Endreim

Der Endreim ist eine Form des Reims. Im Gegensatz zum Stabreim (Alliteration), wobei sich Wörter mit gleichen Anfangslauten reimen, oder Binnenreim, der den Reim in der Versmitte umschreibt, werden im Endreim zwei oder mehrere Verse durch Gleichklang der letzten Silben verbunden. Sind diese Reime am Versende nach einem bestimmten Muster angeordnet, spricht man vom Reimschema. Häufige Reimschemata sind der Paarreim, Kreuzreim oder auch Schweifreim.


Ganz klassisch beschreibt der Endreim allerdings die Verbindung zweier oder auch mehrerer Verse innerhalb eines Textes und muss nicht unbedingt einem übergeordneten Reimschema entsprechen. Um dieses Prinzip zu verdeutlichen, möchten wir auf ein Beispiel schauen, das die Verbindung zweier aufeinander folgender Verse durch Endreim-Bindung zeigt. Das Beispiel ist Heinrich Heines Die Wanderratten entnommen.


Es gibt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.

Diese Verszeile stammen aus der ersten Strophe des Gedichtes und sind durch einen Endreim miteinander verbunden. Das bedeutet, dass sich die letzten Wörter der Zeilen miteinander reimen. In diesem Fall Ratten und satten. Im Beispiel stehen die Reime in aufeinander folgenden Versen, doch natürlich ist eine solche Reimbindung auch über mehrere Zeilen denkbar. Schauen wir dafür auf ein weiteres Beispiel.


Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Das obige Beispiel ist die erste Strophe des Gedichtes Der Panther von Rainer Maria Rilke, einem Lyriker des 20. Jahrhunderts. Dabei reimen sich die Wörter Stäbe und gäbe sowie hält und Welt. Da diese Wörter die letzten Silben der jeweiligen Zeilen sind, haben wir es auch in diesem Fall mit Endreimen zu tun. Diese finden im Gegensatz zum ersten Beispiel aber erst in der jeweils übernachsten Strophe ein Reimpaar.

Reimschemata durch Endreime

Wenn die einzelnen Endreime eines Gedichtes ein Muster verfolgen und sich somit eine Struktur in der Anordnung der Reimpaare erkennen lässt, können wir von einem Reimschema sprechen. Solche Schemata geben also an, welche Endreime sich innerhalb eines Textes reimen.

Ein solches Reimschema wird in der Wissenschaft jedoch nicht durch verschiedene Farben gekennzeichnet, sondern durch unterschiedliche Buchstaben. Das bedeutet, dass jedes neue Reimpaar im Text einen neuen Kleinbuchstaben erhält. Der erste Reim erhält somit ein a, der nächste ein b, der nächste ein c usw. Daraus ergeben sich dann ganz unterschiedliche Buchstabenfolgen.

Paarreim

Das Reimschema des Paarreims haben wir im obigen Beispiel bereits kennengelernt. Es beschreibt, dass zwei Endreime in aufeinanderfolgenden Versen auftauchen. Die Endreim-Folge ist aabb (ccdd, eeff usw.).

a
a
b
b
Es gibt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.

Kreuzreim

Das Reimschema im Kreuzreim konnten wir bereits in Rilkes Gedicht ausmachen. Es bedeutet, dass sich der erste Endreim einer Strophe auf den dritten und der zweite auf den vierten reimt. Der Kreuzreim wird auch als Wechselreim bezeichnet. Die Endreim-Abfolge im Kreuzreim ist immer abab (cdcd, efef usw.).

a
b
a
b
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Umarmender Reim

Das Reimschema im umarmenden Reim finden wir in einem Aphorismus von Goethe. Der umarmende Reim wird mitunter auch umfassender Reim, Blockreim, umschließender Reim oder eingebetteter Reim genannt. Dennoch folgt er strikt der Endreim-Folge abba (cddc, effe usw.). Der Name geht darauf zurück, dass die äußeren Endreime die anderen einschließen, also gewissermaßen umarmen.

a
b
b
a
Ein reiner Reim ist sehr begehrt,
doch den Gedanken rein zu haben,
die edelste von allen Gaben,
das ist mir alle Reime wert.

