Der Barock ist die Literaturepoche des 17. Jahrhunderts und lässt sich zwischen der Renaissance und der Aufklärung einordnen. Durch den vorherrschenden Absolutismus und den das Jahrhundert prägenden Dreißigjährigen Krieg sind alle Lebensbereiche von einer Antithetik geprägt. Die Themenpaare Armut und Reichtum, Leben und Tod bestimmen daher auch die Texte der Literaturgattungen Epik, Lyrik und Dramatik. Die lateinischen Motive “Memento mori” und “Carpe diem” entstammen ebenfalls der Zeit des Barocks.
Inhaltsverzeichnis
Begriff und zeitliche Einordnung des Barocks
Die Epoche des Barocks liegt zeitlich zwischen der Renaissance und der Aufklärung und dauert etwa von 1600 bis 1720. In der Literaturwissenschaft wird zuweilen noch in Frühbarock (bis ca. 1659), Hochbarock (bis ca. 1700) und Spätbarock (teilweise bis 1750) unterschieden. In der Kunst und Architektur ist die Epoche mit einem sehr opulenten und auffälligen Stil assoziiert und auch in der Literatur finden sich Themen wie Lebenslust und verschwenderischer Luxus. Der Name leitet sich vom portugiesischen Wort “barocco” ab, welches aus der Juwelier-Sprache stammt. Die Übersetzung “seltsam geformte, schiefrunde Perle” verweist auf den auffälligen Stil, wird aber zunächst abwertend gebraucht. Als Epochenbezeichnung setzt sich der Begriff in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch. Mit Recht wird der Barock als eine Zeit der Widersprüche bezeichnet. Motive und Themen sind daher ebenfalls Todesangst und Vergänglichkeit. Diese Gegensätzlichkeit ergibt sich aus den gesellschaftlichen Umständen.
Der Dreißigjährige Krieg
Von 1618 bis 1648 dauerte der Dreißigjährige Krieg und war damit vorherrschend für die unruhige und leidvolle Anfangszeit des Barocks. Verursacht durch die Reformation um 1517 und ausgelöst durch den sogenannten Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618, handelte es sich zunächst um einen Krieg zwischen den christlichen Glaubensrichtungen. Als Resultat spaltete sich der Protestantismus vom Katholizismus ab. Zusätzlich wurde auch um Herrschaftsgebiete des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gekämpft, zu dem große Teile des heutigen Mittel- und Südeuropas zählten. Der brutale und langwierige Krieg zerstörte große Teile des Landes und stürzte die Bevölkerung in Hunger und Not. Weitere Auseinandersetzungen wie der Französisch-Spanische Krieg und der Torstensson-Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum folgten. Am 24. Oktober 1648 endete der Territorialkrieg mit dem sogenannten Westfälischen Frieden. Neben neuen Gebietszuschreibungen erklärten die verschiedenen Friedensverträge auch die katholische, die lutherische und die reformierte Konfession für gleichberechtigt. Der allgegenwärtige Krieg und das Elend der Zeit führten bei der einfachen Bevölkerung zu einem tiefen Bewusstsein für die Vergänglichkeit des eigenen Lebens. Auf der anderen Seite lebten die alleinigen Herrscher im 17. Jahrhundert in Saus und Braus. Auch der Absolutismus ist daher ein prägender, wenngleich auch konträrer Einfluss auf das Weltbild der Zeit und die Motive dieser Literaturepoche.
Absolutismus
Mit Absolutismus ist eine Regierungsform gemeint, bei der ein alleiniger Herrscher uneingeschränkt über die Bevölkerung bestimmt. Als Musterbeispiel gilt der
der Sonnenkönig Ludwig XIV., der nicht nur die ganze Macht über Frankreich und das französische Volk für sich beanspruchte, sondern auch einen ausschweifenden Lebensstil pflegte. Mit dem Schloss Versailles ließ er sich eines der prächtigsten Barockschlösser Europas bauen. Die absolutistische Herrschaftsform leitete sich von der schon seit dem Mittelalter bestehenden Ständegesellschaft ab, bei der der Adel an der Spitze und die einfache Bevölkerung ganz unten stehen.
