Chiasmus

Der Chiasmus ist ein Stilmittel, das uns vornehmlich in der Lyrik begegnet. Hierbei werden gleichwertige Wörter, Teilsätze oder Sätze in unmittelbarer Abfolge kreuzweise entgegengesetzt angeordnet. Das bedeutet, dass der Chiasmus die beinahe spiegelbildliche Anordnung eines dieser Elemente im darauffolgenden Abschnitt beschreibt.


Begriff & Beispiele

Das Wort ist vom griechischen Buchstaben Chi, also X, abgeleitet und ist uns in seiner lateinisierten Form bekannt. Denken wir an den Buchstaben X, wird im Eigentlichen recht deutlich, worum es beim Chiasmus grundsätzlich geht: nämlich um eine Kreuzstellung. Schauen wir dafür auf ein und einfaches Beispiel.


Ich liebe die Sprache , die Sprache liebe ich

Hierbei fällt auf, dass sich die einzelnen Bestandteile des Satzes genau spiegelverkehrt nach dem Komma wiederholen (Subjekt, Prädikat, Objekt werden gewissermaßen zu Objekt, Prädikat Subjekt). Das Komma kann hierbei als Achse angesehen werden, die den Umbruch und die Wiederholung einleitet.

Um die Kreuzform noch stärker zu unterstreichen, machen wir aus unserem Beispiel doch einmal zwei Verse und lassen das Satzzeichen weg, um das Kreuz besser betrachten zu können.


Ich liebe die Sprache
die Sprache liebe ich

Dieses Beispiel ist recht simpel und besteht lediglich aus der Abfolge dreier Teilsätze. Allerdings geht es auch ein wenig komplexer und vor allem in der Literatur finden sich meist kompliziertere Beispiele, die nicht haargenau die spiegelverkehrte Abfolge zeigen. Schauen wir dafür auf zwei Zeilen aus Goethes Faust, die auch noch recht eindeutig sind.


Ach Gott! Die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.

Den Ausruf „Ach Gott!“ müssen wir hierbei streichen, da er lediglich dem folgenden Chiasmus vorangestellt ist. In der Folge lässt sich die eindeutige Kreuzform allerdings wieder sehr schön erkennen, was natürlich durch die Versform begünstigt wird. Notwendig ist diese jedoch nicht.

Folglich kann ein Chiasmus auch in einem einfachen Satz auftauchen, wodurch wir uns das typische Kreuz einfach denken müssen. Als Beispiel kann ein Satz von Karl Marx gelten.


Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen.

Hinweis: Die Struktur des Chiasmus wird häufig durch ABBA angegeben. Dies bezieht sich auf die spiegelnde Anordnung der Satzbausteine und ist nicht mit dem umarmenden Reim zu verwechseln.

Semantischer Chiasmus

Prinzipiell wurde beschrieben, dass es um die syntaktische Spiegelung bestimmter Elemente geht. Das heißt, dass Wörter, Teilsätze oder Sätze in unmittelbarer Abfolge kreuzweise entgegengesetzt angeordnet werden. Allerdings kann ein Chiasmus auch auf der semantischen Ebene beschrieben werden. Schauen wir hierfür auf ein Beispiel aus Friedrich Schillers Maria Stuart.


Ihr Leben ist dein Tod! Ihr Tod [ist] dein Leben!

Streng genommen, haben wir es hier mit einer parallelen Syntax zu tun (→ Parallelismus) und nicht mit einer Kreuzstellung im Satzbau, gleichwohl es beinahe so aussieht. Wenn wir die farbliche Markierung allerdings für die semantische Ebene, also Bedeutung, nutzen, gibt es schon eine Art der kreuzweisen Gegenüberstellung.


Ihr Leben ist dein Tod! Ihr Tod [ist] dein Leben!

Inhaltlich werden die Wörter Leben und Tod in eine Kreuzstellung gebracht, was charakteristisch für den Chiasmus ist. Folglich kann der Satz ebenso als ein solcher gelten, wenngleich auch nicht auf einer syntaktischen Ebene. Wenn wir einen solchen Vers oder Satz finden, muss ausdrücklich gekennzeichnet werden, dass wir uns auf die Bedeutungs-Ebene beziehen, da der reine Chiasmus eben nicht vorliegt.

Funktion und Wirkung des Chiasmus

Selbstverständlich haben Stilfiguren immer eine Wirkung oder auch Funktion, wenn wir beim Lesen über sie stolpern. Mitunter können wir das auch als Effekt bezeichnen.

  • Der Chiasmus wird oftmals genutzt, um gegensätzliche Behauptungen hervorzuheben (→ Antithese), da diese in der Kreuzstellung der jeweiligen Satzbestandteile noch deutlicher zum Vorschein kommen. Allerdings ist die Antithetik nicht zwingend erforderlich, sondern kann durch den Chiasmus lediglich verstärkt werden.
  • Folglich hat der Chiasmus eine verstärkende Wirkung auf das Gesagte oder Geschriebene, da durch die Wiederholung die eigentliche Aussage in den Vordergrund rückt. Eine ähnliche Funktion lässt sich mithilfe von Anapher und Anadiplose erzielen.

Hinweis: Das Gegenstück zum Chiasmus ist die Synchysis. Dieses Stilmittel bringt die Satzglieder nicht in eine Kreuzstellung, sondern bildet eine verbundene Wortfolge.


Add comment