In der literarischen Gattung der Lyrik gibt es äußerst verschiedene Reimformen, die auch Reimarten genannt werden. Ein Reim ist ein Gleichklang von Wörtern nach ihrem letzten betonten Vokal. Klingen Wörter oder Silben also ähnlich, dann reimen sie sich. Dabei können Reimformen aufgrund der Silbenanzahl, der Stellung im Vers und der phonologischen sowie morphologisch-lexikalischen Struktur oder aufgrund ihres Reimschemas unterschieden werden. Im Folgenden findet sich eine tabellarische Übersicht dieser Reimarten:
Inhaltsverzeichnis
Übersicht der Reimformen
Reimformen | Beispiel der Reimart | Merkmale |
---|---|---|
Reimformen nach Silbenzahl (vgl. Kadenz) | ||
einsilbig männlich (stumpf) |
Es stand vor eines Hauses Tor Ein Esel mit gespitztem Ohr. |
Die letzte Silbe von Versen, die männlich, also betont ist, reimt sich. |
zweisilbig weiblich (klingend) |
Womit man denn bezwecken wollte, dass sich der Esel ärgern sollte. |
Nach der letzten betonten Silbe im Vers steht eine unbetonte, beide bilden den Reim. |
dreisilbig gleitend (reich) |
Wunderschön prächtige, hohe und mächtige. |
Nach der letzten betonten Silbe im Vers stehen zwei unbetonte, alle bilden den Reim. |
mehrsilbig erweitert |
Gnadenreiche Mitternacht wadenbleiche Flitterpracht |
Mehrere Silben des Verses werden gereimt. |
Reimformen nach Stellung im Vers | ||
Anfangsreim | Kann ich dich lieben? Dann wecke ich dich. |
Die ersten zwei Wörter zweier Verse reimen. |
Ausgangsreim | Ich liebe dich, kleiner Wicht, liebst du mich denn nicht? |
Reim der jeweils letzten Wörter, Silben oder Wortgruppen in benachbarten Versen. Meint also alle Endreime, wenn die Verse, die gereimt werden, aufeinander folgen. |
Binnenreim | Auf dem Feld steht ein Held. | Reim steht innerhalb einer Zeile. |
Echoreim | (1) Was tun, wenn alle einen kennen? Rennen! (2) Es erschraken die Kraken fürchterlich. |
(1) Entweder eine Sonderform des Schlagreims, wobei zwei Wörter nebeneinander reimen und das zweite eine (witzige) Antwort auf das erste gibt (vgl. Echogedicht). (2) Oder zwei Reimwörter, die in einer Zeile, aber nicht am Zeilenende stehen, und von mindestens einem Wort getrennt sind. |
Endreim | Es gibt zwei Sorten Ratten: Die hungrigen und satten. |
Übereinstimmung ab der letzten betonten Silbe im Vers. |
Inreim | Eine starke, schwarze Barke segelt trauervoll dahin. |
Eine Form des Binnenreims. Hier reimt sich das Versende auf ein Wort im Inneren des Verses. |
Mittelreim | Ich bin der Vater meiner Tochter und hab ‘nen Kater. Alles Roger! |
Sonderform des Binnenreims. Es reimen Wörter aus dem Inneren zweier aufeinanderfolgender Verse miteinander. |
Mittenreim | Ich bin meiner Tochter Vater und hab’ ‘nen Kater. Alles gut. |
Sonderform des Binnenreims. Es reimt sich das Versende auf ein Wort aus dem Inneren einer folgenden oder vorherigen Zeile. |
Pausenreim | Sieh jene Kraniche in großem Bogen! Die Wolken, welche ihnen beigegeben Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen. |
Reimwort steht am Ende des Verses. Es folgt eine reimlose Zeile. Im dritten Vers steht das Reimwort am Anfang und Ende. |
Schlagreim | Die Kraken erschraken, als wir tauchen gingen. | Zwei Wörter, die unmittelbar nacheinander stehen, reimen. |
Übergehender Reim | Ich sagte zu Peter: Später wirst du verstehen. |
Versende reimt sich auf das erste Wort im folgenden Vers. |
Überschlagender Reim | Geld regiert die Welt. | Erstes Wort und letztes Wort einer Verszeile reimen. |
Zäsurreim | (1) Was sie heute baut und klaut, || reißt jene morgen ein. (2) Uns ist in alten Mæren || wunders vil geseit von Helden lobebæren, || von grôzer arebeit, (3) Ich esse, was ich seh’, || am liebsten grünen Klee. |
Als Zäsurreim wird ein Reim im Versinnern bezeichnet. (1) Entweder reimen sich die Wörter vor der Zäsur (||) einer Zeile oder (2) die Wörter vor den Zäsuren zweier Verse. (3) Außerdem wird der Reim zwischen einem Wort vor einer Zäsur innerhalb des Verses und dem Versende Zäsurreim genannt. |
Reimformen nach phonologischer Struktur | ||
