässt. Der Ausspruch gilt als Vanitas-Symbol. Vanitas beschreibt die christliche, jüdische Vorstellung, dass sämtliches Leben auf der Erde vergänglich ist. Solche Vanitas-Motive zeigen und erinnern daran, dass der Mensch keine Gewalt über das Leben hat. In der Kunst finden sich häufig Sanduhren oder Totenschädel, die verdeutlichen, dass alles Leben irgendwann vergangen sein wird. Darüber hinaus gibt es Sinnsprüche, welche dieses Thema aufgreifen, wie etwa Memento mori oder Carpe diem. Die Wendung Memento mori geht auf das Mittelalter zurück, wurde aber seit der Renaissance vermehrt gebraucht und erlebte einen absoluten Höhepunkt in den Werken der Literatur und Kunst des Barock (vgl. Literaturepochen).


Ursprung der Wortfolge

Die Wortfolge Memento mori lässt sich bereits im Mittelalter belegen und ist sehr wahrscheinlich eine Verballhornung und Verknappung des lateinischen Satzes Memento moriendum esse, der Bedenke, dass du sterben musst bedeutet, wobei die Wendung wahrscheinlich in mittelalterlichen Klöstern entstand.

Anzunehmen ist, dass der Leitsatz durch die Cluniazensische Reform, einer geistlichen Reformbewegung der katholischen Kirche, die im Hochmittelalter zu verorten ist (ca. 1050 bis 1250), populär wurde und fortan die Jahrhunderte überdauerte. Die Reform erfasste zuerst das Klosterleben und in der Folge das Papsttum.

Ursächlich dafür war, dass das kirchliche Leben im Mittelalter seinen moralischen Tiefpunkt erreicht hatte. Beispielsweise waren vermehrt Päpste in schwere Verbrechen verwickelt und erregten die Öffentlichkeit mit einem ausschweifenden Lebensstil, was den katholischen Machtinhabern zwischen 882 und 1046 auch die Bezeichnung Weiber- und Hurenregiment oder Zeitalter der Pornokratie einbrachte.

Die Cluniazensische Reform sollte diese Misstände beheben. Die wesentlichen Gedanken der Reform waren, 1) dass Mönche angehalten wurden, streng nach der Regula Benedicti (Benediktsregel) zu leben, 2) eine größtmögliche Gewissenhaftigkeit bei den täglichen Gottesdiensten an den Tag zu legen, 3) dass die Frömmigkeit der Mönche vertieft wurde und 4) die Erinnerung daran, dass das Leben auf Erden vergänglich ist.

Der letzte Kerngedanke ist es, der als Memento mori die Jahrhunderte überdauerte. Das Wesentlich ist hiebei, dass der Mensch sich daran erinnern sollte, dass er stirbt, wobei es im Leben am wichtigsten sei, sich auf den eigenen Tod vorzubereiten, also den Tag des Letzten Gerichts, um das eigene Seelenheil zu gewährleisten. Diese Vorstellung wurde fortan in diversen Epochen aufgegriffen.


Darstellung bekannter Vanitas-Symbol von Harmen Steenwijck

Vanitas (1640) von Harmen Steenwijck mit typischen Symbolen (Schädel, Kerze, Verwelktes)


Verbreitung von Memento mori

Die Grundidee, dass alles Irdische irgendwann vergeht und dass das menschliche Leben folglich eine Vorbereitung auf den Tod sein sollte, ist älter als die Cluniazensische Reform. Allerdings forderte diese die wesentlichen Ideen dahinter in einer absoluten Konsequenz und gilt deshalb als ursächlich für die weitere Auseinandersetzung mit dem Ausspruch Memento mori.

Im Zuge der Cluniazensische Reform wurden in ganz Europa über 2000 Reformklöster gebaut, die streng nach diesen Grundsätzen lebten. Ein wesentlicher Aspekt ist außerdem, dass aus der Reform der Zisterzienserorden im Jahr 1112 hervorging. Dieser verpflichtete sich, streng nach den Ordensregeln des Benedikt von Nursia (ca. 480 – 547) zu leben und orientierte sich darüber hinaus am Motto Ora et labora (Bete und arbeite). Dieser Orden wuchs rasch und erreichte eine enorme Popularität, was auf den Klostervorsteher Bernhard von Clairvaux und das Befürworten mehrerer Päpste zurückzuführen ist. Folglich ist die Reform der Kirche im Mittelalter ursächlich für das Aufgreifen sowie die Verbreitung des Memento-mori-Gedankens, welcher demzufolge fest im kirchlichen Alltag verankert und gefestigt war.

