Er ist’s

  1. Frühling läßt sein blaues Band
  2. Wieder flattern durch die Lüfte;
  3. Süße, wohlbekannte Düfte
  4. Streifen ahnungsvoll das Land.
  5. Veilchen träumen schon,
  6. Wollen balde kommen.
  7. – Horch, von fern ein leiser Harfenton!
  8. Frühling, ja du bist’s!
  9. Dich hab’ ich vernommen!
 Zur obigen Darstellung von Er ist’s
Der oben stehende Gedichttext orientiert sich an der äußerlichen Gestaltung Eduard Mörikes. Viele Quellen berücksichtigen die Einrückung des achten Verses nicht, wobei dieser eine Sonderstellung – auch visuell! – im Gedicht einnimmt. Es handelt sich hierbei um eine Reimwaise, die sich nicht in den erwartbaren Kreuzreim einreiht, sondern mit dem Titel des Werkes reimt.

Erläuterungen

Hintergrund

Er ist’s ist ein Gedicht von Eduard Mörike, welches um das Jahr 1829 entstand und 1832 veröffentlicht wurde. Das Gedicht ist Teil des Werkes Maler Nolten. Novelle in zwei Theilen., einem romantischen Künstlerroman des Dichters, der in der Emanuel Schweizerbart’s Verlagshandlung erschien.

Neben Er ist’s, dessen ersten beiden Verse Frühling läßt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte; enorm populär wurden, fügte Mörike viele weitere Gedichte in den Prosatext ein, wie etwa Der Feuerreiter, eines der bekanntesten Werke des Dichters, das Mörike über viele Jahre überarbeitete.

Er ist’s ist aber nicht nur eines der bekanntesten Gedichte des Künstlers, sondern gilt gleichermaßen als eines der bekanntesten deutschsprachigen Frühlingsgedichte überhaupt, wobei es ein fester Bestandteil zahlreicher Anthologien sowie thematischer Gedichtsammlungen ist.

Das Gedicht selbst umfasst lediglich neun Verszeilen, die sich einer einzigen Strophe unterodnen, ist aber dennoch kunstvoll gestaltet und sollte aufgrund seiner Kürze nicht vorschnell beurteilt werden.

Inhaltsangabe

In den ersten vier Versen des Gedichts beschreibt das lyrische Ich, wie es die Ankunft des Frühlings über das Sehen und Riechen wahrnehmen kann. Im nächsten, dem fünften, Vers werden Veilchen[1] benannt, die kurz davor stehen zu blühen, was im sechsten Vers ausgeführt wird.

In den letzten drei Verszeilen des Werkes verkündet das lyrische Ich, dass es in der Ferne den Klang einer Harfe vernehmen kann, der als Frühling gedeutet wird, was dem Sprecher im Gedicht gefällt.


[1] Veilchen gelten seit dem Mittelalter als Vorboten des Frühlings (vgl. Literaturepochen).

Analyse/Stilmittel

Gedichtanalyse der äußeren Form
Gedichtart Einstrophiges Gedicht, das als Naturlyrik gilt
Strophen 1 Strophe mit 9 Versen
Verse 9 Verszeilen aus ingesamt 38 Wörtern
Versmaß
(Metrum)
vierhebiger Trochäus in den Versen 1 – 4, dreihebiger Trochäus in Zeile 5 – 6, dann fünfhebiger Trochäus in Vers 7 und dreihebiger Trochäus in den Verszeilen 8 – 9, wobei die Kadenzen wechselhaft erscheinen (abwechselnd männlich und weiblich).
Reimschema Umarmender Reim (V. 1 – 4), Kreuzreim (V. 5 – 9), Reimwaise (V. 8)
Reimformen Verse der Strophen durch Endreime verbunden
Zeitformen Präsens (Gegenwart), Perfekt
Stilmittel im Gedicht Er ist’s
Stilmittel Vers Textstelle
Personifikation 1 Frühling lässt sein blaues Band
Metapher 1 Frühling lässt sein blaues Band
Alliteration 1 blaues Band
Onomatopoesie 2 flattern durch die Lüfte
Personifikation 3, 4 Düfte / Streifen ahnungsvoll das Land.
Personifikation 5 Veilchen träumen schon
Appell
(Befehl)
7 Horch
Alliteration 7 Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Exclamatio 7, 8, 9 Horch, von fern ein leiser Harfenton! / Frühling, ja du bist’s! / Dich hab’ ich vernommen!
Interjektion 8 Frühling, ja du bist’s!