Äquivoker Reim | Vom Kopfe der Lärche, da singt eine Lerche. |
Wörter, die gleich klingen, aber unterschiedliche Dinge meinen (Homonym, siehe auch Antonym) reimen. |
Assonanz | Ach, ich will mich nicht beklagen, immerhin konnt’ ich nachts schlafen |
Nur ein betonter Vokal ist identisch, die Konsonanten unterscheiden sich in den Reimsilben. Ein vokalischer Gleichklang entsteht. |
Doppelreim | Ich trüge Seide in meiner Traumrolle, doch das Leben schenkte mir nur Baumwolle. |
Endreim, der drei- oder viersilbig ist, zwischen zwei Versen. Entweder werden bestehen die Reimwörter auf mindestens zwei Hebungen oder aus zwei eigenständigen Wörtern besteht. |
Endsilbenreim | Es zucken die Blitze denn Und fliegen die Furien. |
Reim zwischen nebentonigen und unbetonten Endsilben. |
Erweiterter Reim | Gnadenreiche Mitternacht wadenbleiche Flitterpracht |
Mehrere Silben des Verses werden gereimt. |
Historischer Reim | Come live with me and be my love, And we will all the pleasures prove, |
Die frühere Aussprache eines Wortes, hier prove, führte zum Reim. Heute besteht der Gleichklang aber nicht mehr. |
Identischer Reim | Heute gehe ich in das Haus, doch gestern kam ich aus dem Haus. |
Gleiches Wort wird gereimt. |
Parareim | Ich pflückte die Rosen, jetzt gibt’s nur noch Rasen. |
Konsonanten stimmen überein, aber die betonten Vokale sind in den Reimsilben verschieden. |
Reicher Reim | Beim Hürdenlauf überleben? Einfach Füße drüber heben. |
Die sich reimenden Wörter stimmen schon ab dem vorletzten betonten Vokal lautlich überein. |
Reiner Reim | Dort drüben im Haus lebt eine kleine Maus. |
Hörbare Abfolge der Silben stimmt exakt überein, die Reimsilben nach dem betonten Vokal sind also klanglich identisch. |
Rührender Reim | In meinem Schädel schwirrt es, Vor Augen dunkel wird es. |
Hier ist auch der Konsonant vor der betonten Reimsilbe identisch. |
Schüttelreim | Es klapperten die Klapperschlangen, bis ihre Klappern schlapper klangen. |
Anfangskonsonanten von zwei oder mehr reimenden Silben oder Wörtern eines Reimpaars werden zu neuem Sinn zusammengefügt. |
Unreiner Reim | Was gibt’s wohl zum Essen heute? Fragt sich Peter voller Freude. |
Reimsilben nach dem betonten Vokal sind also klanglich identisch |
Vorreim | Warum sollt ich mich beklagen bei deinem wundervoll’n Betragen? |
Ergänzung des Reimworts durch assonierende oder reimende Vorsilben. |
Reimformen nach morphologisch-lexikalischen Besonderheiten | ||
Augenreim | Das war ja eine Blamage, so was gibt’s nicht alle Tage. |
Reim besteht nur orthographisch, also für die Augen, ist aber lautlich verschieden. |
Gebrochener Reim | Wir haben das Wolken- schaf heute schon gemolken. |
Durch das aufbrechen des Reimwortes wird der Reim möglich. Durch Enjambement (Zeilensprung) im Reimwort. |
Gespaltener Reim | Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es. |
Mehrsilbiger Reim, bei dem sich mindestens ein Reimglied auf mehrere Wörter erstreckt. |
Grammatischer Reim | Es ist eine schwarze Trauer, das Volk betet und trauert. |
Reimbindung von Wörtern des gleichen Wortstammes, wobei keine Rücksicht auf den Gleichklang genommen wird. |
Ohrenreim | Sie flüsterte:“I love you“ und ich wurde brav. |
Gleichklang von Reimwörtern, die ganz unterschiedlich geschrieben werden. |
Umgekehrter Reim | Müssen wir uns heute denn wundern? Wir waren es doch, die so wurden. |
Reim von Wörtern, bei denen einzelne Buchstaben ausgetauscht wurden. |
Vexierreim | Wir ziehen los mit ganz großen Schritten, und Erwin faßt der Heidi von hinten an die Schulter. |
Reim, der eine Erwartung beim Empfänger schürt, die dann aber nicht erfüllt wird. Zumeist ist das erwartete Reimwort frivol (Anspielung auf sexuelle Dinge). |
Zwillingsreim | Böse Diebe klauten Waren, Böse die Beklauten waren. |
Hier werden Wörter aufeinander gereimt, die genau das gleiche Buchstabenmaterial haben. Allerdings werden die Buchstaben an anderen Stellen getrennt, wodurch andere Wörter entstehen. |
Reimformen nach Versende (vgl. Reimschema) | ||