Haufenreim

Im Haufenreim gibt es ebenso eine deutliche Abfolge der Endreime. Dabei wechseln sich die Endreime nicht ab, sondern bleiben innerhalb einer Strophe immer gleich. Die Endreime sind also angehäuft und nicht wechselhaft. Im nachfolgenden Beispiel finden wir das Muster aaaa (bbbb, cccc usw.).

a
a
a
a
auf den hohen Felsenklippen
sitzen sieben Robbensippen
die sich in die Rippen stippen
bis sie von den Klippen kippen

Verschränkter Reim

Das Schema im verschränkten Reim können wir im Werk Der Kuß im Traume von Karoline von Günderrode, einer deutschen Dichterin der Romantik, nachvollziehen. Hier werden die einzelnen Endreime ineinander verschränkt. Die Endreim-Abfolge ist demnach abcabc.

a
b
c
a
b
c
Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.
Drum birg dich Aug‘ dem Glanze irrd’scher Sonnen!
Hüll‘ dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten

Schweifreim

Im Schweifreim findet sich ein Muster, das eine Kombination der bisherigen Reimschemata ist. Dabei werden die ersten beiden Verse aus einem Paarreim gebildet, worauf sich in den folgenden Zeilen ein umarmender Reim anschließt. Ein Beispiel finden wir in Matthias ClaudiusAbendlied. Das Reimschema ist aabccb.

a
a
b
c
c
b
Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.

Kettenreim

Der Kettenreim scheint auf den ersten Blick etwa komplizierter. Dennoch folgen die einzelnen Endreime auch hierbei einem ganz festen Muster. In Goethes Gedicht Im ernsten Beinhaus war’s finden wir ein Beispiel, das dem Kettenreim entspricht. Die Endreim-Abfolge ist aba bcb cdc.

a
b
a
b
c
b
c
d
c
Im ernsten Beinhaus war’s, wo ich beschaute
Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten;
Die alte Zeit gedacht‘ ich, die ergraute.
Sie stehn in Reih‘ geklemmt‘ die sonst sich haßten,
Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen,
Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.
Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen
Fragt niemand mehr, und zierlich tät’ge Glieder,
Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen.
Hinweis: Weitere Informationen zu den verschiedenen Reimschemata finden sich im Hauptartikel zum Thema (→ Reimschema). Weiterhin lässt sich das Gelesene im nachfolgenden Video vertiefen und wird durch weitere Beispiele verdeutlicht und untermalt. Die Endreime werden natürlich auch vorgestellt.

Wirkung und Funktion des Endreims

Es ist schwierig, einem Reim eine klare Wirkung zuzuschreiben. Trotzdem hat der Endreim eine Auswirkung auf die Lesart. Vor allem deshalb, weil Reime die Verse einer Strophe – stärker als es das Metrum vermag – in Beziehung zueinander zu versetzen. Deshalb nun einige Hinweise.

Kurzübersicht: Bedeutung, Wirkung und Funktion


  • Als Endreim wird die Bindung von zwei oder mehreren Versen durch Gleichklang bezeichnet. Aus der Abfolge solcher Endreime innerhalb eines Werkes ergeben sich die Reimschemata.
  • Jeder Reim und vor allem Endreime, setzen einzelne Wörter oder Silben in eine Beziehung. Sie können nicht nur den Rhythmus eines Werkes beeinflussen, sondern auch die Bedeutung. Das liegt darin begründet, dass eine Reimbindung stets zwei oder mehrere Wörter in einen Kontext, also Zusammenhang bringt und unmittelbar aufeinander bezieht.
  • Silben, die sich reimen, bleiben außerdem besser im Gedächtsnis haften. Deshalb ist eine Endreim-Bindung auch für Merksprüche, aber auch Volkslieder und Kinderreime typisch.