Um das Weltbild der damaligen Menschen besser begreifen zu können, ist es wichtig, diese beiden prägenden Einflüsse, den Dreißigjährigen Krieg und den Absolutismus, zu kennen. Auch der noch immer vorherrschende christliche Glaube bestimmte maßgeblich das Leben der Bevölkerung. Wie bereits im Mittelalter war der religiöse Grundgedanke vor allem von einem Dualismus von Gott und der Welt und damit vom Himmlischen und Irdischen, von Licht und Finsternis, Seligkeit und Sünde geleitet. Ein weiteres geschichtliches Ereignis, das in Europa zwischen 1550 und 1650 seinen Höhepunkt hatte und damit noch in der Zeit des Frühbarocks lag, war die Hexenverfolgung. Auch diese Verfolgungen und Hinrichtungen versetzten die Menschen in Angst und Schrecken und reduzierten wie der Krieg einen großen Teil der Bevölkerung.
Zusammenfassung: Begriff und zeitliche Einordnung des Barocks
- Begriff: portugiesisches Wort “barocco” = schiefrunde Perle
- Zeitraum: 1600-1720
- Einordnung: zwischen Renaissance und Aufklärung
- historischer Kontext: Dreißigjähriger Krieg und Absolutismus, Hexenverfolgung
- Weltbild: Gegensatz vom adligen Luxus und Elend der Armen, religiöser Dualismus
Motive und Themen des Barocks
Die sehr unterschiedlichen Lebensumstände der einfachen Bevölkerung und des höfischen Adels ergaben in der Epoche des Barocks auch zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen auf das Leben. Das Weltbild war geprägt von zerrissenen Lebensgefühlen, von einem Vergänglichkeitsbewusstsein und der Todesangst durch den Dreißigjährigen Krieg auf der einen Seite, vom kostspieligen und lustvollen Lebensstil und einer verschwenderischen Machtdemonstration auf der anderen Seite. Es gibt einen Begriff aus der Philosophie, der diesen Fokus auf Gegensätze beschreibt: Antithetik, also die Lehre von den Widersprüchen. Diese Gegensätzlichkeiten wurden in der Literatur immer wieder aufgegriffen. Auch die religiösen Dualismen, zum Beispiel Sünde und Seligkeit, gehörten dazu. Nebeneinander standen für die Epoche daher die beiden lateinischen Motive “Memento mori” (Bedenke, dass du sterben wirst.) und “Carpe diem” (Nutze den Tag.) Während sich das “Carpe diem” auf das Leben bezog und aufforderte, dieses zu genießen, erinnerte “Memento mori” an die eigene Vergänglichkeit und den Tod. Auch “Vanitas” war ein typisches Motiv im Barock. Es ist der lateinische Begriff für Vergänglichkeit. Das irdische Leben wurde ganz im Sinne des christlichen Gedanken als bedeutungslose und vorübergehende Etappe des Menschen gesehen, ehe er ein besseres Leben im Paradies nach dem Tod führte.
Antithetische Motive des Barocks
Memento mori | Carpe diem |
Tod, Todesangst | Leben, Lebenslust |
Erde | Himmel |
Diesseits | Jenseits |
Armut | Reichtum |
Krieg | Luxus |
Entbehrung | Verschwendung |
Tugend | Sünde |
Sein | Schein |
Reinheit, Enthaltsamkeit | Erotik, Sinneslust |
Finsternis | Licht |
Regeln | Macht |
Krankheit | Gesundheit |
Ernsthaftigkeit | Spiel |
Vergänglichkeit | Ewigkeit |
Zusammenfassung: Motive und Themen des Barocks
- antithetische Sichtweise auf das Leben
- Lebenslust (Carpe diem) und Todessehnsucht (Memento mori)
- Vergänglichkeitsmotiv (Vanitas)
Literatur des Barocks
Die Malerei, die Architektur, die Kleidung und die Literatur zur Zeit des Barocks können mit ähnlichen Attributen beschrieben werden: prunkvoll, pompös, wuchtig und reich verziert. Kunst und Kultur brachten das verschwenderische Lebensgefühl des Adels zum Ausdruck, verinnerlichten aber auch die Gegensätze zwischen dem Luxus und dem Kriegselend. Die Literatur zeichnete sich daher durch eine sehr bildhafte und künstliche Sprache aus, während sie inhaltlich die gegensätzlichen Themen von Lebenslust und Todessehnsucht aufgriff. Häufig mit Hilfe des Stilmittels der Antithese spiegelten die Texte die Gegensätze der Zeit wider. Mit der Thematisierung der Vergänglichkeit stellte sich die Literatur auch die Frage nach dem Sinn des Lebens. Einerseits dienten die Texte als Warnung vor dem moralischen Verderb, andererseits forderten sie zur Selbstreflexion auf. Weitere rhetorische Figuren, die zur Zeit des Barocks oft verwendet wurden, waren Metaphern, Personifikationen, Übertreibungen, Wiederholungen, Symbole oder auch Allegorien. Die Stilmittel Spott und Ironie sind ebenfalls typisch für den Barock und wurden in der Literatur zum Beispiel dafür genutzt, den luxuriösen Überfluss der Adligen im Angesicht des Elends der Armen als unmoralisch zu entlarven. Die ausgeschmückte und sehr bildhafte Sprache war ein wichtiges literarisches Merkmal und wirkt für heutige Lesende oft übertrieben und anstrengend.