Haufenreim | auf den hohen Felsenklippen sitzen sieben Robbensippen die sich in die Rippen stippen bis sie von den Klippen kippen |
Reim wird mehr als zweimal am Versende wiederholt, es ergibt sich aaaa usw. |
Paarreim | Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind! Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. |
Ein Reimpaar folgt einem anderen Reimpaar, daraus ergibt sich aabb usw. |
Kreuzreim (auch Wechselreim) |
Zwei Segel erhellend Die tiefblaue Bucht! Zwei Segel sich schwellend Zu ruhiger Flucht! |
Reime sind sind ineinander verkreuzt, daraus ergibt sich das Reimschema abab usw. |
Umarmender Reim (auch Blockreim) |
Ein reiner Reim ist sehr begehrt, doch den Gedanken rein zu haben, die edelste von allen Gaben, das ist mir alle Reime wert. |
Ein Reimpaar umschließt einen Paarreim. Das Reimschema ist abba. |
Verschränkter Reim | Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen, Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen. Drum birg dich Aug’ dem Glanze irrd’scher Sonnen! Hüll’ dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten |
Das Reimschema ist abcabc. Man kann sich vorstellen, die Reimpaare aa, bb, cc seien wechselweise ineinander verschoben, also ‚verschränkt‘ worden |
Schweifreim (auch Zwischenreim) |
Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar; der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar. |
Ein Paarreim und ein umarmender Reim bilden den Schweifreim. Das Reimschema ist somit aabccb. |
Kehrreim | Zahlreiche Beispiele im Hauptartikel. | Wiederkehrende Abfolge von Lauten, Wörtern, Wortgruppen und Versen zwischen den Strophen eines Textes, am Ende, Anfang oder aber ein sich wiederholender Endreim innerhalb einer Strophe. |
Kettenreim (auch Terzinenreim) |
Im ernsten Beinhaus war’s, wo ich beschaute Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten; Die alte Zeit gedacht‘ ich, die ergraute. Sie stehn in Reih‘ geklemmt‘ die sonst sich haßten, Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen, Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten. Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen Fragt niemand mehr, und zierlich tät’ge Glieder, Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen. |
Das mittlere Reimwort der ersten dreizeiligen Strophe bildet einen Reim mit dem ersten und letzten Vers der zweiten Strophe. Dieses Muster wird fortgeführt. Das Reimschema entspricht somit der Form aba bcb cdc ded usw. |
Körner | Reim, der erst in einer späteren Strophe eine Enstprechung findet. Typisch für die mittelalterliche Dichtung. Reimschema könnte beispielsweise aabcc ddbee lauten. | |
Sonderformen | ||
Stabreim (vgl. Alliteration) |
Milch macht müde Männer munter. | Aufeinanderfolgende Wörter beginnen mit dem gleichen Buchstaben. Eigentlich aber ein Begriff der germanischen Dichtung (siehe Hauptartikel). |
Nichtreimende Reimart | ||
Waise | Ich liebe dich, du sanfter Morgen, liebst du auch mich? |
Eine Verszeile reimt sich nicht. Hier die mittlere. Wird im Reimschema entweder mit einem x oder w angegeben. Das Beispiel folgt also dem Schema axa. |
Frage: Sind mehrere Reimformen möglich?
In der obigen Übersicht der Reimarten wird deutlich, dass sich einige der Merkmale der verschiedenen Reime durchaus doppeln. Weiterhin gibt es Beispiele, die mehreren Reimformen zugerechnet werden könnten. Die Frage ist nun, ob ein Wort oder eine Wortfolge auch die Merkmale mehrerer Reimformen erfüllen kann. Die einfache Antwort: Ja. Natürlich. Das ist sogar recht häufig. Ein Beispiel:
Haken lösten sich und Laken,
rissen aus bunten Bord-Betten.
Das obige Beispiel vereint zahlreiche Reimarten der vorherigen Übersicht. Hier bilden die Wörter erschraken und Kraken im ersten Vers einen Schlagreim, wobei die Nomen Haken und Kraken einen übergehenden Reim bilden. Haken und Laken sind wiederum ein überschlagender Reim, wobei Kraken und Laken außerdem einen Paarreim bilden, der zweisilbig und weiblich ist. Das Substantiv Kraken lässt so mit anderen Wörtern mehrere Reimformen entstehen. Der letzte Vers ist darüber hinaus ein Stabreim (bunten Bord-Betten).