Weiterhin setzte eine frühmittelhochdeutsche Literatur ein, die erstmalig den einfachen Menschen ansprach und aus diesem Grund in deutscher Sprache und nicht auf Latein verfasst war. Hierbei wurde demjenigen, der selbst kein Mönch war, die Werte eines frommen Mönchlebens schmackhaft gemacht und als erstrebenswert dargestellt, wobei die asketische Lebensführung idealisisert wurde, um am Tag des Letzten Gerichts vor seinem Schöpfer zu bestehen. Diese cluniazensische Literatur zielte also vor allem darauf ab, dem Diesseits zu entsagen und sich stets vor Augen zu führen, dass alles Irdische vergehen wird. Eine beliebte Gattung war hierbei die sogenannte Reimpredigt, die auf End- oder Stabreimen fußte.Das Jüngste Gericht von Hans Memling (um 1470)

Bild: Das Jüngste Gericht (um 1470) von Hans Memling


Von diesen Reimpredigten sind insgesamt sechs bis in die heutige Zeit überliefert. Eine wurde vom Schweizer Mönch Notker von Zwiefalten verfasst. Die Schrift trägt den Titel Memento mori und zeigt exemplarisch, welche Werte und Inhalte ebendiese frühmittelhochdeutsche Literatur predigte. Es geht um den ständigen Gegensatz von Jenseits und Diesseits sowie zwischen Gott und Welt. Es wird ein Weltbild entworfen, das schaurig scheint: die Welt ist hierbei voller Übel und Schlechtigkeit und alles, was lebt, egal welcher Art oder welchen Standes, wird sterben (→ Volltext: Memento Mori).

Notker hält allerdings fest, dass der Mensch einen freien Willen hat, die selbwala, welche ihm von Gott gegeben wurde. Diese ermöglicht es, dass er entscheiden kann, was er tut. Mithilfe der selbwala muss er sich im Diesseits behaupten, was bedeutet, dass Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Selbstlosigkeit sein Handeln bestimmen sollten, so dass er auf die Gande Gottes hoffen kann. Der Mensch richtet also voller Furcht – der strengen Auslegung des Memento mori-Gedankens folgend – sein ganzes Leben darauf aus, sich dem Urteil Gottes zu unterwerfen, um am Tag des jüngsten Gerichts vor Gott zu bestehen.

Nach diesem ersten Hoch im Spätmittelalter, das vor allem auf das Diesseits ausgerichtet war, erlebte der Memento mori-Gedanke im 14. Jahrhundert erneut eine Blüte. Ursächlich ist die Pest, also der Schwarze Tod, der Europa heimsuchte und viele Menschenleben forderte. In diesem Zuge wurde das Ideengut aber alsbald maßlos ausgenutzt und fast ausschließlich auf den Ablasshandel reduziert. Das funktionierte insofern, als dass sich viele vor den Strafen, die sie im Jenseits ereilen würden, fürchteten.

Der Ablasshandel fußt letzten Endes darauf, dass den Gläubige durch das Aufbringen einer Geldsumme Sündenstrafen erlassen wurden. Wer sich nun vor der Strafe Gottes fürchtete, zahlte bereitwillig, um sich selbst zu retten. So soll etwa der Dominikanermönch Johann Tetzel wie ein Marktschreier den Ablasshandel eröffnet haben und dabei Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt! gerufen haben. Dieses Vorgehen trieb einerseits die Reformation Martin Luthers voran, der solcherlei Ablässe scharf kritisierte, finanzierte aber andererseits zu großen Teilen den Petersdom in Rom.Ablässe wurden im großen Stil an das Volk verkauft.

Bild: Bruder Johann Tetzel verkauft Ablässe (19. Jhd.) von Franz Johann Daniel Lebrecht Wagner


Das späte Mittelalter und das Aufkommen der Pest in Europa markieren demnach wichtige zeitliche Punkte, an denen die Losung Memento mori besonders verbreitet war und sich in vielen Darstellungen finden lässt. Ein weiteres Hoch – wenn auch eher kurzweiliges – findet sich im Barock, einer Epoche der europäischen Kunstgeschichte, die in etwa auf die Jahre zwischen 1575 bis 1770 datiert werden kann und von der Aufklärung abgelöst wurde. Allerdings änderte sich hier die Auffassung des Gedankens.

Memento mori im Barock

Im Barock erschütterte der Dreißigjährige Krieg Europa und hinterließ dabei vor allem im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation seine Spuren. In den Kriegsjahren 1618 bis 1648 ging es vor allem um eine Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten sowie um die Vormachtstellung in Europa. Die Dauer und das Ausmaß des Krieges prägte in der Folge ganze Familien und Generationen.

Die Erfahrung eines Krieges, der nicht enden wollte und sich über Jahrzehnte in einer ungeahnten Brutalität äußerte, schuf darüber hinaus eine Lyrik, die eindringlich war und von Tod, Leid sowie Vergänglichkeit sprach. Diese Lyrik ist es auch, die die Kerngedanken Memento mori wieder aufgreift. Allerdings geht es weniger darum, dass eigene Leben auf das Diesseits auszurichten, sondern darum, sich zu vergegenwärtigen, dass alles vergänglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die bekannte Wendung Carpe diem, die ebenso als zentrales Thema des Barock gilt, zu beachten.


Es ist alles eitel

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.