Interpretation

Er ist’s von Eduard Mörike gilt wohl als eines der bekanntesten Frühlingsgedichte überhaupt und wird dennoch aufgrund seiner Einfachheit recht selten analysiert oder gar interpretiert, da die Aussage des Gedichts klar erscheint: der Frühling kündigt sich an und das lyrische Ich ist voll freudiger Erwartung.

Jedoch verbergen sich im Gedicht zahlreiche Feinheiten, wodurch die formale Gestaltung des Werkes durchaus als besonders kunstvoll erachtet werden kann. Das Werk Er ist’s verbindet exemplarisch den Inhalt, der Vers für Vers entfaltet wird, mit der äußeren Form. Das Gedicht stellt sich selbst dar, tastet sich an den Frühling heran und mündet in der überschwänglichen Erkenntnis: der Frühling ist da!

In der ersten Verszeile wird die Jahreszeit durch die Personifikation regelrecht zum Leben erweckt. Der Frühling ist im Werk demnach nicht nur präsent, sondern wird tatsächlich vermenschlicht, wenn er sein blaues Band durch die Lüfte flattern lässt. Dieses Personifizieren des Frühlings wird dadurch verstärkt, dass dieser ohne Artikel angeführt wird und so als lebendiges Wesen, als Eigenname, erachtet wird.

Dennoch bereitet schon der erste Vers gewisse Probleme, denn auch wenn er häufig zitiert wird, kann nicht eindeutig geklärt werden, was es mit der Metapher des blauen Bandes auf sich hat. So könnte das sanfte Blau für einen aufbrechenden Himmel stehen, der das Grau des Winters farbenfroh durchbricht.

Naheliegend ist auch, dass das Band an einen Brauch aus früheren Tagen anspielt. Damals übersandte man Freunden gemalte Bänder, um sie zu grüßen. Wenn der Frühling nun sein blaues Band durch die Luft flattern lässt, kann dies als Gruß und Ankündigung seines baldigen Eintreffens gedeutet werden.

Diese Ankündigung lässt das lyrische Ich zurückblicken, denn es gebraucht ein wieder. Das bedeutet, dass es durchaus mit dem Frühling vertraut ist und diesen bereits erlebt hat, was außerdem durch die wohlbekannten Düfte des dritten Verses unterstrichen wird. Der Frühling lässt sich hierbei mit allen Sinnen erleben, lautmalerisch flattert er, ist zu sehen (blau) und außerdem zu riechen (Düfte).

Auffällig ist nun aber, dass sich der angekündigte Frühling eher langsam auszubreiten scheint. Erst wird er benannt, dann schickt er einen Gruß (blaues Band), wird plötzlich hörbar (flattern), kann dann über das Riechen wahrgenommen werden. Berücksichtigt man hier den Umstand, dass der Mensch ferne Dinge zuerst sieht, dann hört und letztlich riechen kann, scheint sich der Frühling zu näheren.

Dennoch bleiben die ersten vier Verse unkonkret. Das blaue Band flattert nur durch die Luft, die Düfte erscheinen nicht greifbar und der Frühling deutet sich nur an. Demnach können diese Verszeilen, also die ersten vier, durchaus als eigenständiger Sinnabschnitt gelten, der eine Vorbereitung der baldigen Ankunft des Frühlings vorwegnimmt. Dies wird durch den umarmenden Reim der Verse untersrichen.

Im fünften und sechsten Vers wird es allerdings schnell konkret. Das lyrische Ich erspäht Veilchen, also etwas das tatsächlich da ist, auch wenn sie bisher träumen, sich also auch in einem Schwebezustand zwischen Sein und Abwesenheit befinden. Aber die Veilchen sind da: die Ankunft muss bevorstehen.