Dennoch folgten Autoren der Literaturepoche strengen Regeln, nach denen die Werke aufzubauen waren. Noch immer hatten Individualität und Originalität wenig Bedeutung im christlich geprägten Weltbild der Zeit. Um sich mit den literarischen Figuren identifizieren zu können, gab die Ständegesellschaft den Rahmen des Werks vor. Daraus ergab sich, dass Texte für Bauern in einem niederen Stil mit einfacher Sprache verfasst wurden. Die Texte für das Bürgertum hatten einen mittleren Stil und eine normale Sprache und Texte für Hof und Adel einen sehr hohen Stil und eine würdevolle Sprache. Eine wichtige Entwicklung der Zeit war, dass die meisten Werke inzwischen statt auf Latein auf Deutsch geschrieben und so einer größeren Bevölkerung zugänglicher wurden. Martin Opitz verfasste die erste deutschsprachige Poetik mit Vorschriften für Verse und Texte, an denen sich die meisten Barockdichter auch hielten.
Lyrik
Die beliebteste Literaturgattung des Barocks war die Lyrik. Sie verbindet beide genannten Merkmale, die bildhafte Sprache und die strengen Regeln, zum barocken Ideal. Neben den Vorgaben zu Form, Versmaß und Reimschema folgte sie auch der Ständeklausel. Den Gedichtformen war zugwiesen, ob sie im hohen Stil ein ehrwürdiges Thema oder im niederen Stil ein alltägliches Thema behandelten. Besonders häufig war das Sonett, das in 14 Verse mit zwei Quartetten und zwei Terzetten aufgeteilt ist. Die ersten zwei vierzeiligen Strophen zeigen oft die eine Seite einer Antithetik auf, die folgenden zwei dreizeiligen Strophen die andere Seite. Auch Elegien, Epigramme, Oden und Embleme wurden vermehrt von Autoren des Barocks geschrieben.
Epik
Zu den häufigsten epischen Textsorten gehörten im Barock Satiren, Schwänke und Romane, wobei sich neue Genres wie der Schelmenroman und der Abenteuerroman entwickelten. Ebenfalls erfreuen sich nicht-fiktionale Texte wie Reiseberichte, wissenschaftliche und journalistische Aufsätze oder Predigten an Beliebtheit.
Dramatik
In der deutschen Literaturepoche des Barocks war Dramatik wenig verbreitet. Dennoch waren Stücke aus dem Ausland, in denen sich das Nationaltheater schon etabliert hatte, beliebt. Shakespeare, Molière, Corneille und Monteverdi sind die großen Namen des barocken Theaters. Wie in der Epik und Lyrik hielten sich die dramatischen Werke an die Ständeklausel, weswegen Komödien das Leben der ärmeren und Tragödien das Leben der höfischen Menschen behandelten.
Zusammenfassung: Literatur des Barocks
- – bildhafte und künstliche Sprache
- – Gegensätzlichkeit durch Antithese vermittelt
- – weitere Stilmittel: Metaphern, Personifikationen, Übertreibungen, Wiederholungen, Symbole, Allegorien, Spott, Ironie
- – Ständeklausel
- – Regelwerk (Opitz’ Buch von der Deutschen Poeterey)
- – Deutsche Sprache statt Latein
- – Lyrik (Sonett) beliebter als Epik (Schelmen- und Abenteuerroman) und Dramatik (Shakespeares Nationaltheater)
Vertreter und Werke des Barocks
Martin Opitz (1597-1639) | Buch von der Deutschen Poeterey (1624) |
Friedrich von Logau (Salomon von Golaw) (1605-1655) | |
Paul Fleming (1609-1640) | Klagegedichte über das unschuldigste Leiden und Tod unseres Erlösers Jesu Christi (1632) |
Andreas Gryphius (1616-1664) | Es ist alles eitel (1637) |
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679) | Vergänglichkeit der Schönheit |
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622-1676) | Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch (1668/69) |
Daniel Caspar von Lohenstein (1635-1683) | |
Ibrahim (1650) | |
Johannes Scheffler (Angelus Silesius) (1624-1677) | |
Johann Ulrich Megerle (Abraham a Santa Clara) (1644-1709)
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