Das obige Beispiel ist die erste Strophe des Sonetts Es ist alles eitel von Andreas Gryphius. Ohne nun auf Verse, Reimschema, Zäsur oder ähnliche Dinge des Werkes einzugehen, kann hierbei auf einen Blick der Kerngedanke des Gedichts erfasst werden: schon im zweiten und dritten Vers finden sich jeweils zwei Gegenüberstellungen, die die Vergänglichkeit des Irdischen eindrücklich aufgreifen (vgl. Antithese).

Memento mori in der Kunst

In den verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte wurden Vanitas-Motive immer wieder verarbeitet, zu denen der Sinnspruch letzten Endes gezählt wird. Dabei wurden immer mehr Symbole gefunden, die die Vergänglichkeit des Irdischen verdeutlichen. Die bekanntesten sind wohl die Sanduhr, der Totenschädel, teils auch ein ganzes Gerippe, sowie die gelöschte Kerze.

Verabreitet wurden diese Symbole vor allem in den sogenannten Vanitas-Stillleben, die ebenso charakteristisch für den Barock sind. Hierbei werden verschiedene Gegenstände gezeigt, die entweder direkt oder indirekt auf die Vergänglichkeit hinweisen. Direkt sind etwa Zeichen und Motive, die den Verfall zeigen oder unmittelbare Todessymbole, wie etwa ein Totenschädel. Indirekt sind beispielsweise Gegenstände, welche eher für den Luxus sowie die Fülle des Lebens im Diesseits stehen, die aber letzten Endes im gezeigten Kontext nichtig erscheinen und den Betrachter zum Nachdenken einladen.Beispiel für die Darstellung der Vergänglichkeit in einem Stillleben.

Bild: Vanitas (1630) von Pieter Claesz


Das obige Stillleben zeigt eine Arbeit von Pieter Claesz, einem niederländischen Maler, der als wesentlicher Vertreter der Barock-Stillleben gilt. Der Schädel zeigt exemplarisch die Vergänglichkeit des Menschlichen, die Bücher stehen für die Wissenschaft, die als irdisch gilt, der Kerzenhalter hält keine Kerze mehr, wobei die Flamme für die menschliche Seele steht, ihr Verlöschen für den Tod. Die Schlüssel zeugen von irdischem Besitz. Der (vergossene) Wein steht ebenso für ein vergängliches Luxusgut und erinnert außerdem an das Abendmahl zwischen Jesus und seinen Jüngern, wobei die Tabakdose (?) den weltlichen Genuss verkörpert. Das Bild bündelt folglich den Memento mori-Gedanken.

Im Barock wurden noch zahlreiche weitere Gegenstände in solchen Arbeiten aufgegriffen. Den Zusammenhang erkennt der Betrachter zumeist erst im Gesamtbild und kann darüber weitere Bedeutungen erschließen. Hierbei besteht allerdings die Gefahr, mehr in ein Werk zu interpretieren, als es tatsächlich zeigt. Dennoch ist der symbolische Charakter solcher barocken Stillleben zumeist nicht zu verleugnen und wird ganz offensichtlich ausgearbeitet und eingesetzt. Ein weiteres Beispiel:Weiteres Beispiel, das ein Vanitas-Stillleben zeigt.

Bild: Vanitas (um 1650) von Hendrick Andriessen


Kurzübersicht: Das Wichtigste im Überblick


  • Memento mori ist ein lateinischer Ausspruch, der sich mit Denke daran, dass du stirbst! oder ganz allgemein mit Gedenke des Todes! übersetzen lässt. Der Ausspruch gilt als Vanitas-Symbol. Vanitas beschreibt die christliche, jüdische Vorstellung, dass sämtliches Leben auf der Erde vergänglich ist. Diese Auffassung wurde oft in der Kunst verarbeitet.
  • Ursächlich für die große Verbreitung des Ausspruchs ist wahrscheinlich die Cluniazensische Reform, eine geistlichen Reformbewegung der katholischen Kirche, die im Hochmittelalter zu verorten ist. Sie zielte darauf ab, das Klosterleben sowie das Papsttum grundsätzlich zu verändern und orientierte sich an stregen Regeln und Grundsätzen: einer davon war der Sinnspruch Memento mori, der vor allem darauf abzielte, dass man im irdischen Leben alle Weichen stellen sollte, um den Tod (Jüngste Gericht) nicht fürchten zu müssen.
  • Eine enorme Popularität erreichte der Sinnspruch dann erneut im Barock. In dieser Zeit entstand eine enorm eindringliche Lyrik, die auf den Aspekt der Vergänglichkeit des Irdischen verwies. Dieses Motiv wurde auch in zahlreichen Kunstwerken aufgegriffen, wobei vor allem das Stillleben genutzt wurde, das symbolisch an diesen Umstand gemahnte.

  • Hinweis: Der Memento mori-Gedanke findet sich auch später noch in zahlreichen Darstelllungen sowie Ausprägungen der und ist auch in der Postmoderne zu finden. Allerdings gilt das Vanitas-Motiv im strengen Sinn als überwunden und die Annahme, dass nicht alles, was der Mensch erschafft, nichtig ist, hat spätestens seit dem 18. Jahrhundert die Oberhand gewonnen.