Im siebenten Vers plötzlich ein Geräusch. Das lyrische Ich appelliert an den Adressaten des Gedichts, dass er nun ruhig sein muss, um zu hören, um den Klang einer Harfe zu vernehmen. Die Abfolge des Wahrnehmens ist hierbei identisch. Die Veilchen wurden ersten gesehen, wie zuvor das blaue Band, woraufhin ein Klang ertönt, hier die Harfe, vorab das Flattern. Da kommt wohl etwas immer näher.

Und ja: der achte Vers bringt die Gewissheit: Frühling, ja du bist’s! Darauf folgt die Rückbesinnung auf das Bisherige, wenn das lyrische Ich nun die Richtigkeit der angestellten Beobachtungen unterstreicht, denn den Frühling hat es tatsächlich vernommen (achter Vers). Interessant ist hierbei, dass die Zeile, die den Frühling benennt, eine Sonderstellung einnimmt.

Sie ist nämlich die einzige Verszeile des Textes, die sich mit keiner anderen reimt, außer mit dem Titel selbst, was wiederum ihre Sonderstellung weiterhin verstärkt. Die ersten vier Verse bilden durch den Schweifeim eine abgeschlossene Einheit, die folgenden Verse entsprechen dann dem Muster des Kreuzreims, wirken dadurch unsteter und spiegeln durch dieses Hin und Her die Vorfreude des Ichs wider – doch das Erkennen des Frühlings fällt aus diesem Muster heraus.

Der Titel des Gedichts bildet aber dennoch ein Reimpaar mit ebendieser Zeile. So bleibt demnach doch keine Zeile ohne Reim und das Gedicht scheint selbst nochmals zu unterstreichen, dass es tatsächlich der Frühling ist, wenn der Titel Er ist’s mit Frühling, ja du bist’s! gereimt und demnach verbunden wird.

Inhaltlich baut das Werk folglich eine Erwartungshaltung, beinahe Spannung, auf, die ihre Erlösung im Erkennen des Frühlings findet. Interessant ist hier, dass diese Spannung, diese aufgeregte Vorfreude sich im Gedicht selbst abzeichnet. Anfänglich bildet der Schweifreim eine Einheit, dann wird es im Kreuzreim unruhiger, der dann, als Höhepunkt, durch die scheinbare Reimwaise gesprengt wird.

Dieses Aufgeregte lässt sich auch daran erkennen, dass die ersten zwei Verse noch einen ganzen Satz beinhalten, welcher sich über beide Zeilen erstreckt, auch Vers drei und vier tragen anmutig einen Satz, der seine eigene Länge auskostet. Die Beobachtung der träumenden Veilchen wird zwar immer noch in einem Satz, der sich über zwei Verse erstreckt, ausgedrückt, doch ist dieser deutlich kürzer.

Danach schlägt der Text in einen absoluten Zeilenstil um. Das bedeutet, dass das Vers- und Satzende zusammenfallen und spätestens im vorletzten Vers gipfelt das Gedicht im Stakkato. Die Ankunft des Frühlings wird ausschließlich durch einsilbige, zackige Wörter, die sich durch viele Konsonanten und helle Vokale auszeichnen, hervorgebracht. Die vorfreudige Unruhe lässt sich sprachlich nachweisen.

Auch metrisch wird dieses Hin und Her unterstrichen. Zwar werden in Er ist’s alle Verse vom Trochäus bestimmt, doch variieren die Hebungen der einzelnen Zeilen enorm. Anfänglich bleibt dieser Trochäus vierhebig, wird dann dreihebig, danach sogar fünfhebig im siebenten Vers, um dann, als der Frühling endlich da ist, aprupt zu wechseln und abermals drei Hebungen aufzuweisen.

Hinweis: Obige Interpretation ist als Ansatz zu verstehen. Um eine vollständige Gedichtsanalyse, welche die Interpretation einschließt, anzufertigen, sollten die Stilmittel funktionalisiert sowie ein Epochenbezug hergestellt werden.